Synopse
Ein helles Atelier mit offenen Fenstern als leere Bühne, befreit von Zuschreibungen und Projektionen. Hier öffnet sich ein Raum für Berichte von Künstlerinnen aus der feministischen Wiener Avantgarde: Über befreiende kreative Praxen, die Ende der 1960er gegenüber einengenden Rollenangeboten und zudringlichen „Meistern“ behauptet werden mussten. Eine kollektive Erzählung selbstbestimmer Werdegänge.
Protokoll
Anja Dreschke eröffnet das Gespräch mit der Feststellung, entgegen mehrfach gestellter Nachfrage sei es keine Absicht gewesen, an diesem Freitag nur Filme von Filmemacherinnen zu disponieren. Würde aber durchaus in den Rahmen von Film und Gespräch passen: Sie ist der andere Blick porträtiert fünf Künstlerinnen, unterscheidet sich in seinem dialogischen, kollaborativen Format jedoch vom klassischen KünstlerInnenporträt und verfolgt den gleichberechtigten Austausch als feministische Strategie. Ausgangspunkt von Christiana Perschons Suche nach Protagonistinnen waren Arbeiten der Wiener Avantgarde in den 70ern, in die sich das politische Engagement der Künstlerin einschrieb und sichtbar wurde. Gemeinsam mit den Künstlerinnen und durch die filmische Auseinandersetzung werden diese Kunstwerke aktualisiert, manchmal etwas Neues geschaffen.
Der Blick auf die Künstlerinnen zeichnet nicht das konventionelle Bild des (männlichen) Künstlergenies, dem über die Schulter geschaut wird: Die Kamera ist keine Beobachterin, sondern frontale Empfängerin des Blicks. Fast ausschließlich im Atelier der Filmemacherin und mit einer sich durchziehenden schwarz-weißen „Transparenz im Look“ gedreht, hebt eine Diskutantin die dominierende Flächigkeit im Film hervor, ein Spiel mit Oberfläche und Formen, das fast schon den Entzug von Raum und Dreidimensionalität bewirkt. Perschon betont, so wenig Ablenkung im Bild wie möglich gewollt zu haben, um den Fokus aufs Kunstwerk zu legen. Ein anderer Diskutant äußert den Eindruck, Perschons Protagonistinnen seien wie Bausteine, aus denen sie ihr eigenes Kunstwerk schaffe, wobei für Dreschke der Reiz des Films in dieser künstlerischen Eigenständigkeit liegt, die nicht ausschließlich den Protagonistinnen folge, sondern auf Augenhöhe arbeite. Perschon berichtet in diesem Zusammenhang von der unkomplizierten Zusammenarbeit und dem Einverständnis der Künstlerinnen, nach Perschons Konzept zu arbeiten, das zwar stark formgebend ist, während des Drehs jedoch die nötige Offenheit für die Begegnungen mit den Frauen einräumte.
Den fünf Portraits vorangesetzt ist eine Art Prolog, der sich ästhetisch vom Rest des Films absetzt: Die analog gefilmte Grundierung von Leinwänden ist auf Tonebene hinterlegt mit Ausschnitten aus Interviews mit den Künstlerinnen. Die analoge Kamera spielt mit Historizität, die Vergangenheit wird durchs Material in der Gegenwart aktualisiert. Es erfolgt keine namentliche Zuordnung der Stimmen im Prolog, die Mehrstimmigkeit der kollektiven Erfahrung bietet eine Projektionsfläche für die ZuschauerInnen und thematisiert gleichzeitig eine Vergangenheit, die immer noch aktuell ist, wie Dreschke und eine Diskutantin feststellen. Perschon ergänzt, die Aktualität von patriarchalen Strukturen im Kunst- und Kulturbereich gehörte definitiv zu den Gründen, diesen Film machen zu wollen. Die undefinierte Mehrstimmigkeit im Prolog ist für sie eine bewusst anti-hierarchische Darstellung, da Begriffe wie „Karriere“ und „Erfolg“ für jede der Frauen eine andere Bedeutung habe, der Fokus an dieser Stelle jedoch auf der Kunst und dem gemeinsamen Erfahrungspool liege. Birgit Kohler ergänzt, die Darstellung bekomme dadurch etwas Generisches, es gehe um einen Typus der weiblichen Künstlerin. Bedauerlicherweise – Anmerkung aus Perspektive des Protokollantinnentisches – setzt sich diese Strategie auch im Rest des Films fort, der die Namen der Künstlerinnen zwar im Vor- und Abspann, nicht jedoch begleitend zu den einzelnen Porträts nennt, weswegen in der Diskussion die Zuordnung einzelner Aussagen und Handlungen mehrfach über erklärende „Die Frau, die …“ oder „Die Künstlerin am Anfang“ etc. erfolgte. Mit dem Generischen vollzieht sich so auch etwas Entindividualisierendes, das die Empathie als Treibstoff des Austauschs zwischen Film und ZuschauerIn kontraproduktiv einschränkt.
Anja Dreschke, Christiana Perschon v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald