Film

James Benning – Circling the image
von Reinhard Wulf
DE 2003 | 84 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 27
08.11.2003

Diskussion
Podium: Reinhard Wulf
Moderation: Harun Farocki
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Reinhard Wulf drehte diesen Film (für eine mehrteilige Fernsehreihe mit mehreren James Benning-Filmen) sehr schnell und sehr spontan: An die intensiven 7- tägigen Dreharbeiten und einem langen Off-Ton-Interview am 8. Tag schloss sich unmittelbar der 3-wöchige Schnitt an. Die Intensität dieses Roadmovies / dieser Arbeitsbeobachtung könnte an der ungewöhnlichen schnellen Fertigstellung liegen. Die Dreharbeiten waren geradezu ein „Hinterherhasten“ und ein unglaublicher Kampf mit den extremen Licht- & Schatten-Verhältnissen dieser Landschaften. Einstellungen mussten in Sekundenschnelle gedreht werden, und was im Film „inszeniert“ erscheint, ist aus spontanen Situationen entstanden. Jürgen Behrens scheint einer der wenigen fürs Fernsehen tätigen Kameramänner zu sein, der cinéma verité-artige Bilder herstellen kann, die einen Anfang & ein Ende in jeder Einstellung haben (jemand kommt ins Bild und geht wieder aus dem Bild), die sich exakt & einfach schneiden lassen, und der wirklich gut, präzise & schnell arbeiten kann. „Benning braucht Stunden oder Tage für eine Einstellung, wir hatten in der Zeit hunderte gedreht.“

Der umgekippte Stuhl

Es gab „Tupfer“ von Regie, die mit James Benning abgesprochen waren. Diese Passagen machen in Dramaturgie und räumlicher Anordnung der Kamera (Bennings Auto hält auf der einzigen Diagonallinie im Bild hinter dem ungekippten Stuhl im Vordergrund) ihre Inszenierung deutlich: Man „wartet“ geradezu auf Bennings Auftritt.

Musik

Aus seinen Erfahrungen als Fernsehredakteur kennt Reinhard Wulf die Problematik der Musik als unterstützendes Gestaltungselement. Hier aber wird jemand porträtiert, der während der langen Autofahrten und in einsamen Hotelzimmern selbst viel Musik hört und die selbst Teil des eigenen Lebens- Soundtracks geworden ist. Benning hatte für Wulf am Ende der Dreharbeiten sogar ein spezielles Musik-Tape aufgenommen, aus dem im fertigen Film aber nur wenig verwendet wurde. Übrigens handelt es sich bei dem zweiten Song im Film (während der Autofahrt: „…on the road … I’m driving in my car …“) um eine extrem langsame alternative-Country-Cover-Version des Stones-Songs „(I can’t get no) Satisfaction“.

On/Off

Die filmische Arbeit am Off-Ton der Stimme Bennings nahm viel Zeit in Anspruch. James Benning als erklärender / interviewter Talking Head in diesem Film hätte sowohl Bennings Filmarbeit als auch Wulfs Intentionen widersprochen.

Die Suche nach der ästhetisch elegant einfachsten Lösung.

Momente der benning’schen Obsession & Kreativität werden eingefangen und die intensive Beobachtung seiner Arbeitsweise möglich. Auch das „Ende“ seiner Arbeit, wenn die technischen Geräte den Aufzeichnungsprozess übernehmen, das „Nichts-mehr-tun-können“, wird sichtbar.

Das bisher relativ unbekannte Œuvre Bennings könnte demnächst Verbreiterung erfahren, da sich seine bisherige strikte Ablehnung des Vertriebs auf VHS und vor allem DVD durch die positiven Erfahrungen der Fernsehausstrahlung zu wandeln beginnt: Der materielle Gewinn aus dem Verkauf von Fernsehrechten ermöglicht ihm nun die Herstellung gleich drei neuer Filme. Auch dieses filmische Porträt versteht Benning als Werbung für sein eigenes Werk.

Benning als Person, der vor seiner Filmarbeit & Film-Lehr-Tätigkeit viele andere Berufe ausübte (Wanderarbeiter betreute, in ländlichen Gebieten Sozialarbeit machte) sahen manche in der Tradition des amerikanischen hobo. „Billige Motels sind sein Leben“, sagt Wulf.

Die Gestaltung des Filmtitels als geschwungene Unterschrift wurde als Maniriertheit kritisiert. Wulf erklärte dazu: Die erste Szene des Films, als aus der Mitte einer leeren dämmernden Landschaft zwei Autoscheinwerfer auftauchen und auf die Kamera zufahren, hat Benning selbst cadriert. „Wie eine Unterschrift, dass er mit allem einverstanden ist, was da gezeigt wird und wurde“, sagte jemand leise zum Abschluss.