Film

The Masked Monkeys
von Anja Dornieden, Juan David González Monroy
DE 2015 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 39
06.11.2015

Diskussion
Podium: Anja Dornieden, Juan David Gonzales Monroy
Moderation: Joachim Schätz
Protokoll: Hajo Wildeboer

Synopse

Der Knecht soll den Meister mimen. Verkleidete Affen werden in bereitwilliger Unterwerfung geschult und inszenieren ein Spiel zwischen profanem Zirkus und hypnotischer Performance. Sie gehorchen dem Rhythmus der Kette um ihren Hals und überhöhen die Disziplin der Unterhaltung zur spirituellen Übung. 

Protokoll

Verwendete der Film die Begriffe „Master“ und „Performer“ so bezeichnet Moderator Joachim Schätz in der Diskussion den Gegenstand des Filmes als „Herr und Knecht bei der Arbeit“ und als „spezifische Form der Straßenunterhaltung in Indonesien“. Die Regisseure Anja Dornieden und Juan David Gonzales Monroy hingegen sprechen von „Affen und Händlern“. Es geht um moralische Abrüstung.

2013 ist die Affendressur in Jakarta verboten worden. Im Vorfeld dieses Verbotes, so berichtet Schätz, sei die Thematik auch in westlichen Kunstkontexten u.a. in Fotoreihen vermehrt aufgetaucht, jedoch stets mit einer bestimmten Bewertung versehen, die im Film von Dornieden und Gonzales Monroy interessanterweise nicht vorhanden sei. Ihre zentrale Intention sei es gewesen, über die gezeigte Praxis nicht zu urteilen, bestätigt Dornieden. Besonders der Aspekt der Dressur, die Analogie zum menschlichen Verhalten habe sie an der Thematik interessiert. Durch eine Internetrecherche haben sie und ihr Koregisseur das Thema kennengelernt und im Rahmen einer Künstlerresidenz in Jakarta bearbeiten können. Als sie dort im April 2013 ankamen, seien die Händler bereits aus der Öffentlichkeit verbannt gewesen, aber die Shows fänden heute im Untergrund immer noch statt.

Schätz kann zwei Verschiebungen der Thematik erkennen. Zum einen die inhaltliche Fokussierung auf die Erziehung zur Imitation und zum anderen die formale Entwicklung einer eigenen Form der Mimikry. Die Texttafel zu Beginn und die durchgehende Off-Stimme, aber auch die Wahl von 16mm als Trägermedium und die Schwarzweiß-Bilder assoziiert Schätz mit BBCbFernsehdokumentationen aus den 1970erbJahren. In der Annäherung an diese Bildsprache entdeckt Schätz eine filmische Form, die mit der Thematik der Imitation korrespondiert.

Regisseur Gonzales Monroy betont jedoch, die Wahl von Schwarzweißfilm habe rein ökonomische Gründe gehabt. Dornieden erklärt, dass die Materialität des analogen 16mm-Filmmaterials schon seit dem Studium eine besondere Anziehungskraft auf sie habe. Unter dem Pseudonym „Ojoboca“ arbeiten die beiden Regisseure seit einiger Zeit in einem kollektiven Filmlabor namens „Labor Berlin“. Dort drehen sie auf alten, günstigen Kameras und entwickeln zusammen mit anderen ihre Filme selbst. Das Ziel sei es, sich von finanziellen Bedingungen unabhängig zu machen. Das Arbeiten mit analogen Filmmaterial habe zudem den Vorteil, dass man nicht alles steuern könne. Dieser Kontrollverlust verleihe der Arbeit mit Film etwas Magisches. Um das zu veranschaulichen, erklärt sie, wie die Flicker-Szene eher zufällig bei der Arbeit mit einem optischen Kopierer in Toronto entstanden ist. Ursprünglich haben sie die Szene einfach nur verlangsamen wollen.

Nachdem nun auch aus dem Publikum der analoge Charakter als eine Form der Mimikry und damit zum Thema passend gelobt wird, wehrt sich Gonzales Monroy, es sei nicht primär darum gegangen, ein älteres Format zu kopieren. Das Gefühl für das Material sei erst bei der Sichtung entstanden. Hier sei der Gedanke aufgekommen, es mit einer didaktischen Stimme zu verbinden, die vorgibt, dass sie „weiß, wovon sie redet.“ Die autoritäre Stimme sollte das Publikum auf die Parallele zwischen der Situation der Affen und ihrer eigenen als ZuschauerInnen eines Dokumentarfilms hinweisen. Sowohl das Dressiertbwerden als auch das Filme-schauen seien zivilisatorische Prozesse, die von Machtstrukturen durchdrungen sind.

Schätz gibt nicht so schnell auf. Er präzisiert seine Beobachtungen: Es handele sich um eine Pastiche-Form, die aber nichts Ironisches oder Uneigentliches beinhalte. Sie bringe vielmehr das eigentlich Interessante am Material hervor und ermögliche so ein Aufzeigen der Kräfteverhältnisse ohne dabei die Haltung der Entrüstung einzunehmen. Gonzales Monroy erklärt dazu, er haben allen Protagonisten gerecht werden wollen, ohne sich einzubilden, für die Affen sprechen zu können. Er habe durch die Narration Fragen stellen wollen. Dafür sei es wichtig gewesen, dass die ZuschauerInnen sich zunächst mit Hilfe der autoritären Stimme auf das Gezeigte Einlassen können. Das Hinterfragen sollte erst später, in der Emanzipation vom Text entstehen. Dornieden fasst zusammen, dass die formalen Mittel des Films der Notwendigkeit geschuldet seien, eine Empathie mit den Affen über den Umweg der Distanz herzustellen.

Für Schätz wird im Film etwas freigelegt und in einem zweiten Schritt befragt. Im Thema des Films erkennt er ein umgekehrt-anthropologisches Interesse. Die Regisseure scheine die Grenze zwischen Mensch und Tier bzw. zwischen Mensch und Affe zu interessieren. Im Kern, so Schätz, haben die Regisseure dem Beobachteten mit dem Thema der Selbstperfektionierung einen neuen Anstrich gegeben. Ein amerikanisches Benimmbuch über Kleidungs- und Verhaltensregeln sei hierfür die Vorlage gewesen, erzählt Dornieden. In neuen Anstrichen dieser Art ist laut Schätz auch immer die Bewegung enthalten, Eigenes aus der Richtung, aus der man angereist ist, über die Bilder des Fremden zu stülpen. Er fragt sich, inwiefern hier auch jakartische Traditionen maskiert wurden. Es stellt sich heraus, dass die eigene ethnologische Wahrnehmung bei der Wahl des Sujets durchaus eine Rolle gespielt hat, obwohl den Regisseuren das Eigene im vermeintlich Fremden bewusst war: Dornieden hat in Indonesien beobachtet, dass es sich bei den Affenhändlern um die unterste Schicht der Gesellschaft handelt. Die Händler hätten oft keine andere Möglichkeit, Geld zu verdienen. Der Preis eines Affen erhöhe sich, je menschlicher er sich verhalte. Gonzales Monroy sah vor allem den Stolz, mit dem die Händler ihrer alten Tradition nachkommen. Er weist aber daraufhin, dass diese Tradition letztendlich eine Mimikry des europäischen Zirkus ist, der durch die ehemaligen Kolonialherrscher Indonesiens dort hingebracht wurde.

Entgegen der Intention, „to inform and not to amuse you“, die in der Texttafel zu Beginn des Films erklärt wurde, war Diskussionsteilnehmer Michael Sennhauser vom Film amüsiert. Er sah nicht nur Bezüge zum ethnologischen Film sondern auch zu Kung-Fu-Filmen der 1970erb Jahre, vor allem im Thema der Selbstverbesserung.

Auf Moderator Schätz’ frühzeitiges Resümee, damit wäre das kulturelle Imaginäre des Films nun geknackt, will sich Festivalleiter Werner Ruzicka noch nicht einlassen. Seine Konklusion geht in eine andere Richtung. Die Thematik der Wiedergeburt ist für ihn die zentrale Dreingabe der Regisseure. Eine Verschmelzung mit der Maske werde visualisiert. Rollen überlagern sich an dieser Stelle. Die Eindrücklichkeit der Szene mit der weißen Äffin werde durch die unterlegten Klänge bis in den Abspann hinein sichergestellt. Was hat es mit dieser Thematik der Wiedergeburt auf sich? Mit dieser Frage bringt Ruzicka die Regisseure zurück zu ihrem eigentlichen Interesse an der Thematik der Affendressur: Die Analogie zur künstlerischen Kinosituation. Die Rolle des ‚Masters‘ entspricht dabei der des Künstlers bzw. Regisseurs. Das Fortbestehen nach dem Tod ist für Gonzales Monroy ein zentrales Element der Künstler-Subjektivierung. Es sei eine der Motivationen, ein wichtiges Versprechen auf dem Weg zur Meisterschaft. Darin stecke immer auch ein spirituelles Versprechen von Endlosigkeit. Diese ans Ende des Films zu setzen, sei ihm passend erschienen. Der Moderator hebt die deutliche Ansprache an uns, das Publikum, in dieser Szene hervor. Nachdem wir durch den Flicker-Teil weichgekocht worden seien, so überspitzt es Schätz, würden wir mit den Synthesizer-Klängen der weißen Äffin im Management-Sprech adressiert. Die Stimme erzählt uns, es gelte für jeden Einzelnen, das Projekt zu finden, dass ihn am nächsten Morgen wieder aufstehen lasse. Es sei ihm gerade auf die Begrenztheit der Einflussmöglichkeiten des Filmes angekommen, betont Gonzales Monroy. Der Film besitze nur eine einzige Autorität, den Moment, in dem er zum Publikum spricht. Das Kino bestehe nur aus einer Maschine, die spricht, und einem Publikum. Das Tier namens Mensch habe in diesem Bild nur die Rolle des Erfinders der Maschine.