Film

Das Gefühl des Augenblicks
von Thomas Schadt
DE 1989 | 92 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
15.11.1989

Diskussion
Podium: Thomas Schadt
Moderation: Didi Danquart
Protokoll: Conny E. Voester

Protokoll

Das ‚Über-Ich‘ Robert Frank hat ihn während seiner Spurensuche nicht belastet. Für Thomas Schadt waren Frank’s Fotografien zunächst wichtige Wegbegleiter, sie haben ihn geschützt, ihm geholfen, waren ihm irgendwann lästig … aber da er den Menschen Robert Frank noch nicht gekannt hat bei seiner Amerikareise, meint er, habe er sich auch mit dessen Vorgaben nur auf der Ebene der Inspiration befaßt. Darin sieht Thomas Schadt die enorme Kraft von Frank’s Fotografien: „daß sie so viel Platz lassen für eigene Geschichten und immer wieder neu zu sehen sind“.

Ausgehend von Frank’s Fotos bewegte sich Thomas Schadt von anfang an auf zwei Linien: zum einen ging es ihm darum, die Fährte von Robert Frank aufzunehmen (Hintergründe und historische Tatsachen zu recherchieren). Zum andern wollte er „eigene Bilder finden“. Diese eigenen Bilder tauchen nun im Film erst im zweiten Teil auf. Insgesamt entspricht der Film chronologisch aber dem Drehablauf. Vieles von der interessanten Uneindeutigkeit und von erkennbarer Eigenständigkeit wird durch den Kommentar im Off kaputtgeredet – ein Ergebnis, so Thomas Schadt, von Einmischungen der Redakteure, denen er beim Kommentar Zugeständnisse gemacht hat, um „anderes zu schützen“. Er beschreibt seine Erfahrung zwar als grundsätzlich positiv („Ich hab‘ noch Glück gehabt“), bekundet aber auch, daß „die Redakteure eben manchmal zu ängstlich sind“. Für seine Fotografie wird Thomas Schadt vielfach gelobt, weil er sich mit demselben Impetus wie Robert Frank (Mitgefühl) in Amerika bewegt und schließlich vom Vorbild gelöst habe. Selbst Reagan, wird bemerkt, habe er mit Behutsamkeit „vorgeführt“.

Thomas Schadt empfindet den Unterschied seiner Arbeitsweise zu der von R. Frank auch als grundsätzlichen Unterschied von Fotografie und Film. Während sich Frank unauffällig mit einer kleinen Kamera bewegen konnte, auch kaum bis garnicht mit den Leuten sprechen mußte (und wollte), die er fotografiert hat, hat Thomas Schadt den Kontakt gesucht: „man muß die Leute ansprechen, die auch was für einen tun“. Eine Zuschauerin vermutet hinter Schadt’s Unbefangenheit eher Naivität. Sie hatte den Eindruck, er habe die Frank-sehen Fotos nicht zur Suche, sondern als Eintrittskarte zu den Orten und Menschen benutzt. Deutlich würde dies vor allem in den langen Einstellungen, in denen die Kamera so lange insistiere, bis ein Blickkontakt hergestellt, der „Augenblick“ erzwungen worden sei. Ein anderer Zuschauer ergänzte diesen Eindruck durch seine Bemerkung, ihn habe eigentlich nur die Szene wirklich berührt, in der man den Schwarzen im Memorial weinen sieht. Auch andere Zuschauerinnen zeigten sich besonders durch diese Szene beeindruckt. Thomas Schadt berichtete dazu, daß er den Mann habe stehen sehen, sich langsam näherte, hin- und hergerissen zwischen Angst und Neugierde gefragt habe „what happend?“ und als er keine Antwort erhielt die Grenze der Annäherung erreicht sah. „Ich könnte nicht weiter gehen.“ Als sie am nächsten Tag dem selben Mann wiederbegegneten bei der Veteranen-Parade, sei er bestens gelaunt und patriotisch bereit gewesen. Das davon gedrehte Material hätten sie dann aber nicht verwenden können, weil der Mann nicht als der selbe identifizierbar gewesen sei.

In diesem „Grenzfall“ sieht Thomas Schadt den besonderen Reiz des Filmens, der (s.o.) eine extrovertiertere Weise des Umgangs erfordert als die Fotografie.

Seine Begegnung mit Robert Frank war nur kurz. Thomas Schadt hat sich erst am Ende seines Amerika-Aufenthalts mit Frank in Verbindung gesetzt, der sehr zurückgezogen lebt und sich damals offenbar in einer schwierigen familiären Situation befand. Schadt hatte deshalb für das Gespräch nur insgesamt eine Stunde Zeit. Er erklärt damit die strenge Form des Interviews, das sich fast ausschließlich auf die einzelnen Fotos konzentriert. Die Begegnung sei nicht einfach gewesen, aber angenehm. Frank habe gefallen, daß in dem Projekt so viel Risiko steckt. Schadt weiß nicht, was Frank nun vom Ergebnis hält, interpretiert aber die Tatsache, daß er ihm seine Kassette nicht zurückgeschickt hat, als Zustimmung. 

Als Problematisch empfanden einige KritikerInnen den Umgang mit Musik. Ob er auch Straßenmusiker aufgenommen habe, die nun nicht im Film auftauchen, wollte etwa ein Zuschauer wissen, den besonders die Musik während der Szene im Memorial gestört hatte. Zu letzterem jedoch erfahren mußte, daß diese Musik der Originalton sei. An einer entscheidenden Stelle jedoch, in der Musik explizit thematisiert wird, kritisierte ein Zuschauer, daß mit dem schwarzen Musiker, der im shopping-center auf einem Flügel spielt, genauso verfahren würde, wie jener es zuvor beschrieben hat: sie wird zum Hintergrundgeräusch, allenfalls noch zum Ornament. Der Musiker dürfe nach seiner Befragung und nach der Aufforderung, sein Lieblingslied zu spielen, so grade noch vier Takte anspielen, dann habe er „seine Schuldigkeit getan“. Schadt akzeptierte diese Kritik nicht, verwies auf die langen Passagen, in denen man den Pianisten zuvor sehen und spielen hören könne. 

Durch die Robert-de-Niro-Synchronstimme von Christian Brückner waren einige ZuschauerInnen irritiert. Zunächst, meinte Thomas Schadt dazu, sei er einfach froh gewesen, daß er Christian Brückner kenne und er sich bereit erklärt habe, den Text zu sprechen. Mittlerweile hätten sich aber schon so viele daran gestört, daß er sich das nohcmal überlegen will. Freilich ist ihm unklar, inwieweit eine solche Änderung nun hinsichtlich einer Kinoauswertung sinnvoll und finanzierbar ist. Er hat zwar die Kinorechte (BR und WDR haben zu je 1/3 mitproduziert), aber noch keinen Verleih.