Preisträger:innen
ARTE-Dokumentarfilmpreis
Olanda
von Bernd Schoch
Es beginnt in der Dunkelheit. Ein abstraktes, organisch anmutendes Bild geht über in einen Sternenhimmel. Schemenhaft und von kargem Licht erleuchtet sehen wir Menschen. Sie wachen auf, ein Morgengebet wird gesprochen. Mit den Arbeitern bricht der Film auf in den Wald, begibt sich mit ihnen auf die Suche. Ruhig, behutsam entfaltet sich die Erzählung.
In den nächsten zweieinhalb Stunden begleiten wir Pilzsammler in den steilen Berghängen der rumänischen Karpaten. Lange Beobachtungen von Arbeit und Alltag machen Zeit, Entfernungen, Kälte und Anstrengung erfahrbar. Pilze sammeln ist hier wirtschaftliche Notwendigkeit. Jeden Sommer kommen Menschen hierher, bauen ein improvisiertes Zeltlager auf. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie während der dreimonatigen Pilzsaison. Oder auch nicht. Über den Erfolg bestimmt die Natur, über das Verdienst der Markt. Der Film macht die ökonomischen Verflechtungen dieser Parallelwirtschaft sichtbar, die in dem Bild des Myzels ihre Entsprechung finden: Sammler, Zwischenhändler, Arbeiter, die die Pilze für die Kunden in Westeuropa säubern. Gezeigt wird die Härte dieses kapitalistischen Kreislaufs, aber auch wie Gemeinschaften entstehen, manchmal konfliktgeladen, oft solidarisch.
Bernd Schoch beobachtet geduldig und präzise die Realität dieser Welt, und findet gleichzeitig magische, wirklichkeitsentrückte Bilder für Menschen wie Landschaften. Durch seine Bildsprache, die Sensibilität und den Respekt, mit denen er seinen Protagonisten begegnet, gelingt ihm ein kinematographisch herausragendes Werk.
Lobende Erwähnung
Una Primavera
von Valentina Primavera
Eine lobende Erwähnung möchten wir einer mutigen Filmemacherin aussprechen, deren Film uns in seiner Dringlichkeit auch mehrere Tage nach der Vorführung nicht loslässt. Von den ersten Bildern an wird spürbar, dass Valentina Primavera ihn machen musste. „Una Primavera“ ist eine sehr persönliche Arbeit von großer geschlechterpolitischer Tragweite. Die Geschichte einer vermeintlichen Emanzipation wird zur klugen wie erschütternden Erzählung tiefsitzender patriarchaler Familienstrukturen.
3sat-Dokumentarfilmpreis
Bewegungen eines nahen Bergs
von Sebastian Brameshuber
Am Anfang steht eine mythische Erzählung über den Beginn des Eisenabbaus am österreichischen Erzberg.
In „Bewegungen eines nahen Bergs“ übersetzt Sebastian Brameshuber diesen Mythos über ein verhängnisvolles Tauschgeschäft in eine assoziative Raumlogik, in der sich Vergänglichkeit manifestiert. Wir begegnen Clifford Agu, der aus Nigeria stammt und durch die abgelegene Gegend streift, um an betagten Autos seine Nummer zu hinterlassen. Wir begleiten ihn in seine Werkstatthalle, in der er die Maschinen in alle Einzelteile zerlegt, beobachten, wie scheinbarer Schrott in einen Kreislauf der globalen Wiederverwertung überführt wird.
Cliff ist eine Figur randständiger Ökonomien. Der Blick heftet sich an eine Person, die in sich ruht, dennoch entsteht der Eindruck einer opaken Figur jenseits dieses klar umrissenen Umfelds. In den Bewegungen von Kamera und Montage wird eine Beziehung zwischen unterschiedlichen Räumen erstellt und ergründet, was mitschwingt im Dazwischen: Entwurzelung, Migration, Anpassung, Leben und Überleben. Jene zugleich fernen wie omnipräsenten Prozesse betreffen Menschen wie Dinge. Sebastian Brameshuber verschafft diesen Denkbewegungen eine filmische Form, die – unprätentiös und elaboriert – einen magischen Materialismus einfordert.
Lobende Erwähnung
Träume von Räumen
von Matthias Lintner
Lobend erwähnen möchte die 3Sat-Jury den Film „Träume von Räumen“ von Matthias Lintner, weil er in einem gedanklichen und inszenatorischen Reichtum Zugänge zu einem der Gentrifizierung geweihten Haus legt, indem er den bunten Alltag der darin lebenden Menschen erzählt.
Preis der Stadt Duisburg
Un cuento sin tí
von Michael Fetter Nathansky
Das Setting könnte aus einem Film der Marx Brothers stammen, der Beginn eine Reflexion über staatliche Überwachung und dem Verschmelzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit andeuten. Es ist aber eine Familiengeschichte. Oder eine Coming-of-Age-Story des Regisseurs? Oder doch nur das Nebenprodukt eines ganz anderen Filmdrehs, wie das auch einmal behauptet wird?
Wir folgen jedenfalls einer Reihe performativer Inszenierungen in einer Wohnung, die gleichzeitig Theaterbühne wie Erinnerungsort an den Patriarchen der Familie des Regisseurs ist, dessen Geschichte einer Flucht eben nicht erzählt werden soll und dann in einem Satz fällt. Dabei dienen diese Eingriffe, die sich der Tropen des Dokumentarfilms bedienen, Distanzen zu überbrücken: zwischen Innen und Außen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Heimat und Fremde und zwischen Arm und Reich. Dabei kann der Regisseur nur scheitern und das weiß er. Dieser Prozess jedoch verläuft klug und lustvoll, nicht zuletzt dadurch, dass der Regisseur auch sich selbst zum Gegenstand seiner performativen Untersuchungen macht, verwundbar auftritt, kokett-bescheiden, und damit die Klischees der Autorenschaft mitthematisiert. Der kurze und präzise Einsatz des Archivmaterials hilft nicht nur ein problematisches Familiengefüge, inklusive eines Moments der möglichen Aussöhnung, darzustellen, sondern entwirft in seinem Bezug zur Gegenwart ebenfalls ein historisches Außen der Klassenunterschiede und einer immer noch wirksamen Kolonialgeschichte.
Lobende Erwähnung
Fleischwochen
von Joachim Iseni
Wir sprechen Joachim Iseni und seinem Film „Fleischwochen“ hiermit eine lobende Erwähnung aus: Die Zeit des Schlachtens und Verwertens stellt den dramaturgisch klar abgegrenzten Raum für diese Familienskizze an einem oberösterreichischen Bauernhof dar. Der dargestellte Generationenkonflikt weist jedoch weit über die Familie hinaus und reißt Themen der Erwerbsarbeit, unbezahlter Betreuungs- und Pflegearbeit und ihrer geschlechtsspezifischen Zuordnung an. Fernab jeglicher Romantisierung des ländlichen Raums beschreibt Iseni diesen gekonnt mit poetischen Szenen, die die Dialektik zwischen produktivem Tun und Arbeit aufmachen.
„Carte Blanche“ Nachwuchspreis des Landes NRW
Una Primavera
von Valentina Primavera
Im Zentrum des prämierten Films steht eine zwiespältige Heldin, die zwischen Mut, Selbstmitleid, Familiensinn und Einsamkeit pendelt. Die Frage, die sie umtreibt, lautet: Kann ich meine Vergangenheit vergessen und im Leben nochmals neu anfangen?
Die Regisseurin begleitet die Heldin ihres Films auf diesem ebenso schmerzvollen wie reinigenden Prozess. Sie erzählt die Geschichte einer dysfunktionalen Familienstruktur und fragt, in welchem System sich diese etablieren konnte. Wie ist die Selbstbestimmung einer Frau und Mutter möglich, wo noch offen das Männlichkeitsideal Mussolinis verteidigt wird?
Der Film ist eine Konfrontation mit der Unfähigkeit, über Unausgesprochenes innerhalb einer Familie zu sprechen. Die Regisseurin, die gleichzeitig die Tochter ihrer Heldin ist, ist Teil dieser Konfrontation und übernimmt im Film dafür die Verantwortung.
„Cos’è la famiglia?“ – Was ist die Familie? – so lapidar die im Film aufgeworfene Frage scheint, so komplex sind die Antworten, die der Film gibt. So zeigt er keine klassische Heldin, der der ersehnte Befreiungsschlag gelingt. Vielmehr führt er beispielhaft vor, warum die Konsequenzen des Patriarchats und der strukturellen Gewalt nicht einfach vergessen werden können – und auch nicht vergessen werden wollen.
„Separare non è dimenticare“ – Sich von etwas trennen, heißt nicht, es zu vergessen – diese Erkenntnis der Protagonistin ist am Ende die Legitimation für ihren ganz persönlichen Entschluss, zum Ehemann ins gemeinsame Haus zurückzukehren. Es ist aber auch die Legitimation des Films, uns diese private Familiengeschichte zu erzählen und durch sie eine systemische und politische Dimension sichtbar zu machen.
Lobende Erwähnung
HAMBI – Der Kampf um den Hambacher Wald
von Lukas Reiter
Ein dokumentarischer Moment: türkische Mindestlohnarbeiter sitzen auf einem Baumstamm und beobachten ein groteskes Szenario zwischen Polizisten auf der Erde und Aktivisten in den Bäumen. Die Baumhäuser wirken wie Theaterbühnen mitten im Gesamtkunstwerk „Hambacher Forst“. Einer der Mindestlohnarbeiter sagt: „So zu leben ist doch gar nicht mehr nötig in Deutschland.“
Die Jury findet: Es ist absolut nötig, sich zu trauen, Dokumentarfilme mit solch erzählerischer und visueller Kraft zu machen. Filme, die Partei ergreifen, ohne die andere Seite zu denunzieren.
Publikumspreis der Rheinischen Post
Im Stillen Laut
von Therese Koppe
Jurys
ARTE-Dokumentarfilmpreis
Esther Buss
Lebt und arbeitet als freischaffende Film- und Kunstkritikerin in Berlin. Außerdem tätig als Lektorin und künstlerische Beraterin. Studierte Amerikanistik und Theaterwissenschaft in München. Von 2001 bis 2004 Redakteurin bei der Zeitschrift Texte zur Kunst. Seitdem schreibt sie für Kataloge, Monografien, Filmmagazine und Zeitungen, u. a. kolik.film, Jungle World, Spex, Der Tagesspiegel, Filmdienst und Spiegel Online. In diesem Jahr ist sie für den Verband der deutschen Filmkritik Teil der Dokumentarfilm-Jury.
Christian Popp
Studium der Geschichte und Romanistik in Tübingen und Aix-en-Provence. Zwischen 1998 und 2005 Redakteur bei ARTE in Straßburg und RBB/ARTE in Potsdam. Von 2005 bis 2012 Produzent in Paris und Berlin. 2012 gründete er die Firma YUZU Productions in Paris. Tutor, Berater und Moderator für verschiedene Institutionen und Märkte im Bereich Dokumentarfilm. Experte für das MEDIA Desk Schweiz und seit 2019 Kurator der Industry Days des FIPADOC International Documentary Festival in Biarritz.
Serpil Turhan
Studierte von 2001 bis 2004 Theaterwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Regieassistentin für verschiedene Regisseure wie Rudolf Thome und Thomas Arslan. Begann währenddessen Dokumentarfilme zu drehen und studierte Medienkunst/Film an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. 2013 Diplom mit dem Dokumentarfilm „Dilim Dönmüyor – Meine Zunge dreht sich nicht“. 2016 Teilnahme am Berlinale Forum mit „Rudolf Thome – Überall Blumen“. Derzeit Gastprofessorin an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.
3sat-Dokumentarfilmpreis
Michael Baute
Veröffentlicht seit 1992 zu Kino u. a. in Jungle World, Sigi-Goetz Entertainment, Cargo, kolik.film, tip Berlin und taz sowie im Weblog newfilmkritik.de. 2006 Co-Herausgeber (mit Volker Pantenburg) von „Minutentexte. The Night of the Hunter“ (Brinkmann und Bose). 2008/09 künstlerischer Leiter von „Kunst der Vermittlung“, einem Projekt zur Erforschung, Sammlung und Verbreitung audiovisueller Formen von Film- und Kinovermittlung. Seit 2010 Lehrveranstaltungen und Workshops, seit 2015 Dozent für Filmgeschichte an der dffb in Berlin.
Tereza Fischer
Geboren 1969. Studium der Publizistik und Filmwissenschaft an der Universität Zürich, Promotion. 2003 bis 2013 Forschung und Lehre an der Universität Zürich. Mitherausgabe des Tagungsbandes „Serielle Formen“ (2011), Dissertation „Poetik der Schärfenverlagerung“ (2012). 2007 bis 2013 Redakteurin und Mitherausgeberin des „Jahrbuchs Cinema“. Seit April 2014 Leitung der Schweizer Filmzeitschrift Filmbulletin sowie Vorstandsmitglied des Schweizer Verbandes der Filmjournalistinnen und -journalisten.
Lena Stölzl
Geboren 1983. Studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien und Berlin. Promotion an der Universität Wien zu Theorien des Dokumentarischen („Filmische Verortungen von Geschichte. Bewegungen des Sichtbarmachens historischer Schauplätze“, 2018). Zurzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bayreuth. Forschungsinteressen sind filmische Bildstrukturen, Historizität und Artistic Research. Herausgeberin der Publikation „Sichtbar machen. Politiken des Dokumentarfilms“ (mit Elisabeth Büttner und Vrääth Öhner, Vorwerk 2017).
Preis der Stadt Duisburg
„Carte Blanche“ Nachwuchspreis des Landes NRW
Stefan Höh
Geboren 1977 in Homburg, studierte Drehbuch/Dramaturgie an der ifs internationale filmschule köln Köln und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam. 2014 Gründung von Scöhfett Filme zusammen mit Berta Valin Escofet. Ihr gemeinsamer Debüt-Film „Mister Universum“ feierte seine Premiere beim Max-Ophüls-Preis 2016 und war nominiert für den First Steps Award als bester Dokumentarfilm. Seit 2016 im Vorstand des Filmbüro NW und Mitglied des Dokomotive Filmkollektivs.
Claudia Slanar
Studierte Kunstgeschichte in Wien sowie Aesthetics and Politics und Creative Writing am California Institute of the Arts. Seit 2014 kuratiert und programmiert sie das Ursula Blickle Video Archiv sowie das Blickle Kino im Belvedere 21, Museum für zeitgenössische Kunst in Wien. Seit 2015 im Auswahlgremium für Innovativen Film der Diagonale. Sie unterrichtete an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland und ist Autorin von Veröffentlichungen zu zeitgenössischer Kunst, Film und Video.
David Wegmüller
Geboren 1977 in Morges (Schweiz). Studium der Germanistik, Journalistik und Kommunikationswissenschaften in Freiburg und Trieste. Autor, Übersetzer und Kurator von Filmreihen. Co-Autor der Dok-Serie „Typisch Schweiz“ des Schweizer Fernsehens SRF. Seit 2006 bei den Solothurner Filmtagen in verschiedenen programmlichen und redaktionellen Funktionen tätig. Organisierte diverse Retrospektiven und Personalen rund um den Schweizer Film, u. a. zu Silvio Soldini, Ursina Lardi und Christoph Schaub. Arbeitet derzeit an einer Monografie über den Dokumentarfilmer Peter Liechti.
Kommission
Alejandro Bachmann
Kulturarbeiter mit Schwerpunkten im Vermitteln von und Schreiben über Film sowie in der Zusammenstellung von Filmprogrammen (mit Fokus auf dokumentarischen und experimentellen Formen). 2010 bis 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter, später Leiter des Bereichs Vermittlung, Forschung und Publikationen des Österreichischen Filmmuseums. Herausgeber von „Räume in der Zeit. Die Dokumentarfilme von Nikolaus Geyrhalter“ (Sonderzahl, 2015) und Co-Herausgeber von „Echos. Zum dokumentarischen Werk Werner Herzogs“ (Vorwerk 8, 2018), Associate Editor des Found Footage Magazine und des Film Education Journal. Lebt in Wien.
Bettina Braun
Ausbildung in London und Köln. Regisseurin, Autorin und Dozentin für Dokumentarfilm. Ihre Filme laufen auf nationalen und internationalen Festivals und erhalten diverse Auszeichnungen u. a. Filmpreis NRW für den Besten Dokumentarfilm, Medienpreis der Kindernothilfe, Phoenix Dokumentarfilmpreis, Publikumspreis der Duisburger Filmwoche. Für ihre Dokumentarfilm-Trilogie „Was lebst du?“ (2004/05), „Was du willst“ (2008), „Wo stehst du?“ (2011) erhielt sie 2013 den Grimme Preis Spezial. Bettina Braun ist Gründungsmitglied von LaDOC, Köln und Mitglied im Vorstand des Filmbüro NW e.V.
Anja Dreschke
Ethnologin, Filmemacherin und Kuratorin. Ihre Forschungsinteressen und Veröffentlichungen liegen im Bereich Theorie und Praxis an der Schnittstelle von experimenteller Ethnografie, essayistischem Film und künstlerischer Forschung. Unterrichtet audiovisuelle Anthropologie und Medienethnologieerzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien-und Kulturwissenschaft an der Universität Düsseldorf. Realisiert Filme, Videoinstallationen und Photoessays. Als Kuratorin arbeitet sie im Bereich von Ethnologie, Film und Kunst für Filmfestivals, Museen und andere Kulturinstitutionen.
Alex Gerbaulet
Filmemacherin und Produzentin in Berlin. Seit 2015 drei zum Teil mehrfach ausgezeichnete Kurzfilme: „Schicht“ (2015), „Tiefenschärfe“ (2017, zusammen mit Mareike Bernien) und „Die Schläferin“ (2018). Seit 2006 Lehrtätigkeit u. a. an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, der Kunsthochschule Kassel, der School of the Art Institute of Chicago und der Short Film Station der Berlinale Talents, sowie Mitarbeit in der Auswahljury des Kasseler Dokfest und des European Media Art Festivals in Osnabrück. Seit 2014 Teil der Produktionsplatform pong film in Berlin und hat dort seither u. a. an Filmen von Philip Scheffner, Dorothee Wenner und Khaled Abdulwahed mitgearbeitet.
Jan Künemund
Geboren in Schwerte (Ruhr). Literaturwissenschafts-, Soziologie- und Linguistikstudium in Bochum, Mitarbeit im Endstation Kino und beim Festival blicke. 2006 bis 2015 Text-, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Filmverleih Edition Salzgeber in Berlin. Redakteur des Queer-Cinema-Magazins Sissy. Dramaturgische Beratung bei Spiel- und Dokumentarfilmproduktionen, Co-Autor des Spielfilms „Lichtes Meer“ (2015). Seit 2015 Forschung und Lehre am Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur der Universität Hildesheim. Promotionsprojekt zum Queer Cinema. Freier Filmjournalist, u. a. für Spiegel Online, Freitag, Taz und Filmdienst.
Luc Schaedler
Geboren in Zürich. 1986 bis 2002 Mitarbeit in der Programmation des Kino Xenix in Zürich. 1994 bis 1998 Studium der Ethnologie, Geschichte und Filmwissenschaft an der Universität Zürich. 2005 Promotion in Visueller Anthropologie mit seinem Dokumentarfilm „Angry Monk“. 1998 bis 2001 Mitarbeit beim Aufbau des Kinderfilmklubs Zauberlaterne in Zürich. Seit 1998 freischaffender Dokumentarfilmer und Produzent mit seiner Firma go between films: „Made in Hong Kong“ (1997), „Angry Monk“ (2005), „Watermarks“ (2013), „A Long Way Home“ (2018).
Filme
HAMBI – Der Kampf um den Hambacher Wald (Lukas Reiter | DE 2019)
Una Primavera (Valentina Primavera | AT/DE/IT 2018)
Another Reality (Noël Dernesch, Olli Waldhauer | DE/CH 2019)
Rettet das Feuer (Jasco Viefhues | DE 2019)
Ralfs Farben (Lukas Marxt | DE/AT 2019)
Fortschritt im Tal der Ahnungslosen (Florian Kunert | DE 2019)
Ein Bild von Aleksander Gudalo (Sabine Herpich | DE 2018)
Mama Rosa (Dejan Barac | CH 2019)
Träume von Räumen (Matthias Lintner | DE 2019)
Heimat ist ein Raum aus Zeit (Thomas Heise | DE/AT 2019)
Szenen meiner Ehe (Katrin Schlösser | DE 2019)
Welt an Bord (Eva Könnemann | DE 2019)
Olanda (Bernd Schoch | DE 2019)
Die Tochter von … (Joakim Demmer, Verena Kuri | DE 2019)
Zustand und Gelände (Ute Adamczewski | DE 2019)
Bewegungen eines nahen Bergs (Sebastian Brameshuber | AT/FR 2019)
Un cuento sin tí (Michael Fetter Nathansky | DE 2019)
Im Stillen Laut (Therese Koppe | DE 2019)
Sie ist der andere Blick (Christiana Perschon | AT 2018)
Taste of Hope (Laura Coppens | CH/DE 2019)
Eye Candy (Katharina Kraft | DE 2019)
Searching Eva (Pia Hellenthal | DE 2019)
Fleischwochen (Joachim Iseni | AT 2019)
Madame (Stéphane Riethauser | CH 2019)
Extras
Gerhard Friedl. Ein Arbeitsbuch
Heidi Specogna im Gespräch mit Frédéric Jaeger
Fos-sur-Mer (Peter Nestler, Zsóka Nestler | SE 1972)
Khaneh siah ast (Forugh Farrokhzad | IR 1963)
Bücherfilm (Christiane Büchner | DE 2019)
DDR – ohne Titel (Harry Rag | DE 1990)
Motto
Wer erstickt, wo wir atmen?
Ein Hochhaus am Stadtrand wird gesprengt. Kurzes Spektakel, Handybilder: Staub steigt auf. Dann geraten eine bauliche Struktur und ihre Debatte aus dem Blick. „Stadtsanierung“ folgt auf „Neu-Stadt“, ein Regiment auf ein anderes. „Wann geschieht in der Hochhaussiedlung ‚Weiße Riesen‘ endlich etwas Sichtbares?“ fragt die lokale Presse.
Wahrnehmung kennt keinen Leerstand: Wo wir atmen, sehen und fühlen haben wir Anteil, sind innen. Kaum zu erkennen, was außerhalb des Gesetzes bewährter Blicke geschieht. Selbstverständlicher Bauplan des Sichtbaren: Wer in und unter Bildern erstickt, der gehört nicht zum Vorgesehenen. Blicke, die sich nicht treffen, sind blind. Ungeteilte Luft ist zu rein zum Atmen.
Ohne Vorstellung von den schemenhaften Erscheinungen am Rande, sieht man im Zentrum des Blickfeldes klar, atmet frei. Zu erkennen ist etwa eine Brache in günstiger Lage, Möglichkeit für neongeflutete Räume mit gefiltertem Klima. Alte Kollektionen und Überproduktion günstig abzugeben. „Duisburg fehlt es an Aufenthaltsqualität“ liest man. Der Atem schmeckt wieder etwas eisern – Matte Wetter.
Zeit sich zu fragen, wieviel Luft da ist. Denkbar wird für ein paar Tage ein anderer Raum. Ein Innen, das uns zwingt gemeinsam zu schauen, Luft zu teilen. „Kino, trotz allem!“ Blickachsen und Begegnungen – nicht im Vakuum. Das Regiment heißt Austausch. Das Festival, eine Bühne für den Wortschatz des Dokumentarischen: Hierarchien und Affekte, Macht und Teilnahme. Bilder, die ordnen, und Bilder, die erschaffen. Bilder, die eine gemeinsame Sprache beatmen können.