Film

In Liebe – Britta Schmidt
von Katharina Pethke
DE 2007 | 50 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 31
06.11.2007

Diskussion
Podium: Katharina Pethke
Moderation: Gudrun Sommer
Protokoll: Sven Ilgner

Synopse

Ist es ein Gefühl, ein Ort oder ein Mensch, der uns zu dem macht, was wir sind – uns Heimat bedeutet? Katharina Pethke begibt sich auf die Suche nach dem, was ihrer Freundin so teuer und doch gleichzeitig unerreichbar erschien. Es wird ein stationsreicher Weg, auf dem sie Erinnerungen nachhängt und zu begreifen versucht. 

Protokoll

Der Hundertmeistersaal ist gut gefüllt, als Gudrun Sommer die Regisseurin nach der Entstehungsgeschichte ihres Films befragt. Ausgangspunkt seien „diese Fotos“ gewesen, von ihrer Freundin Britta, die, vier Jahre nach dem Tod, an der Wand hingen, die präsent waren. Katharina Pethke beschreibt eine doppelte Abwesenheit ihrer Freundin. Doppelt, weil sie die Abwesenheit bereits vor deren Tod empfand. Die intensiven Momente der Freundschaft standen dem fragmentarischen Charakter ihrer Beziehung gegenüber. Ihr Film In Liebe – Britta Schmidt und damit auch Pethkes Reise (USA, Frankreich, Spanien, Deutschland) waren Versuche, die Lücken, das Unerklärliche an der Beziehung der Beiden zu füllen.

Sommer möchte wissen, ob Jonas Mekas, mit dem Pethke betrunken durch New York zieht („Eine Art Hommage“) mit seiner Filmtheorie eine Schlüsselposition einnimmt. Zwar beschreibt Pethke die Art Mekas’ als „tolles, offenes und enthusiastisches Filmemachen.“ Gleichzeitig verortet sie seine Konzepte aber in den 70er Jahren. Dem gegenüber stellt sie den Zwang zur Beweglichkeit der heutigen Zeit. Ein internationaler Lebenslauf voller Praktika und Mobilitätsbeweisen sei heutzutage quasi Pflicht, um bestehen zu können. Bestes Beispiel hierfür sei das deutsche Mädchen in der Madrider Wohngemeinschaft. Diese stellt der Filmemacherin Brittas Wohnung auf Englisch vor.

Inhaltlich sei lange unklar gewesen, welche Richtung der Film nehmen werde, formal stand die zentrale Frage fest: „Was ist, wenn man Zeit in einen Rahmen legt?“ Die Regisseurin suchte die Antwort in Transiträumen und Nicht-Orten, entwickelte eine bildliche Choreographie, eine neue Verortung und wollte so den Rahmen vorbereiten, für die Dinge, die passieren würden.

Gudrun Sommer leitet zur grundsätzlichen Perspektive des Films über, der Ich-Erzählerin. Vom autobiographischen bis hin zum literarischen Text würde eine weite Spanne belegt. Pethke begründet dies damit, dass es der einzige Weg gewesen sei, ihren Film zu erzählen. Über andere zu erzählen sei immer leichter als über sich selber. Hierbei handele es sich aber ganz klar um ihre Geschichte, ihre Erinnerungsarbeit und damit ihre Fiktion. So erkläre sich auch die literarische Konstruktion des Off-Textes. Katharina Pethke stellt fest, dass ihr Film ohne Text ja schlicht eine Reihe von Bildern wäre, „von denen man dann nicht weiss, was sie sollen.“ Die Reihenfolge, die Linearität der Bilder gäbe es nicht, daher würde ein solcher literarischer Lineartext die Bilder, Orte und Assoziationen „verkleistern.“

Gudrun Sommer führt ein Beispiel für das besondere Bild – Text Verhältnis an. Der Text spricht von einer gemeinsamen Mutprobe der Mädchen, einem Sprung von einer Brücke ins Wasser. Tatsächlich sehen wir ein fremdes Kind, das ins Wasser springt.

Ein Diskutant stellt fest, dass die Sequenz der Unruhen in Paris vom Film losgelöst wirkt und überrascht. Die Regisseurin bestätigt, dass dieser Moment nicht mehr nur persönlich war, sondern selbstverständlich politisch einzuordnen sei. Grund für die Unruhen sei eine allgemeine Ortlosigkeit und damit auch ein Thema des Films.

Die Regisseurin erzählt von ihrem eigenen Umgang mit der Jetzt-Zeit. Das Leben sei oft eine Art Aufsammeln, ein „Durchrauschen“, „kein Verbinden, aber irgendwie doch“. Letztendlich frage man sich, was bliebe wirklich vom Erlebten übrig. Der Sohn von Britta Schmidts amerikanischer Gastfamilie erinnere sich beispielsweise auf Anhieb nur an den „funny accent“ des Mädchens und ist damit exemplarisch für Pethkes Thema.

Ein Diskutant möchte wissen, wie es zur Entscheidung kam, durch die späte Information über die Todesart eine dramaturgische Spannung aufzubauen. Warum fiel die Entscheidung nicht auf eine sachlichere Variante, etwa eine Schrifttafel zu Beginn?

Die Regisseurin verweist ein weiteres Mal auf die von ihr empfundene „doppelte Abwesenheit“ ihrer Freundin. Zentral sei nicht etwa die Entwicklung von Spannung, sondern der Augenblick des Ansehens, ausgehend von den Fotos von Britta. Die besuchten Orte bildeten die Klammern für die Dramaturgie. Darüber hinaus erzählt die Autorin, dass sie erst vor Ort von dem Bauern erfahren hatte, wie sich ihre Freundin dort erhängt habe. Dass „in dieser absurden Scheune, in dieser schrecklichen Gegend“ über Leben und Tod entschieden worden sei.

Gudrun Sommer bezeichnet die Scheune als Erinnerungsbild und spricht somit die Montagetechnik an, die immer wieder Schleifen ziehe. Da sei zum Beispiel die Madrider Kiste mit Privatgegenständen als Referenz zu der polizeilichen Auflistung der persönlichen Gegenstände zu Beginn des Films. Inwieweit war diese Struktur schon vorher klar?

Die Regisseurin sei unbedarft an die Orte gefahren. An Brittas und ihre Orte. Sie hätte die Orte besucht, mit nur geringen Anhaltspunkten. Etwa dem Gastvater in New York oder einer Madrider Adresse, die ihr Brittas Ex-Freund gab. Gudrun Sommer hält es für bemerkenswert, dass trotz der Vagheit der Erinnerungserzählung so häufige inner-dramaturgliche Bezüge entstehen konnten.

Katharina Pethke spricht von intuitiven Entscheidungen und verweist auf Richard Sennetts Theorie der Geschichten, die immer weniger erzählbar seien, die zwangsläufig immer fragmentierter würden. Sie spricht auch von Villem Flusser und der Krise der Linearität. Aber der theoretische Unterbau sei ebenfalls nur ein Fragment ihrer Arbeit. Ihr Film sei ein Versuch, die Dinge erklärbar zu machen, nicht, sie auszuerzählen.

Ein Diskutant beschreibt den prägenden Eindruck, der durch den Wechsel von Fragilität und Souveränität in der Erzählung entstehe. Die Regisseurin erzählt daraufhin von den zwei Jahren Filmarbeit, dass ihr Text noch vor sechs Monaten einer Trauerrede glich und der Prozeß der Textarbeit sich Stück für Stück davon entfernt habe. Schwierig sei gewesen, dabei nicht kaltherzig zu wirken.

Ein weiterer Exkurs aus dem Plenum beschreibt die „Dichtigkeit“ und Hermetik des Textes, der sich zugleich auch an literarischen Maßstäben messen lassen müsse. Durch die eigene Stimme und den damit authentifizierenden Rahmen mache sich der Film letztendlich schwer angreifbar. Ursprünglich sollte der Text von jemand anderem gesprochen werden, die Autorin habe sich aber schließlich entschieden, es selbst zu tun. Unvermeidlich sei es die einzige passende Variante gewesen.

Der Begriff „Heimat“ wird aus dem Auditorium angesprochen. Die Autorin verweist auf das Zitat Brittas: „Manchmal bist du wie Heimat für mich!“ Heimat sei immer ein Thema ihrer Freundschaft gewesen. Natürlich bedingt durch die häufigen Ortswechsel, den Kontakt per Telefon oder Brief. Über allem schwebte die Sehnsucht, irgendwo anzukommen. Für einen kurzen Moment des Films, auf Rügen, scheint es auch so zu sein, scheint die Zeit still zu stehen.

Katharina Pethke verweist schließlich auf eine weiterführende Installation, die sie vorbereitet habe. Die Fotos ihres Films hingen aus, jeder könne sich eines mitnehmen, in der Hoffnung, damit einen Kreis von Persönlichem und Autorenschaft zu schließen. „Vielleicht bleiben am Ende nur drei übrig?“

Wieder stehen „diese Fotos“ im Zentrum und somit wird der Ausgangspunkt eventuell auch zum Endpunkt.