Film

Zum ewigen Andenken
von Christian Dünow
DE 2013 | 23 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 37
09.11.2013

Diskussion
Podium: Christian Dünow
Moderation: Till Brockmann
Protokoll: Nadine Voß

Synopse

Die Urgroßmutter Genofeva Faust: erst nur ein Bild in alten Tagen mit ihrer Enkelin. Der Gesichtsausdruck ist mürrisch. Das Foto von ihr als Maud Arizona, der tätowierten Wunderdame, wirft Fragen auf. Eine Recherche beginnt. Was bleibt? 

Protokoll

Christian Dünows biografische Spurensuche beginnt mit dem Blick auf zwei Fotografien, die den Ausgangspunkt seiner Recherche markieren: Genovefa Forst, streng schauende Urgroßmutter in älteren Jahren und Maud Arizona, mit biblischen Motiven übersäte tätowierte Dame um die Zwanzig. Dieselbe Frau, deren unterschiedliche Erscheinung im Bild Dünow zu Nachforschungen im Rahmen seiner Diplomarbeit anregte.

Schnell zeigte sich im Zuge seiner Recherchen, dass der tätowierte Körper nicht das einzig Außergewöhnliche im Leben der Urgroßmutter war. Aus dem Nationalsozialismus stammendes Archivmaterial – ihr Ehemann war jüdischen Glaubens – dokumentiert das Beziehungsgeflecht um Genovefa Forst, die an der Seite zweier Männer lebte; der eine Ehemann, der andere Geliebter und vermeintlicher Urgoßvater Dünows.

Der Filmemacher ging den Spuren in den Fotografien nach, befragte zunächst die Verwandtschaft, stieß hier auf Gesprächsblockaden und verschlossene Türen. Erst nach der Konsultierung entsprechender Dokumente in Sammlungen und Archiven erschlossen sich die Zusammenhänge im Leben der Urgroßmutter. Die Aufarbeitung der Familiengeschichte scheiterte wiederholt an Widerständen in Teilen der Familie. Die Tabuisierung der jüdischen Verwandtschaft, das Verschweigen und Verstecken ist konditioniert, sitzt tief in den Generationen zwischen Urgroßmutter und Urenkel.

Der Erhalt der Gestapo-Akte, die in Form von fünf Seiten Vernehmungsprotokoll das Leben von Genovefa Forst dokumentiert, sei ein Schlüsselmoment in der Recherche gewesen, berichtet Dünow – allerdings sei dies zu einem so späten Zeitpunkt geschehen, dass die eigentliche Version des Films innerhalb von vier Tagen (und Nächten) entstehen musste. Präzise hielt er sich an Originalfotografien, verzichtete auf den Einsatz von visuell ähnlichem Archivmaterial. Die damit einhergehende stilistische Rohheit, entstehend durch den teilweise mangelhaften Zustand der Dokumente, gehöre für ihn dazu.

Dünow habe „auch ein bisschen über sich selbst und die eigene Identität erfahren“, erklärt er auf Nachfrage. Im Gegensatz zur Mutter- und Großmuttergeneration habe er den nötigen Abstand, um so nüchtern wie möglich und faktenbasiert die Familiengeschichte ins Bild zu setzen. Dies sei notwendig, um eine würde- und respektvolle Darstellung zu schaffen, auf keinen Fall wolle er eine Bloßstellung provozieren. So werde der Film auch zum Zeitdokument, betont Cristina Nord. Zum ewigen Andenken erzähle nicht nur vom (Über)Leben im Nationalsozialismus, sondern auch über ausgestorbene Unterhaltungsformen, von Freakshows und Flohzirkussen.

Verschiedene Diskutanten loben die Dynamik und den Rhythmus des Filmes. Die Person in den Bildern nehme zunehmend Gestalt an und werde für den Zuschauer sichtbar. Andere Stimmen kritisieren, das Familiensystem vervollständige sich erst im Gespräch nach dem Film, gerne hätte man weiterführende Informationen zum Rechercheprozess gesehen. Das Thema habe sich noch nicht erschöpft, erklärt Dünow, für weitere Beschäftigung sei genügend Material vorhanden. Vielleicht hört man demnächst dann auch mehr zu Papagei Lora, dem Familienmitglied, das sich ums Schweigen nicht kümmerte und noch Jahre später braune Propaganda rezitierte.