Film

Fleischwochen
von Joachim Iseni
AT 2019 | 37 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 43
09.11.2019

Diskussion
Podium: Joachim Iseni
Moderation: Luc Schaedler
Protokoll: Nadine Voß

Synopse

Die 81-jährige Rosa Feichtmair füttert die kleinen Katzen des Hofs mit Resten. Ansonsten ist während der Fleischwochen wenig Zeit für Zartgefühl: Die Handgriffe des Schlachtens und Verarbeitens sind rau und routiniert, ihr Ertrag verschwindend. Margarete fehlt inzwischen die Kraft, ihre Mutter jedes Jahr bei der stoischen Plackerei zu unterstützen. Ein Familienbetrieb an der Schwelle zum Umbruch.

Protokoll

Auch in diesem Jahr thematisieren einige Filme im Duisburger Programm die eigene Familie der FilmemacherInnen. Im vorletzten Beitrag der Filmwoche zeigt nun Joachim Iseni den Bauernhof in Oberösterreich, auf dem er aufwuchs. Eingebettet in die Produktionsabläufe des Schlachtens und Verwertens von Schweinen während der sogenannten „Fleischwochen“, erleben die ZuschauerInnen den Konflikt der Familie um die Zukunft des Hofes und um die Rollen der einzelnen Mitglieder, eine „Familie am Rande eines Nervenzusammenbruchs“ und an der Schwelle des betrieblichen Umbruchs.

Sowohl Luc Schaedler als auch einzelne DiskutantInnen zeigen sich beeindruckt von der Diskursbreite des Films: Das Matriarchat des Hofes mit den vier dargestellten Frauengenerationen, der Generationskonflikt um Selbstbestimmung und Identität und sich wandelnde Produktionsbedingungen im ländlichen Raum werden u. a. als Themenräume benannt. Aspekte, die für den Filmemacher im Entstehungsprozess nur bedingt eine Rolle spielten. Ausgangspunkt seines Interesses war die Großmutter, die beim Dreh 2014 im Alter von 81 Jahren noch voll in die körperliche Arbeit am Hof involviert war, sein wollte. Spontan, ohne konzeptionelle Vorbereitung, nutzte er eine der letzten Gelegenheiten, die sich in der Abschaffung befindenden Fleischwochen zu filmen und realisierte erst vor Ort, im Moment der Aufnahmen, die Dimension des Familienkonflikts und sein filmisches Potential. Anschließend lag das Material lange brach, bevor sich Iseni im Zuge eines Semesterprojekts an der Kunstuniversität Linz drei Monate intensiv mit der Montage beschäftigte. Die Zeitlichkeit in der Produktion deckt sich mit Schaedlers Seherfahrung, wonach er zunächst keinen Zugang zum Film fand, er ihn jedoch im Nachhall nicht mehr losließ. „Schlampig aufgenommen“ nennt Iseni das Filmmaterial, von dem eine Menge „kaputt“ gewesen sei und die Montage der Arbeit an einem Puzzle glich. Aus dem Kreis der DiskutantInnen wird dieser Umgang mit dem Material ohne Berücksichtigung technischer Möglichkeiten der Postproduktion als „vorbildhaft realistisch“ gelobt. Schaedler ergänzt, gerade in Filmschulen liege der Fokus zu oft auf der Technik, den Filmen gingen so Herz und Seele verloren. Eine große Leistung Isenis, die Rohheit und Brachialität des Materials im Schnitt ästhetisch zu verdichten.

Iseni sammelte seine filmische Erfahrung hauptsächlich im Drehen von Skateboardvideos – eine Praxis im DIY-Spirit, geprägt vom flexiblen, schnellen Umgang mit Situationen und Bedingungen, die sich auf seine dokumentarische Arbeit überträgt. Im Rahmen der am Protokollantinnentisch beigewohnten Diskussionen lässt sich an dieser Stelle eine Tendenz ausmachen, nach der Iseni zu einer Reihe junger FilmemacherInnen des diesjährigen Festivals gehört, deren Schaffen sich in je unterschiedlicher Manier eher durch Intuition als durch Konzept auszeichnet und die sowohl das programmatische Spektrum als auch den Diskursrahmen der Filmwoche damit um eine erfrischende Note ergänzen.