Synopse
Zwei Schiffe, unterwegs nach Australien. Das eine, die „HMT Dunera“ im Jahr 1940, das andere, die „MS Tampa“, im Jahr 2001. Die „Dunera“ ist überfüllt mit deutschen und österreichischen Juden, die „Tampa“ überladen mit afghanischen Asylsuchenden. Es tun sich erstaunliche Parallelen auf: Deportation, Internierung, Ungewissheit. Der Flüchtling: Eine Figur der Moderne.
Protokoll
Burgan erfuhr im Jahr 2000 zum ersten Mal durch seinen Produzenten Gunter Hanfgarn von der HTM Dunera. Auf diesem Schiff wurden vor den Nazis nach England geflohene Juden 1940, aufgrund ihrer potentiellen Gefahr als Spione, nach Australien gebracht und dort erst nach längerer Internierung wieder freigelassen.
Während in Australien in den 80er Jahren über die „Dunera-Boys“ eine Mini-Serie realisiert wurde, blieb deren Geschichte in Europa weitgehend unbekannt. Sie reizte Burgan. Doch fand er erst über ein Jahr später in der MS Tampa und den in Australien unerwünschten afghanischen Flüchtlingen einen aktuellen Bezugspunkt, um die Geschichte nicht in einem „typischen“ Stil von Dokumentationen über den 2. Weltkrieg abhandeln zu müssen. Als Engländer – im Sinne von „we had a good war“ – fiel Burgan vielleicht der Umgang mit der Kriegsthematik etwas leichter, doch war er erschreckt über die unbeachtete, für England kritische Geschichte, die er entdeckte.
Den noch in Australien lebenden „Dunera-Boys“ schien es ungewöhnlich, dass einer „vom Deutschen Fernsehen“, wie Burgan sich ihnen vorstellte, sich für ihre Geschichte interessierte. Sie wollten ihre Erlebnisse erzählen, die sich im jahrelangen Wiedererzählen für Burgan fast zu einem Mythos entwickelt hatten, wollten jedoch über das Fazit des Films genau Bescheid wissen.
Burgan verwendet das „Mensch-ärger-dich-nicht“-Spiel als eine Metapher, die im Film immer wieder auftaucht. Abseits von einer reinen Betroffenheitsgeschichte will er so die Mechanismen von „politischem Spiel“, Kalkül, von aufgestellten Regeln und deren Wandelbarkeit in Machtpositionen thematisieren. Denn sie beeinflussten sowohl bei der HTM Dunera als auch bei der MS Tampa das Schicksal der Flüchtlinge. Die Metapher mutet merkwürdig an, weil bei „Mensch-ärger-dich-nicht“ die Spielregeln gesetzt sind. Burgan bezieht das Spiel in erster Linie auf seine Herkunft aus Indien, als Maharadschas ihre Sklavinnen als lebende Figuren auf einem großen Spielfeld aus Stein verschoben.
Die Thematik des Flüchtlings steht im Zentrum von Friendly Enemy Alien. John Burgan interessiert der sich wandelnde Status, je nach politischer Situation, nationalen Interessen oder Ereignissen wie dem 11. September 2001. Viele „Dunera-Boys“ wurden für das australische Militär rekrutiert, viele der aus Afghanistan stammenden Hazaras wurden kurze Zeit nach den Dreharbeiten als Arbeiter gebraucht, weshalb ihr Status schnell in anerkannte Flüchtlinge gewandelt wurde. Burgan erwähnt diesbezüglich auch Flüchtlinge, die heute nach Europa kommen und an denen als Arbeitskräfte großes Interesse besteht. Dieser Umgang, Flüchtlinge für ein „politisches Spiel“ zu missbrauchen, ist für Burgan besonders kritisch.
Die Wärter von der Dunera leben alle nicht mehr, und dass der Regisseur keine australischen Aktivisten und Menschenrechtler in den Film einbezogen wurden, liegt am filmischen Rahmen, der dadurch gesprengt worden wäre.
Burgan verknüpft die Geschichte der jüdischen Flüchtlinge ganz konkret mit der heutigen Situation der aus Afghanistan geflohenen Hazaras in australischen Flüchtlingslagern. Er bat alle interviewten „Dunera-Boys“ am Ende der Gespräche nach einer Stellungnahme zur aktuellen Situation in Australien. Die meisten von ihnen wissen um das Leiden in den Flüchtlingslagern, und erhoffen Besserung für die Situation der Hazara. Nur einer äußerte sich kritisch gegenüber einer zu lockeren Handhabe, alle Flüchtlinge aufzunehmen.
Da erst am Tag vor der Vorführung die deutsche Untertitelung fertig geworden ist und die endgültige Fassung des Films noch fehlt, gibt es einige Ungenauigkeiten im Ton und nicht ausbalancierte Musikpassagen, für die sich der Regisseur entschuldigt.
An Archivmaterial für den Film heranzukommen, war schwer. Es gab kein Newsreel vom Auslaufen der Dunera, der Ankunft in Australien oder dem Flüchtlingslager. Deshalb haben manche Sequenzen einen Timecode im Bild. Auch verwendete Burgan viele Skizzen von einem der jüdischen Flüchtlinge, trotz ihres manchmal etwas zu konkret sarkastischen Tons. Die Radiosequenz, in der Chamberlain den Eintritt in den Krieg verkündet, ist Teil des kollektiven englischen Gedächtnisses, und deshalb wichtig für Burgans Film. Sie stammt aus einem Film von Humphrey Jennings, einem englischen Dokumentarfilmer aus damaliger Zeit, der trotz seines manchmal vielleicht propagandistischen Gestus eine Vorbildfunktion für Burgan einnimmt, denn er thematisierte die Gefahr der Nazis.
Während die Geschichte der „Dunera-Boys“ durch das stete Wieder-Erzählen ein mythisches Moment enthält, und das Leiden in einer gemeinsamen Erinnerung der Männer gemildert scheint, sind die Erzählungen der Hazara noch nah und aktuell. Durch die Berichte dieser Flüchtlinge wird das Verdrängte der jüdischen Flüchtlinge ergänzt. Burgan berichtet von australischen Büchern aus den 80er Jahren, über den Fall Dunera, in denen er weit dramatischere Geschichten gelesen hat.
Auch wenn der Film auf eine glückliche Integration vieler Flüchtlinge anspielt, bleibt zu berücksichtigen, dass ihr Status als nutzbringende Arbeiter für Tätigkeiten, die die Einheimischen nicht mehr machen wollen, zwiespältig gesehen werden muss. Burgan ist sich dessen bewusst, und die tragischen Aspekte lässt er im Film auch nicht aus. Die Brüchigkeit des „happy ends“, das der Schluss des Films ironisch assoziiert, zeigt sich auch darin, dass zum Beispiel kurz nach der Entmachtung der Taliban ein Mitglied der australischen Regierung den Flüchtlingsstatus der Hazara am Liebsten gleich wieder rückgängig gemacht hätte, berichtet Burgan.