Maja Roth

Über den Flug der Fliege oder wie kommt die Fliege an die Wand?

Der zweite Tag der Duisburger Filmwoche fällt auf den „Dienstag nach dem ersten Montag im November“ – das ist die Formulierung, die in der US-amerikanischen Verfassung festgelegt wurde, um einen regulären Wahltermin im Vierjahresrhythmus aufzustellen. Mit dieser besonderen Formel sollte – wie ich Peter Filzmaier entnommen habe – ein Zeitpunkt nach der großen Erntezeit gefunden[…] Weiterlesen

Esther Kinsky

Sehen lernen

Vor einigen Wochen gab es in Wien eine Reihe von Filmen, Werkstattgesprächen und Diskussionen zum Thema „Anthropozän“, ein Dialog, wie es hieß, zwischen Kunst und Wissenschaft. An einem Abend stand „Thirteen Lakes“ von James Benning auf dem Programm, und Benning würde persönlich anwesend sein. Die Einführung übernahm ein Wissenschaftler, ich weiß nicht mehr welchen Fachs.[…] Weiterlesen

Alexander Scholz

ENTFERNTES SORTIEREN

„Heute dies, morgen jenes zu tun“ wünschte sich Karl Marx. Morgens jagen, nachmittags fischen, abends Viehzucht treiben, nach dem Essen kritisieren, wie er gerade Lust habe, wollte er. Und das „ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.“ Labels entfernen! Etwas zu tun oder zu sagen, ohne gleich an einen gesellschaftlichen Ort sortiert zu[…] Weiterlesen

Kaspar Aebi

Distanzmontage: Beobachten, wie es anders sein könnte

„The main achievement of observational cinema was that it has once again taught the camera how to watch“, schreibt der Ethnologe und Dokumentarfilmemacher David MacDougall in einem Text mit dem Titel Beyond Observational Cinema.1 Statt von einem vorgefertigten Skript auszugehen, ergibt sich die Struktur des Films erst nachträglich aus dem, was die Kamera beobachtet hat.[…] Weiterlesen

Eh-Jae Kim

Distanzmontage: Periphersicht

Ein Bild, das sich wiederholt: Zwei Schatten auf dem Weg, zwei Frauen, die nebeneinander hergehen. Man erkennt nicht, wer sie sind. Eine von ihnen hält die Kamera, aber welche, bleibt unklar. Die beiden Frauen spazieren ohne Ziel. Ein Bild, gesehen in zwei Filmen. In „Mâna care taie“ von Alexandra Tatar legt sich die Stimme der[…] Weiterlesen

Bianca Jasmina Rauch

Distanzmontage: Hybridfilme – wenn Grenzen verschwimmen und wir mit ihnen

Mache ich mich mit diversen Webmaschinen auf die Suche nach Bildern zum Begriff „hybrid“, blickt mir sogleich eine bunte Auswahl schnittiger Autos entgegen. Hier und da mengen sich Aufnahmen oder KI-generierte Animationen von Tierkörpern unter, deren Erbgut aus mehreren klassifizierten Arten bestehen soll. Hybridia = Mischling. Während es im Fall Automotor und in Bezug auf[…] Weiterlesen

Maxi Braun

Distanzmontage: Unwegsames Gelände

Dokumentarfilm ist ein unsicheres Terrain. Ist das, was wir sehen, noch dokumentarisch, oder schon fiktional, irgendwas dazwischen und was bedeutet das? Dürfen wir über das, was komisch wirkt, im Dokumentarfilm auch lachen? Wohnt dem Beobachten als dokumentarische Methode eine demokratische Kraft und ein utopisches Moment inne und hilft es manchmal, knapp an etwas vorbeizuschauen, um[…] Weiterlesen

Joachim Schätz

Distanzmontage: „Meinst du, er mag das, oder sieht es eher aus wie eine Karikatur?“ Komische Selbstpositionierungen in drei Duisburger Dokumentarfilmen

Etwas ist komisch am dokumentarischen Begehren: Was heißt es, Filmemacher:in und Teil der profilmischen Anordnung zu sein? Was, Menschen ‚als sie selbst‘ vor die Kamera zu holen, und einem Publikum für die Faktizität des Vorgeführten gerade zu stehen? All diese dokumentarischen Routinen bringen Inkongruenzen ins Spiel, ein schillerndes Nicht-Übereinstimmen zwischen Anforderungen und Realitäten. Und genau[…] Weiterlesen

Nina Selig

Essay: Uncertain spaces

Meine Eltern haben sich in den 1980er-Jahren getrennt, und wie man das damals noch so machte, sahen wir unseren Vater nur noch alle 14 Tage am Wochenende. Entfremdet wie wir waren, weil kein gemeinsamer Alltag mehr da war, haben wir uns an diesen Wochenenden ins Kino gerettet. Im Programmkino unseres Vertrauens haben wir schweigend nebeneinander[…] Weiterlesen

Jugend ohne Film

Von Filmen schreiben, aber wie?

Gedanken zum Filmkritik-Workshop bei der 47. Duisburger Filmwoche Im Rahmen der 47. Duisburger Filmwoche fand zum ersten Mal ein gemeinsam vom Festival und Jugend ohne Film organisierter Filmkritik-Workshop statt. Fünf Teilnehmende (Anna Stocker, Christopher Dörr, Derya Satır, Leonie Jenning, Valentin Herleth) wurden für fünf Tage nach Duisburg eingeladen. Dort setzten sie sich unter Anleitung von[…] Weiterlesen

Alexander Scholz

Eröffnungsrede 47. Duisburger Filmwoche

 „Das ist ja eine Veranstaltung für uns“ sagte eine junge Frau auf dem Duisburger Flachsmarkt neulich. Das war bei unserer Vorführung von Cem Kayas Film „Ask, Mark ve Ölüm“. Die Frau stand vor einer Auslage mit türkischen Schallplatten, die einer der Sammler aus dem Film mitgebracht hatte. Und sie hatte recht. Die Vorführung war für[…] Weiterlesen

Fiona Berg

Distanzmontage: Resonanz als Rettung?

Wie wir in den Wald hinein rufen, so schallt es wieder heraus. Dieses Sprichwort fällt mir ein, als ich über Natur als filmischen Resonanzraum nachzudenken beginne und ich frage mich, was es über unser Welt-Verhältnis erzählt. Zurückzuführen auf die Erfahrung des Echos bezeichnet das Bild zwischenmenschliche Verhaltensweisen, die wieder auf uns zurückfallen. Eigentlich als ein[…] Weiterlesen

Oliver Schwabe

Distanzmontage: Die Zauberschale – das öffentlich-rechtliche Fernsehen und sein Archiv

Eine subjektive Reflexion in popkulturellem Kontext. Es gehört zu den aufregenden Aufgaben, im Zuge der Recherche zu einem Dokumentarfilmin die Tiefen des Archivs des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einzutauchen. Diese komprimierten und intensiven Zeitreisen in den Bewegtbildkosmos, der seit nunmehr über 70 Jahren – mittlerweile zum größten Teil digitalisiert – existiert, macht Zusammenhänge deutlich, strahlt auf die[…] Weiterlesen

Marion Biet

Distanzmontage: Vom Untertitel als Gefahr zum Untertitel als Katalysator des Bildes

„Bei einer Untertitelung laufe man immer Gefahr, das Bild zu zerstören.“ Mit diesem Einwand reagiert der Regisseur Peter Nestler auf die Kritik des Publikums der Duisburger Filmwoche an der Kommentarstimme über den Originalton in der letzten Szene seines Films „Die Nordkalotte“ (DE 1991, DF15). In dieser fast 10-minütigen Szene, die dem Protokoll1 zufolge für Nestler[…] Weiterlesen

Petra Palmer

Distanzmontage: Der soziale Raum und Architektur im Film

Mit Gebäuden ist es wie mit Filmen, manche fühlen sich behaglich an, andere evozieren Beklemmungen und erdrücken schier. Zuweilen fühlt man sich in ihnen verloren – in den Filmen wie in den Gebäuden –, aber genauso gut können sie überwältigen. Welchen Einfluss hat die Architektur auf den sozialen Raum und wie machen Filme dies sichtbar?[…] Weiterlesen

Mirjam Baumert

Distanzmontage: Jenseits der Frontalität. Ein Zusammentreffen über Altersgrenzen hinweg

Ich kann nicht anders als es zu leiern: intergenerationaler Dialog. Ein Wort mit vielen Silben, ein Wort, das aus meinem Mund gähnend langweilig klingt. Doch nehme ich meine Aussprache ernst und begegne meiner Abwehr mit Neugier, erinnere ich mich an das Argument „eure Generation sieht das einfach anders“, das einen Schlussstrich unter jede Diskussion gesetzt[…] Weiterlesen

Michelle Koch

Distanzmontage: Konstellationen – im, nach und für den Film

Ich war nicht dabei, als Tizza Covis und Rainer Frimmels Film „Vera“ 2022 bei der 46. Duisburger Filmwoche präsentiert und anschließend mit einem Teil des Regieduos und dem Publikum besprochen wurde. Eine Idee, wie der Abend verlaufen sein könnte, vermittelte sich mir durch das online zugängliche Gesprächsprotokoll, in dem die diskutierte Grenzziehung zwischen Dokumentarfilm und[…] Weiterlesen

Maxi Braun

Distanzmontage: Aus sicherer Entfernung

Kollektives Filmerleben wird in Duisburg seit fast 50 Jahren durch anschließende Gespräche in den öffentlichen Raum des Diskussionssaals verlängert, die dort ausgetauschten Seherfahrungen und Gespräche in den Protokollen festgehalten. Die gezeigten Filme wirken so in mehrfacher Hinsicht nach. Seit 2020 ist das Protokoll-Archiv virtuell zugänglich und um einen Blog mit weiteren Texten zum Dokumentarfilm ergänzt[…] Weiterlesen

Alexander Scholz

im Werden begriffen

Dokumentarfilme, die nicht von ihrem Ende her gedacht und montiert sind, die sich in eine Begegnung wagen, Unfertiges zulassen: Solche Filme werden in Duisburg geschätzt, solche Filme haben es – in einem Apparat, der kaum Wert auf Entwicklung legt – nicht leicht, überhaupt zu entstehen. Bei der Filmwoche zeigen wir Filme, die als Rezeptionserfahrung etwas[…] Weiterlesen

Erhard Schüttpelz

Gute Projektion

„Mitten im Urwald tauchen Aufnahmen aus dem Ruhrgebiet auf. Von Männern, die in Bergwerken und Fabriken arbeiten, bunten Tapeten und klassischen Zwei-Kinder-Familien. Viele Jahre hat die Ethnologin Barbara Keifenheim Feldforschungen im peruanischen Amazonas-Gebiet betrieben. Nun konfrontiert sie den indigenen Stamm der Huni Kuin, der keine televisionären Bilder kennt, mit einem Kino der Fremdheit und Andersartigkeit.[…] Weiterlesen

Silvia Hallensleben

Schichtzulage: Auf eigene Faust

1. Zuletzt medial präsent waren die Umstände beim Schaffen deutscher Dokumentarfilme bei der Auseinandersetzung um den Film  „Lovemobil“ in diesem Frühjahr. Da hatte Regisseurin Elke Lehrenkrauss als Erklärung für den Einsatz von Drehbuch und Darstellern bei ihrem Dokumentarfilm auch auf die prekären Bedingungen des Drehs für den NDR hingewiesen. In der Folge thematisierten auch andere[…] Weiterlesen

Carolin Weidner

Schichtzulage: Auf Pointe: Komik als Herausforderung der Augenhöhe?

Im Film „Krai“ (AT 2021) von Aleksey Lapin ist immer wieder von einem ominösen Gas die Rede, welches es vermag, die Menschen verrückt zu machen und Autos zum Erliegen zu bringen. Es ergreift gewissermaßen Besitz von den Dörflern, bleibt dabei aber unsichtbar. Dennoch sorgt es für den ein oder anderen Lacher. Und es schleicht sich[…] Weiterlesen

Michael Andreas

Schichtzulage: Un/dokumentiertes Reisen durch Landschaften

„Es muss die Grenze gefilmt werden, jedoch unter der Bedingung, dass sie überwunden wird: vom Regisseur in der einen, von der realen Person in der anderen Richtung. […] Die Grenze kann lediglich als zurückweichende wahrgenommen werden, wenn man nicht mehr weiß wo sie verläuft.“  Mit diesem Zitat aus Gilles Deleuzes Kino-Büchern eröffnet Brigitta Kuster ihren[…] Weiterlesen

Cornelis Hähnel

Schichtzulage: Tagebücher als Chroniken der Annäherung

Von der Unmöglichkeit ICH zu sagen ohne Bibi zu sein Bibi liebt Kosmetik. Und alle lieben Bibi. Ihr Kanal „BibisBeautyPalace“ hat 7,7 Millionen Follower*innen bei Instagram. Dort präsentiert die Influencerin bereitwillig ihr Leben: Schwangerschaft, Nasen-OP, Flitterwochen, alles wird mit den passenden Filtern durch die sozialen Medien gejagt. Das Leben als like-bares Videotagebuch. iPhone12 statt Super-8.[…] Weiterlesen

Lena Serov

Schichtzulage: Wehrhafte Protagonist:innen, sichtbare Recherche

„The camera is yours, the microphone is yours, now tell the bastards what it’s like to live here.“ Mit diesen Worten soll Ruby, Regieassistentin und Schwester der Dokumentarfilmlegende John Grierson, die Protagonist:innen des Films „Housing Problems“ (UK, 1935) auf ihre geschichtsträchtige Rede in die Kamera eingeschworen haben, mit der sie sich gegen die miserablen Lebensbedingungen in den[…] Weiterlesen

Nadine Voß

Schichtzulage: Auf der Suche

„Werner Ruzicka eröffnet die Diskussion mit der Feststellung, dass alle Ruhrgebietler Fachleute für diesen Film sind“: „Unten Links“ (Holger Mohaupt, 2008) ist ein Dokumentarfilm über Menschen aus der Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Macht Herkunft die Expertin? Ich befürchte, zumindest mich betreffend, Gegenteiliges. Mitten in den weit fortgeschrittenen Strukturwandel hineingeboren, streiften Vergangenheit und Veränderung des Ruhrgebiets[…] Weiterlesen

Fabian Tietke

Blätterteig

Schichten sind gleichermaßen Ablagerungen und Ordnungen, Schichten der Duisburger Filmwoche zumal. Die Diskussionen nach den Filmen der Filmwoche sind Katalysatoren einer spontanen Sortierung, die Protokolle fungieren als erste verfestigte Form. Mit den Jahren lagern sich darauf weitere Diskussionsprozesse ab, die Fäden wieder aufgreifen, abreißen lassen oder neue knüpfen. Nicht selten sind diese verknüpft mit Personen.[…] Weiterlesen

Constanze Ruhm

Was zu sehen gewesen sein wird: Screen Sharing

Screen Sharing I Alexander von der Duisburger Filmwoche fragt um einen Text an, der die diesjährige Festivalerfahrung aus der Sicht einer (wie alle anderen auch) zu Hause rumsitzenden, leicht deprimierten Festivalteilnehmerin rekapituliert. Der Text soll darüber nachdenken, was für eine Art von Festival das ist, das nicht gemeinsam erlebt wird. Ist das überhaupt noch ein[…] Weiterlesen

Friederike Horstmann

#Museum

Museumskritik ist so alt wie die Institution selbst. Sie zeigt, wie umstritten der Status von Anfang an war. Kurz nach der Gründung des Louvre im Jahre 1793 kritisiert der Archäologe Antoine Chrysostôme Quatremère de Quincy nicht nur Napoleons machtpolitische Beschlagnahmung von Kunstwerken, sondern beklagt ihre Historisierung und Pseudopräsenz im Museum. Ihrem ursprünglichen Entstehungskontextes und Sinnzusammenhang beraubt führen sie ein[…] Weiterlesen

Lena Stölzl

Was bleibt

6.11.2001: In Duisburg wird Normalität verhandelt. Im gleichnamigen Programm, das sich aus 11 Videominiaturen zusammensetzt, untersucht Hito Steyerl die schrittweise Normalisierung von Rassismus in der deutschen Gesellschaft. Im Gespräch ortet die Filmemacherin ein „Problem der Bildfindung für die Struktur von Gewalt“. Als bedeutender Aspekt habe sich im Zuge des Projekts die Wiederholung etabliert. Stets von neuem gibt es Anschläge auf das[…] Weiterlesen

Sven Ilgner

Da fällt Peter Ott Fellini ein: „Wenn das Geld zu Ende ist, ist auch der Film zu Ende.“

Ein Film des Programms der df44 heißt Oeconomia von Carmen Losmann. Es ist ein erstaunlicher Film, denn er entblößt ganz souverän, dass unser Verständnis von Volkswirtschaft, Finanzwirtschaft und Ökonomie eben nur das eines Spiel ist. Dass es um psychologische Effekte viel mehr geht als um Wertschöpfung. Dass wir Geld erfinden, um neues zu erschaffen. Fachleute zocken in[…] Weiterlesen

Matthias Dell

Bloß zu sein

Vielleicht würde man „Bloßstellen“ anklicken im Schlagwortkatalog der gesammelten Duisburger Filmwochen-Protokolle auf der Suche nach Referenz im Archiv nach der Sichtung von Jan Soldats neuem Film Wohnhaft Erdgeschoss. Weil: Da ist gleich im ersten Bild des Films dieser Mann, Heiko, in voller Blöße, neben einem vergilbten Bett mit einer Mulde, an der Wand das Bild eines[…] Weiterlesen

Alexander Scholz

Duisburg um-schreiben

Zunächst mit pädagogischer Intention, dann mit dokumentarethischem Eifer, später mit agitatorischer Verve oder essayistischem Anspruch, in andere Medien ausgreifend und endlich all dies inmitten digitaler Netzwerke: Die Geschichte der Duisburger Diskussionsprotokolle seit 1978 berührt hin und wieder Wegpunkte der Dokumentarfilmgeschichte, von der in ihnen gesprochen und geschrieben wird. Stets verlängern die Texte eine Öffentlichkeit, die[…] Weiterlesen