Film

Schranken
von Gerd Kroske
DE 2009 | 95 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 33
05.11.2009

Diskussion
Podium: Gerd Kroske, Susanne Schüle (Kamera), Nicole Baum (Redaktion)
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Ann Katrin Thöle

Synopse

„Terrorabwehr“ oder wie man in der DDR das Durchbrechen der Grenze unterbinden wollte. Ingenieurs-Ingenium und handwerkliche Geschicklichkeit sind herausgefordert. Warum nahm man eigentlich Autos aus dem Westen für die Tests? „Der Trabant wär doch schon am Stacheldraht nicht durchgekommen …“

Protokoll

Der Titel des Films „Schranken“ verweist auf das, was zum Dreh- und Angelpunkt der Erzählung wird: es geht um eine bestimmte Technologie der DDR, die im Dienste der sogenannten Terrorabwehr an den Grenzübergängen des Landes installiert wurde. Perfide ausgetüftelte, in den Boden verankerte, teils sichtbare, teils versteckte Schranken, die mögliche Fluchtfahrzeuge abfangen, einkesseln und im … Fall zerstören konnten, nicht selten mit Todesfolge für die Fahrzeuginsassen. Darüber hinaus erzählt der Film aber vor allem von denen, die diese Schranken entwickelt, gebaut und bedient haben, die im Auftrag des DDR- Staates an diesem militärtechnologischen Apparat mitgewirkt haben, ohne sich die Dimension und die Konsequenzen ihres Handelns wirklich bewusst zu machen. „Schranken“ zeigt so auch die Verknüpfung von Technik, Körper und Ideologie und stellt Fragen nach Verantwortung, Schuld und Reflexion. Für Werner Ruzicka setzt der Titel so „ein kräftiges Motto“ und hält eine „philosophische Konturierung“ des Filmes bereit.

Als Kroske auf die Fotos und Testaufnahmen des Militärs stieß, begann er sich für die Technologie und den dahinter vermuteten Ingenieursgeist zu interessieren. Gleichzeitig zeigte er sich beeindruckt von der inzwischen renaturierten Grenzlandschaft. Was ist von diesen Schranken übrig geblieben? Welche Geschichten vermögen diese Orte zu erzählen? Relativ früh (2007) kam es dann zu Gesprächen mit 3sat.

Baum berichtet, dass der Jahrestag der Wende eine untergeordnete Rolle bei der Entscheidung für den Film spielte. Sie sei vielmehr froh gewesen, dass Kroske mit dem Thema an sie herangetreten ist. Das Exposé war sehr offen und für sie war es wichtig, dass der Film gerade im Umgang mit den Protagonisten die Waage hält: Es sei weder ein Ostalgiefilm geworden, noch „desavouiere“ man die Leute.

Kroske schildert, dass die Zeitzeugen zur Aufbaugeneration der DDR gehörten. Ein Teil ihrer Weigerung, das Vergangene zu reflektieren sei daher sicherlich dem Umstand geschuldet, dass diese Leute das Gefühl haben, mit dem Staat sei auch ihr Lebenswerk untergegangen.

Erinnern, Verdrängen und Rechtfertigen – drei Grundmotive der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Augenfällig ist die Diskrepanz zwischen einer akribisch betriebenen Erinnerungsarbeit bezüglich der technischen Einzel- und Besonderheiten und dem offensichtlichen Sich-Nicht-Erinnern-Wollen, sobald es um Schuld und persönliche Verantwortung geht. Immer wieder insistiert Kroske daher im Film, was man denn damals über die Schranken gedacht habe, ob und wie darüber gesprochen wurde. Nur „in manchen Momenten blitzt etwas auf“.

Auch Schüle erinnert sich, dass dem Dreh ein regelrechter „Kampf“ vorausging, die Leute zum Sprechen zu bringen: „Das kann ja nicht wahr sein, warum erzählen die denn nicht?“

Und Kroske berichtet von dem für ihn „schockierenden Erlebnis“, dass insbesondere die Ehefrauen der porträtierten Männer mehrfach versucht haben die Dreharbeiten zu torpedieren und dem Team eine große Abneigung entgegen brachten. Auch sei seine eigene DDR-Herkunft für den Zugang zu seinen Protagonisten noch nie derartig entscheidend gewesen.

Ein Diskutant merkt an, dass man diese Anstrengung spüren kann, das ständige Einfordern von Geständnissen, das Warten auf Abgründe, die vielleicht doch noch zum Vorschein treten werden.

In dem Aspekt der Verantwortung bzw. Verantwortungslosigkeit, das zum Teil völlige Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung auf Seiten der Protagonisten und die immer wieder auftauchenden Rechtfertigungsstrategien hat sich für Schüle etwas gezeigt, das sie „als typisch deutsch“ bezeichnet.

Ruzicka kommt auf das „Hineinwachsen der Technik in den Körper“ als übergeordnetes Thema zu sprechen. Als beeindruckend stellt sich in diesem Zusammenhang die Biografie des Protagonisten Müller dar, der beschreibt, wie sich seine psychische Erkrankung mit der Auflösung des DDR-Sytems zu bessern beginnt. Kroske bestätigt, dass es ihm ein Anliegen war, zu zeigen, wie sich Machtverhältnisse ausweiten können und sich unter anderem in körperlichen Reaktionen manifestieren.

Was die Kameraarbeit betrifft, so stand Schüle vor der Schwierigkeit, Bilder für etwas zu finden, das inzwischen verschwunden ist. Von dem Archivmaterial ging eine starke Wirkung aus, und auch die Orte waren faszinierend. Wie aber könnte man den Stoff lebendig halten? – das wurde für sie und Kroske zur bestimmenden Frage. Letztlich sind es die Protagonisten, die zum Teil erst während der Dreharbeiten gefunden wurden, über die sich der Film visualisiert. Außerdem waren die militärischen Modelle und Ingenieurspläne deshalb von Bedeutung, weil sich in ihnen einerseits die Akribie und Perfidie des Systems wider spiegelt; zugleich pflegen die Zeitzeugen einen fast spielerischen Umgang mit ihren Modellen.

Der Film endet mit aktuellen Testaufnahmen der italienischen Firma Pilomat. Sie zeigen einen Laster, der durch den Aufprall an einer Schrankensperrung komplett zerstört wird. In Zeitlupe erkennt man die enorme Kraft des Aufpralls. Ruzicka fühlt sich hier an die berühmte Schlusssequenz aus Antonionis „Zabriskie Point“ erinnert. Für Kroske war die Entscheidung, den Film mit diesen Aufnahmen enden zu lassen, eine Möglichkeit den Bezug zur Gegenwart herzustellen. Der Einsatz von Sicherheits- und Barrieretechniken zu militärischen Abwehrzwecken hat sich ja in Zeiten eines neuen Terrordiskurses nicht erübrigt. Im Gegenteil: Auf das Know-How von damals wird in diesen Zusammenhängen heute wieder zurückgegriffen.