Film

Welt an Bord
von Eva Könnemann
DE 2019 | 29 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 43
06.11.2019

Diskussion
Podium: Eva Könnemann
Moderation: Anja Dreschke
Protokoll: Nadine Voß

Synopse

Repetitive Arbeit auf begrenztem Raum, während draußen im gemächlichen Tempo Landschaften und Industrie vorbeiziehen: Auf dem Schiff ist das Leben klar strukturiert, an Land sind Rollenbilder unschärfer: Binnenschiffer ist „einer der letzten Männerberufe.“ Eine Filmemacherin kommt an Bord, sammelt Bilder und stellt Fragen nach der Faszination dieses bewegten Kosmos. Schließlich gerät sie selbst ins Träumen.

Protokoll

Etwas stimmt nicht. Während in den ersten Minuten noch die Ufer von Rhein und Ruhr im Morgennebel vorüberziehen, Binnenkolosse mit den zarten Namen „Oberon“ und „Loreley“ die Wasserwege kreuzen und körperlose Stimmen über ihre biografischen Bezüge zur Binnenschifffahrt berichten, verändert sich Welt an Bord nach etwa der Hälfte seiner Laufzeit. Die Filmemacherin, die so ganz anders aussieht als gerade eben bei der Anmoderation des Films, tritt in Erscheinung – und wirkt angesichts der routinierten Abläufe an Deck eher unbeholfen und funktionslos. Irritation stellt sich ein, erst innerlich, dann auch im Kinosaal. Spätestens beim Abspann, der die Filmemacherin als mit der Schauspielerin Kathrin Resetarits besetzte Rolle ausweist, wird klar: Hier geht es nicht nur um ein „dokumentarisches Interesse am Milieu der Binnenschiffahrt“, wie der Katalogtext ankündigt, sondern auch um ein Spiel mit Erzählformen und der Erwartungshaltung der Zuschauer.

Um das Hybride des Films und den Irritationsmoment dreht sich zu großen Teilen auch die anschließende Diskussion. Anja Dreschke eröffnet das Gespräch mit der Frage nach „Spiel oder Ernst“, wobei die Faszination und das Interesse Eva Könnemanns für die Binnenschiffahrt den dokumentarischen Ausgangspunkt markierten, die thematische Annäherung jedoch in Form eines spielerischen Experiments erfolgte: Sie sprach Schiffsbesatzungen an, bei denen sie „mittrampte“ und so über zwei Jahre Recherchematerial sammelte, das den Grundstock für Welt an Bord bildet. Die prägenden Elemente des Films – Prinzipen der Feldforschung, der Eindruck einer Versuchsanordnung durch Strategien der Inszenierung und fragmentarisches Erzählen – liegen auch älteren Arbeiten Könnemanns zugrunde.

Seitens der DiskutantInnen werden Eindrücke geschildert. Werner Ružička gefällt die Öffnung des Films, die sich mit Auftritt der Filmemacherin vollzieht, den Zuschauer unerwartet trifft und erwartungsvoll zurücklässt; er betont außerdem, die ihm so bekannten Landschaften selten derart intensiviert und surrealistisch dargestellt gesehen zu haben. Aus dem Publikum angesprochen auf das Selbstverständnis des Films und ihrer Haltung zur Form, zeigt sich auch Könnemann an diesem Abend überrascht darüber, „was das geworden ist“. Natürlich basiere der Film auf bewussten Entscheidungen, im Moment der Vorführung scheine sich die Versuchsanordnung jedoch fortzusetzen, der Film weiter zu verändern. Sowohl für Dreschke als auch für Könnemann ist Welt an Bord mehr Formwandler als Mischform: Dokumentarisch beginnend, folgt im zweiten Teil die Inszenierung, bzw. Re-Inszenierung von Könnemanns fiktionalisierten und geskripteten Erfahrungen.

Einigkeit über eine Kategorisierung des Films stellt sich zum Ende der Diskussion nicht her, wohl aber ein gefühlter Konsens, dass es das auch nicht braucht. Offen bleibt lediglich die Frage, ob Duisburgs Binnenhafen nun der größte der Welt oder nur Europas ist.