Film

Unas preguntas
von Kristina Konrad
DE/UY 2018 | 237 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 42
06.11.2018

Diskussion
Podium: Kristina Konrad
Moderation: Joachim Schätz
Protokoll: Georg Kußmann

Synopse

Was bedeutet für Sie Frieden? Ein kleines Team befragt auf den Straßen Montevideos eine Gesellschaft in Erprobung: Ende der 80er verständigt sich ein Uruguay, das sich gerade von einer Militärdiktatur befreit hat, über Straffreiheit für die Schergen des alten Regimes. Offene Fragen und tastendes Sprechen in einer neuen Öffentlichkeit. 

Protokoll

Kristina Konrad hat das Material für ihren Film UNAS PREGUNTAS zwischen1987 und 1989 in Uruguay gedreht. In den beiden vorangegangenen Jahrzehnten hatten sich dort in Folge gravierender wirtschaftlicher Probleme gewaltsam agierende linke Guerillagruppen gebildet. Anfang der siebziger Jahre putschte das Militär gegen den amtierenden Präsidenten, übernahm die Regierung und ging gewaltsam gegen die Guerillas vor. Beide Seiten verübten schwere Gewaltverbrechen: Folter, Vergewaltigungen, Morde, Entführungen.

Die Schicksale vieler Opfer sind bis heute ungeklärt. 1985 endete die Militärdiktatur durch demokratische Wahlen. Die neue Regierung erließ ein Amnestiegesetz, durch das für ihre Vergehen verurteilten Guerillas aus dem Strafvollzug entlassen und die juristische Aufarbeitung und Ahndung der Verbrechen der Militärs ausgeschlossen wurden.

Nach einem kurzen historischen Abriss beginnt Joachim Schätz das Gespräch mit der Frage nach Konrads konkreter Motivation, die mehrjährigen Dreharbeiten auf sich zu nehmen. Konrad verweist auf die gesellschaftliche Omnipräsenz der Amnestiegesetzgebung in jener Zeit. Die der Regierung nahestehenden Befürworter äußerten sich vor allem über das Fernsehen. Für die Gegner des Gesetzes war mediale Propaganda dieser Art nicht erschwinglich. Sie traten auf der Straße in Erscheinung und machten sich Kommunikationsmittel wie Graffiti und Flugblätter zu Nutze. Das Thema war in aller Munde. Es wurden Demonstrationen organisiert und Unterschriften gesammelt, um einen Plebiszit zu erwirken. Konrad empfand die Situation als einen historischen Moment, der dokumentiert werden müsse. Sie weist darauf hin, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt in dezidiert linken Milieus bewegt habe. Dort wurde das Amnestiegesetz besonders kritisch betrachtet. Ihre Freundin und Mitfilmerin María [Barhoum] beispielsweise sei eine anarchistische Aktivistin aus Buenos Aires gewesen, die angesichts politischer Verfolgung nach Uruguay ins Exil geschickt worden war. Neben ihr half noch eine weitere Freundin [Graciela Salsamendi] bei den Dreharbeiten. Konrad wies die beiden Unterstützerinnen in den Gebrauch der Technik ein. Anschließend wurde mit variierender Aufgabenverteilung gedreht. Konrad beschreibt ihre Herangehensweise an den Dreh mit der Absicht keine Intellektuellen, Experten oder Politiker, sondern nur die normalen Leute auf der Straße zu Wort kommen zu lassen.

Schätz fragt nach dem Charakter der häufig im Film vorkommenden Sprechsituationen. Dabei handelt es sich in der Regel um Interviews und Gespräche mit Menschen auf der Straße und an öffentlichen Plätzen. Schätz bemerkt, die Filmemacherinnen seien nicht als neutral Fragende aufgetreten, sondern hätten zum Teil aufklärerische Elemente in die Gespräche eingebracht. Konrad bejaht dies und stellt fest, dass es gegenüber politisch schlecht informierten Gesprächspartnern diesen Impuls gegeben hätte. Dies sei insbesondere bei der Landbevölkerung der Fall gewesen, weswegen das Filmteam mehrmals in ländliche Regionen fuhr, um Gespräche zu führen. Auf spätere Nachfrage ergänzt Konrad die Vernachlässigung der Landbevölkerung sei traditionell ein Problem linker Kampagnen gewesen. Letztlich habe dies auch zum Scheitern des Plebiszits geführt. Für den Film, sagt sie, wäre es prinzipiell jedoch aufschlussreicher auf inhaltliche Einflussname zu verzichten. Auf diese Weise könne man mehr über die Denkweise der Menschen erfahren.

Schätz fragt weiter nach konkreten Strategien in der Gesprächsführung. Er erwähnt beispielhaft Konrads wiederholte Behauptung gegenüber ihren Gesprächspartnern, einen Beitrag für das Schweizer Fernsehen zu machen. Konrad erzählt, das Schweizer Fernsehen habe tatsächlich einen von ihr vorgeschlagenen Beitrag über das Plebiszit zum Amnestiegesetz angenommen. Erst in letzter Sekunde sei dieser wieder abgesagt worden, da Konrads Kamera den technischen Ansprüchen [Low-Band- statt High-Band-U-matic] nicht genügt hätte. Insofern sei ihre Behauptung nur zur Hälfte unwahr gewesen, dafür aber wirkungsvoll. Das Image der Schweiz aus uruguayischer Sicht könne man mit den Vokabeln weit entfernt, klein, ein wenig lustig, demokratisch, ungefährlich beschreiben. Das hätte geholfen. In einem nur aus Frauen bestehenden, semiprofessionell auftretenden Team zu arbeiten hat aus Konrads Sicht zudem Ängste bei den Gesprächspartnern reduziert und eine Atmosphäre von Offenheit erzeugt.

Schätz fragt nach dem Grund, das über dreißig Jahre unbearbeitete Material nun doch noch zu montieren. Konrad umreißt die historischen Umstände nach Ende der Dreharbeiten. Der Volksentscheid war zu Gunsten der Befürworter des Amnestiegesetzes ausgegangen. In der jungen Generation gab es viel Wut und Resignation über diese Entwicklung. Ihren persönlichen Zustand zu dieser Zeit bezeichnet sie als deprimiert. Die Aufnahmen aus der Zeit vor dem Plebiszit kam ihr kurz danach nicht mehr aktuell vor. Zeitgleich fühlte sie sich zu involviert, um es bearbeiten zu können, obwohl das gesamten Material bereits damals transkribiert wurde. 2015 verkaufte Konrad das Haus, in dem sie das Material gelagert hatte und wurde auf diese Weise wieder damit konfrontiert. Sie zeigte Freunden aus Berlin Auszüge und wurde ermuntert, wieder daran zu arbeiten. Unter ihnen war René Frölke, der den Schnitt übernahm.

Schätz beschreibt den Effekt des Films als verblüffend, so als würden die späten achtziger Jahre in Uruguay auf uns zurückschauen. Dabei verweist er speziell auf das spürbare Mitteilungsbedürfnis der im Film vorkommenden Personen. In ihren Äußerungen mischten sich nachgesprochene Formulierungen beispielsweise aus der TV-Propaganda mit persönlichen Erfahrungen. Verglichen mit der aktuellen öffentlichen Kommunikationsbereitschaft hierzulande, die er mit dem Diskursausdruck „Krise der Öffentlichkeit“ belegt, wirkten diese Äußerungen in ihrer Offenheit wie aus der Zeit gefallen. Konrad bestätigt das und fügt hinzu, die Offenheit habe sich nicht auf das Sprechen beschränkt, sondern auch die Zugänglichkeit von Orten betroffen. Bei Veranstaltungen sei es kein Problem gewesen, unangemeldet zu filmen, man konnte mit der Kamera Bühnen betreten, es gab keine Sicherheitskontrollen oder Einschränkungen ähnlicher Art. Dazu verweist sie auf den historischen Kontext. Während der zwanzigjährigen Militärdiktatur waren öffentliche Meinungsbekundungen dieser Art nicht möglich. Das habe Bedürfnisse erzeugt. Zugleich hätten die Uruguayer eine prinzipiell größere Vorliebe für das Reden, als es im deutschen Sprachraum der Fall sei. Konrad erzählt vergleichend von ihren Dreherfahrungen mit wortkargen schweizer Bergbauern. Einschränkend fügt sie hinzu, der im Film spürbare Grad an Offenheit sei auch in Uruguay bereits wenige Jahre später einem deutlichen Misstrauen gewichen. Spätestens heutzutage habe auch dort jeder das Gefühl, eine Filmaufnahme lande sofort auf Facebook. Teilweise entspräche das ja auch der Wahrheit.

Schätz fragt nach dem Schnittprozess mit René Frölke und möchte wissen, welche Regeln für den Umgang mit dem Material aufgestellt und wie sie entwickelt wurden. Konrad sagt, die Vorgehensweise sei im Wesentlichen an der Chronologie der Ereignisse orientiert gewesen. Erst das Referendum, um das Plebiszit zu erwirken, dann das Plebiszit. Eine Regel sei es gewesen, Szenen in ihrer Gesamtheit zu belassen anstatt zu kürzen und umzustrukturieren. Das wäre Frölkes Vorliebe für lange stehende Einstellungen entgegen gekommen. Konrad ging es aber auch darum, spürbar zu machen, was hinter der Kamera, zwischen den Filmemacherinnen sowie im Umkreis der Gespräche vor sich ging. Daher fiel die Entscheidung gegen einen „sauberen Schnitt“ für den man abschweifende Schwenks, suchende Bewegungen, das Absetzen der Kamera und Ähnliches ausgespart hätte. Auf eine dahingehende Nachfrage Schätz’ bekräftigt Konrad, durch das Abschwenken auf die Umgebung auch während laufender Gespräche habe sie deutlich machen wollen, ob man sich jeweils in einem Armen- oder Mittelschichtsviertel befand. Konrad unterstreicht ihre Art der Kameraführung weise Elemente auf, die auf professioneller Weise zu vermeiden gewesen wären. Diese habe sie jedoch in vollem Bewusstsein hergestellt und gezielt im Schnitt eingesetzt. Konrad erwähnt, dass die U-matic-Kassetten eine Aufnahmekapazität von 20 Minuten hatten, sehr teuer und nicht immer verfügbar waren, sodass teilweise Aufnahmen überspielt wurden, um neue zu machen. Hierdurch sowie durch altersbedingte Beeinträchtigungen entstanden technisch fehlerhafte Materialfragmente, die ebenfalls in der Montage Verwendung fanden.

Die erste Frage aus dem Publikum bezieht sich auf die Entscheidung TV-Reklamen und Politikerstatements aus den achtziger Jahren als Fremdmaterial in den Film einzuarbeiten. Konrad wiederholt, dass nur regierungsnahe Akteure, also Befürworter des Amnestiegesetzes, die finanziellen Mittel hatten, das Fernsehen als Plattform für ihre Propaganda zu nutzen. Neben den direkten Ansprachen der Politiker war daher auch die Werbung mit Motiven und Formulierungen durchsetzt, die auf deren Positionen verwiesen. Knapp zusammengefasst wurde der „Weg in eine glückliche Zukunft“ beschworen. Aus Sicht der Machthaber war dies nur möglich, wenn man die Konflikte der Vergangenheit ruhen ließ. Eine Aufarbeitung der Gewaltverbrechen würde zu gesellschaftlichen Spannungen führen, die dem wirtschaftlichen Aufschwung im Wege stünden. Insofern sei der Einsatz derartiger Motive in den TV-Reklamen als Verweise und Einflussnahme auf den bevorstehenden Plebiszit zu bewerten. Dieser Zusammenhang sei Konrad bereits während der Drehzeit sehr deutlich gewesen, weswegen sie Mitschnitte der Werbespots auf VHS-Kassetten anfertigte.

Schätz merkt an, die Formulierungen und Erklärungsmuster der TV-Beiträge fänden sich in den Äußerungen der Gesprächspartner auf der Straße wieder. Dort wie auch in den Fragen der Filmemacherinnen sei ihm das Wort „Frieden“ als ein Begriff erschienen, der von allen Seiten besetzt werden wollte. Konrad stimmt dem zu. Die Strategie, den Friedensbegriff als einen Vorwand zu missbrauchen, Auseinandersetzungen mit historischer Schuld zu Gunsten wirtschaftlicher Entwicklung zu unterbinden, sei ihr von dem Regime in Nicaragua ebenso bekannt wie aus Lektüren über Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Der selbe Ansatz sei auch in Uruguay verfolgt worden. Der Ausdruck „Frieden“ sei dabei insofern von großer Bedeutung, als er jedem etwas Konkretes bedeute. Für die Armen hieße Frieden, dass die Kinder zu Schule gehen können und alle zu Essen haben, Für die Mittelschicht Ruhe und Sicherheit. Für jeden bedeute es etwas anderes, aber stets etwas Greifbares. Der ebenfalls nicht selten bemühte Begriff der „Gerechtigkeit“ sei dagegen schon abstrakter.

Die nächste Publikumsfrage geht der Entscheidung für die vierstündige Dauer des Films nach. Die Fragestellerin bezeichnete die Länge als gut aber herausfordernd. Neben inhaltlichen Gesichtspunkten wäre jedoch auch relevant, dass mehr Menschen bereit wären, sich zwei Stunden auf einen Film einzulassen als vier. Konrad schildert die Verdichtung des Materials als Prozess, in dem sie die Schnittfassungen von ursprünglich zehn auf sechs und schließlich auf vier Stunden eingekürzt hätten. Der Impuls, bei dieser Länge zu bleiben, sei maßgeblich von Frölke ausgegangen. Letztendlich habe sie seiner Einschätzung zugestimmt, die Zuschauer bräuchten die Zeit um sich auf das Land und die gezeigten Prozesse einzulassen. Sie sagt weiter, dass sie den Film zunächst mehr als Aufarbeitung von Archivmaterial denn als Kinofilm betrachtet habe. Sich selbst würde sie nicht in die Riege solcher Filmemacher einordnen, denen das Publikum genug Vertrauen entgegen, bringe um sich auf vier Stunden Laufzeit einzulassen. Dass die Festivalauswertung von UNAS PREGUNTAS trotz dessen erfolgreich war, habe sie persönlich sehr gefreut und in der Entscheidung über die Länge bestärkt.

Eine Detailfrage aus dem Publikum bezieht sich auf die genaue Bedeutung des häufig im Film vorkommenden, spanischen Wortes „Propaganda“. Konrad führt aus, dass der Ausdruck ähnlich wie im Deutschen eine ideologisch gefärbte Beeinflussung bezeichne und von dem allgemeinen Begriff für Werbung [Publicidad] abgegrenzt sei. Auf die Nachfrage, ob es gute Propaganda gäbe, antwortet Konrad, ihrer Meinung nach könne man von ansprechender Propaganda sprechen. Wegen des Einsatzes einfacher bis unlauterer Mittel sei dieser jedoch stets mit Skepsis zu begegnen. Dennoch gäbe es Propaganda, die ihr Freude mache.

Aus dem Publikum kommt die Frage nach dem Effekt des zeitlichen Abstands zwischen Dreh und Schnitt auf das Ergebnis. Konrad antwortet, es sei natürlich eine wichtige Distanz entstanden; ihre ursprünglichen Anliegen, der Funktionsweise einer Demokratie nachzuspüren und das Wahlverhalten einer Bevölkerung zu untersuchen, hätten sich jedoch nicht verändert. Sie habe das Feedback erhalten – und finde auch selbst –, dass diese Themen angesichts erstarkender rechtsextremer Strukturen wieder sehr aktuell seien. Auf die Nachfrage, wie der zeitliche Abstand sich formell niedergeschlagen hat, sagt Konrad, der Film hätte mit Sicherheit eine andere Form gefunden, wäre er zeitnah nach dem Dreh und in Uruguay montiert worden. Damals hätte sie vermutlich versucht, alles Gezeigte zusätzlich zu erklären und einzuordnen: die halbe Geschichte Uruguays, die Diktatur, das Verschwinden von Menschen. Solche Erklärungen gäbe es in der jetzigen Fassung des Film nicht. Schätz ergänzt hierzu, er finde es erstaunlich, wie sich diese historischen Hintergründe auch ohne explizite Erklärung Stück für Stück aus dem Material heraus vermitteln. Er fragt, ob sich diese funktionierende Informationsökonomie schon allein aus dem Makroschnittprinzip des chronologischen Vorgehens ergeben hätte oder ob weitere Planungsschritte nötig waren, um diese Wirkung zu erzielen. Konrad bezeichnet diesen Effekt als Ergebnis der genauen Arbeitsweise Frölkes. Er habe sich durch intensive Gespräche mit Konrad über die Hintergründe informiert und anschließend die Reihenfolge und das Timing der Informationen im Film gestaltet. So man über das Durchhaltevermögen verfüge, die gesamten vier Stunden aufmerksam zu bleiben, erführe man sehr viel über die Lebensbedingungen und die historischen Hintergründe – auch ohne dass diese explizit erklärt würden.

Thomas Heise bemerkt er habe während der ersten Minuten des Films die Befürchtung gehabt es könne sich um einen klassischen Demonstrationsfilm handeln, wie man sie aus Paris oder Hamburg kenne. In denen die Filmemacher sich sicher sind, auf der richtigen Seite zu stehen und eine endlose Litanei marschierender Demonstranten abspulen. Je länger der Film dauerte, um so mehr hätte sich dieser Eindruck jedoch verflüchtigt. Das habe mit dem zu tun, was Konrad „Entscheidung gegen einen sauberen Schnitt“ genannt hat. In Heises Worten, der Entscheidung, das Material nicht zu glätten. Er sei froh über die Laufzeit des Films, da es diese brauche, um zu begreifen welche Vorgänge und Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren der Gesellschaft zum Tragen kommen. Konrad schildert dazu ihre Beobachtung, auf den Demonstrationen für das Referendum seien Männer in Anzügen, Angehörige der oberen Mittelschicht, Bankangestellte etc. zu sehen. Insofern hätte sich doch ein anderes Bild geboten als auf den linken Demonstrationen in Europa der siebziger Jahre. Heise erwidert, diese Assoziation hätte sich ihm aus formalen Gründen, wie dem Einsatz der Handkamera aufgedrängt. Bei seinem Kommentar sei es ihm um den Eindruck gegangen, der Film habe durch den zeitlichen Abstand zwischen Dreh und Fertigstellung an Qualität gewonnen. Die Aktualität, die Konrad letztlich durch den Film habe herstellen können, sei seinem Empfinden nach durch Aktualität im Wortsinn nicht herzustellen gewesen.

Aus dem Publikum kommt die Frage nach der aktuellen Situation in Uruguay. Konrad erläutert, die Verbrechen aus der Zeit der Militärdiktatur seien nach wie vor nicht aufgearbeitet worden. Jährlich demonstrieren nach wie vor Tausende gegen die Amnestiegesetzgebung, die seit dem Ende der achtziger Jahre noch mehrfach durch Plebiszite bestätigt wurde. Der Präsident der aktuell linken Regierung, selbst Opfer von Folter in Militärgefängnissen, verhindert eine Änderung. Laut Konrad scheinen die Machthaber stets gezwungen sich mit dem Militär zu engagieren. Wirtschaftlich gehe es dem Land eher schlecht.

Schätz beendet das Gespräch mit der Frage nach den Reaktionen auf den Film in Uruguay. Konrad erzählt, das Publikum hätte im Wesentlichen aus Mitgliedern der intellektuellen Mittelschicht bestanden, die in den achtziger Jahren Studenten gewesen seien. Deren Reaktionen beschreibt sie als zum Teil irritiert bis entsetzt angesichts der abgebildeten Äußerungen. Uruguay sei hinsichtlich der Einteilung der Gesellschaft in Klassen kein extremes Land. Die Gräben zwischen den Gesellschaftsschichten seien jedoch tiefer als in Europa. Die im Film vorkommenden Äußerungen stammen in der Mehrzahl aus Spektren der Gesellschaft, zu denen das Publikum auch in den achtziger Jahren keine Verbindung gehabt hätten. Sie wurden zum Teil als beschämend primitiv beschrieben. Das Thema des Films sei zudem wegen der fehlenden Aufarbeitung noch heute für viele sehr schmerzhaft. Konrad habe von Bekannten Absagen für die Vorführung erhalten, da diese nicht bereit waren sich der historischen Situation für mehrere Stunden auszusetzen. Dennoch habe es auch positive Reaktionen gegeben. Jüngere Studenten einer Universität hätten Interesse am gesamten Material bekundet. Konrad beschließt das Gespräch mit der Feststellung, für diese Studenten sei die Auseinandersetzung weniger schmerzhaft, da sie gerade erst geboren seien.