Film

Limes: Bio-Border/Park/Spektakel
von wr
AT 2001 | 19 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 25
09.11.2001

Diskussion
Podium: Philipp Haupt, Harald Mayr, Clemens Stachel
Moderation: Gudrun Sommer, Fred Truniger
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Hat der römische Schutzwall Limes im 21. Jahrhundert ein Anrecht auf Aktualität? Abgrenzung, Ausgrenzung, Grenze, Grenzverschiebung. Wer wird vor wem geschützt? Wer ist der Feind: Mensch, Tier oder Schmetterling?

Protokoll

Auf Anfrage äußerten die drei Regisseure von wr den Wunsch, im Protokoll nicht namentlich genannt zu werden, und verwiesen als Begründung auf die im Festivalkatalog näher beschriebene “Ausschaltung einer repräsentativen individuellen AutorInnenschaft.” (Katalog) Die Filmemacher wurden bei der Diskussion nicht vorgestellt. Sie antworteten während dem Gespräch allerdings einzeln.

Die erste Frage dreht sich um die Beziehung zu einem ähnlichen Projekt von wr, Bordersounds, das sich auch mit “Grenze” beschäftigt, allerdings nur mit Ton arbeitet, kein Film.

Erst nach dem Video, so wr, kam das Soundprojekt. Dabei stand der Versuch im Zentrum, von einer lokalen zu einer universalen Betrachtung zu kommen. Die Grenze der Schengenstaaten wurde von Genua aus, über Slowenien bis zur Deutsch-Polnischen Grenze abgefahren, um Sounds aufzunehmen und Fotos zu machen. Die Entmystifizierung von Dingen war dabei wichtig, so wie auch überall selbst gewesen zu sein, um einen (auch) dokumentarischen und archivarischen Zugang zu bekommen.

Gudrun Sommers erste Frage endet in der “Bitte um Lesehilfe”, da beim Anschauen des Films eine Unsicherheit entsteht, ob der Text (Inserts und Voice-over) zu den Bildern, oder die Bilder zum Text zu lesen sind.

Die Antwort, das Bild verfängt sich in der Realität, und man muss es kommentieren, um es lesen zu können, führt zu wiederholten Formulierung der Frage: Dadurch, dass die Bilder als “Bebilderung” funktionieren, wird latent mit Landschaft argumentiert. Es bleibt also der “Fragenkomplex”, der sich bei solch einer Konstrukion von Bild und Text abspielt.

So komplex die Frage, so dicht an Information auch die Antwort, verteilt auf zwei Sprecher. Es geht um den Nationalpark, und in Folge um die Konstitution von Landschaft. Dies führt dann, im vorliegenden Zusammenhang, auch zu einer Beobachtung des militärischen Blickes auf die Region und in der Region. Im Film entsteht eine Verbindung zwischen “wie man Landschaft sieht”, dem konstituierten Blick und dem Filmbild. Die aus den 60er Jahren stammende Idee, dass jedes Bild letztendlich bürgerliche Ideologie repräsentiert, ist für einen der Filmemacher ein Problem. Deswegen ist auch der Ton zu den Bildern des gefilmten Nationalparks so wichtig. Seitens der Filmemacher wird zugegeben, dass der Zuschauer, obwohl viel Text vorkommt, zu wenig erfährt. Warum, zum Beispiel, gerade dieses Gebiet gewählt wurde, warum es diesen “besserwisserischen Text”, gibt, warum stellenweise launisch argumentiert wird.

Es geht konkret um die Regierungspolitik, die sich an der Schengener-Grenze manifestiert, um die nationale Manifestation der österreichischen Regierung über eine Betonung des Lokalen und Regionalen.

Dafür bietet sich eben das österreichische Bundesland Burgenland an. Erstens, die Region ist extrem flach und hat keine natürlichen Grenzen. Dadurch kann man zeigen, dass ein Imperium (Staaten die Schengener Abkommen unterzeichneten) Grenzen zieht, die durchlässig und unsichtbar scheinen. Zweitens aus einem historischen Grund: Nach einigen Monaten der “grünen Grenze” 1989, nach dem Ende des eisernen Vorhangs, begann das österreichische Bundesheer die Grenze zu schützen. Dies ist einmalig in der EU.

Fred Truniger formuliert die Frage um: Ob wr denn nun vom Text oder von den Bildern ausgegangen sind, indem sie ein ironisches “Deeskalationsbild” (z.B. der Zivilist mit Feldstecher im VW Bus ) einem “Unendlichkeitsbild” mit langen Horizonten gegenüberstellen. Antwort: Der Mann suchte nach Vögeln, aber sähe er illegale Grenzgänger, würde er das Bundesheer alarmieren. Das ist echt so. Truniger setzt nach: Der Hochstand wird sofort zu einem Grenzwachturm, die Sirene ist als Bild “landwirtschaftlich lesbar”, aber sobald der Heulton beginnt, thematisiert sie die Grenzsituation; genauso die Selbstschussanlage. Antwort: Die Bilder spielen mit der Romantik (das Fest, Sonnenuntergang, etc.), und dann kommt der Ton, der unvermeidlich ist. Die Szenen wurden immer nach dem Bild ausgewählt, denn man wollte das (Grenz-)System zeigen wie es ist, wie es sich selbst aber nicht zeigt. “Unzufrieden” ist einer der Filmemacher mit der Idee, das Bild ironisiere den Text. Sie wollten Text auf ein schönes Bild, das die Landschaft 1:1 abbildet wie sie ist, “draufpappen.”

Es beginnen Fragen aus Publikum: Vrääth Öhner meint, es kommt für ihn klar hervor, dass was man im Bild sieht, “Limes” verdeutlicht. Es geht darum, zu sagen “so schaut ein Kriegsschauplatz aus”. Kriegsschauplätze schauen immer so aus.

Dann aus dem Publikum die Frage nach dem “schamhaften” Vortrag des Textes: kleine Buchstaben und die “gymnasialhafte” Stimme des Sprechers. Man wollte explizit den Text über das Bild legen, so ein Filmemacher, und fügt keck an, die Unlesbarkeit der Untertitel liege an der Projektion. Ursprünglich wollten wr den ganzen Text gesprochen haben, aber wegen der Produktionsbedingungen ging das einfach nicht. Dennoch, auch die Filmemacher sind nicht ganz zufrieden, stimmen der Kritik zu.

Woher ihre Faszination mit dem Transportwesen kommt, will eine Diskutantin wissen. Denn, zum Beispiel, “den Zug kann man ja auch abwarten.” Das ist nicht konstruiert, antwortet einer der Vetreter von wr, es gibt ja auch viele Stellen wo der Zug nicht durchfährt. Allerdings, räumt er ein, ihm gibt es auch zu viele Stellen mit Action im Film.

Auch die Zeitlichkeit im Film wird angesprochen. Es entsteht ein Gefühl von Ruhe vor dem Sturm. Horden von Barbaren/Vögeln/Flüchtlingen drohen während dem ganzen Film, in die Stille einzufallen. Die Schüsse die man laufend leise hört, bauen so eine Stimmung auf. Einer der Regisseure erzählt dazu, dass die Leute in der Region wirklich so tun, als ob irgendwelche Horden einfallen würden. Das ist ein skuriles Gebiet, und auch in den Bildern passieren immer wieder “unglaublich blöde Dinge.” Dort spielt sich ein “lustiges Chaos” ab. Das Militär an der Grenze gibt die scheinbare Ordnung als gegeben vor. Im Film geht es ja auch um die Entmystifizierung dieser vorgegebenen Ordnung, denn eigentlich ist diese Ordnung ein Chaos: An der Grenze patroullieren 18-,19-jährige, verunsicherte und uninformierte Rekruten. Durch die forcierte Selbstidentifikation wird dabei der Soldat zum Grenzschützer. Der Pressedienst des Bundesheeres informiert dann, und versucht, das als Ordnung darzustellen. Der Film will das aufzeigen, indem er eine filmische Ordnung noch darüberlegt.

Danach noch eine Definitionskritik aus dem Publikum. Die Art der Landschaftsdarstellung im Film hat nicht viel mit Romantik wie man den Begriff in der Malerei verwendet zu tun. wr stimmen zu: Im Kontext des Films meint man Romantik im landläufign Sinn, im Sinn der Kitschpostkarte. Nationalpark und Romantik kann man da nicht auseinander dividieren.

Truniger ortet Probleme, den Film verstehen zu können, in den beim Anschauen immer wiederkehrenden Fragen: Wer spricht? Ist das Ironie oder Meinung? Welcher Standpunkt wird da gegeben, und von wem? Oft löst sich eine “Aufeinander-Beziehbarkeit” auf. Diese “Nicht-Zuordenbarkeit” finden wr “okay.” Für andere Grenzen (USA-Mexiko, Italien-Albanien) gibt es schon Information und Diskussion, bei dieser Grenze gibt es aber noch Erklärungsbedarf.

Den an dieser Stelle noch immer existierenden Erklärungsbedarf um die Zusammenhänge der Bilder und den Wert der Montage und Ordnung in diesem betont formalen Film befriedigen wr mit einer kleinen Umleitung: Die Bilder hängen ja direkt zusammen, aber mit dem anfangs erwähnten Projekt Bordersounds will man eben von dem “Bilder-Bla-Bla” wegkommen. Konzentriert man sich nur auf Gesprochenes, wie z.B. bei Radio-Interviews, wenn man über eine sehr visuelle Grenze spricht, kommt oft das Sprachproblem hinzu; besonders wenn man sich auf Englisch unterhalten muss. Dabei kann man sich dann nicht so leicht in eingeübten Floskeln in der Muttersprache um klare Aussagen drücken. Es ist problematisch, mit Bild und Grenze zu arbeiten.

Zum Schluss noch eine Bemerkung aus dem Publikum. Man bekommt in dem Film das unwohle Gefühl vermittelt, dass zur Zeit etwas besteht, das es schon seit Jahrhunderten gibt – aber in einer neuen Qualität. Diese Gefühle und diese Rezeption teilen wr, erzählen in kurzen Beispielen von der neuen Qualität der Grenzsituation. In der Tat ist die Region einem Kriegsschauplatz ähnlich, mit kleinen Dörfern voller Soldaten, die auf Kamerateams, aber auch auf Ortsansässige oft nur allzu leicht nervös reagieren. Da stellte sich für wr eben die Frage: Ist es so, dass wenn ich die Fratze (Grenzpolitik) zeige, ich die Fratze eigentlich nicht sehe? Sehe ich sie besser wenn ich die Fassade (Nationalpark, Natur) zeige?