„Heute dies, morgen jenes zu tun“ wünschte sich Karl Marx. Morgens jagen, nachmittags fischen, abends Viehzucht treiben, nach dem Essen kritisieren, wie er gerade Lust habe, wollte er. Und das „ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.“ Labels entfernen! Etwas zu tun oder zu sagen, ohne gleich an einen gesellschaftlichen Ort sortiert zu werden. Von Beziehungen und Verhältnissen ausgehen, statt von dem, was man schon zu wissen meint.
Dokumentarfilme können uns lehren ebenso zu schauen: als sei die Welt noch nicht vollends verwaltet, als gäbe es noch Entferntes zu entdecken, noch Vertrautes neu anzusehen, als könnten wir eingeübte Geschichten wieder verlernen. Im Kino haben sie die Kraft, die Wirklichkeit aus ihrer Geltung zu montieren, die Verhältnisse neu zu sortieren. Auf der Leinwand sehen wir Menschen, die heute dies, morgen jenes tun; die würdevoll und souverän sind oder zweifelnd und schwach, aber niemals Pappkamerad:innen für altkluge Thesen. So – intervenierend und offen – wünschen wir uns die dokumentarischen Bilder jedenfalls.
Auf unseren heimlichen Watchlists begegnet uns das Dokumentarische allerdings auch in seiner konventionellen, mithin kommodifizierten, Form: „Dokus“ bieten uns die Welt als Produkt an, holen die Wirklichkeit griffbereit und mundgerecht in unsere Nähe: vorportioniert und vorsortiert. Derart Formatiertes mag unterhalten, oft lässt es uns aber schweigend zurück. Wenn Filme schon alles wissen, gibt es nichts mehr zu sagen. Wenn man Leute schon einsortiert hat, hört man nicht mehr hin, was sie nach dem Film zu sagen haben.
Bei der Duisburger Filmwoche geben wir nicht vor, zu wissen, sondern wollen hinschauen und hinhören. Im Kino und im Diskussionssaal. Wir laden alle ein, mitzumachen.