Synopse
Das Anwesen erlaubt Großzügigkeit: Im Haus ist Platz für die Sammlung rosafarbener und weißer Vasen, für Schwimmbad und Räume von erlesener Sparsamkeit. Seine Bewohnerinnen residieren in Innenarchitektur und zwischen moderner Kunst. Sie wohnen aber nur in einigen Zimmern. Daneben geschieht die Arbeit der konstanten Instandhaltung.
Protokoll
Eine Villa. Sieben Etagen, eine ungewisse Zahl an Zimmern, oder besser: Gemächern. Gemälde, Antiquitäten, Skulpturen, Keramik, Lampen – Kunst. Im Garten, oder besser: Park stehen Bänke, die man nicht benutzen kann – Kunst, auch hier. Räume, die wie gemacht sind, um gefilmt zu werden. Und ein Film, der wie gemacht ist für das Festivalthema „Räume“.
Einmal hinter die Mauern zu schauen im Kölner Villenviertel Marienburg, das war die ursprüngliche Motivation von Tama Tobias-Macht: Sie wollte einfach rein. Über einen gemeinsamen Bekannten geriet sie an die beiden Kunstsammlerinnen Nicola Bscher und Ma yen Beckmann und erhielt fast uneingeschränkten Zugang zu deren privaten Räumlichkeiten. Wie der Alltag in so einer Villa funktioniert, wie Haus und Bewohner in Beziehung stehen, wie sich diese beiden Frauen fühlen, wollte Tobias-Macht wissen. Dafür kommen die beiden aber selten vor, wendet Brockmann ein. Doch genau darum geht es ihr, die Damen können das Gebäude gar nicht mit Leben füllen. Erstaunlich, wie leer die Räume sind, selbst wenn die Menschen drin sind.
Den langen, starren Kameraeinstellungen ist anzusehen, dass die Regisseurin eigentlich von der Fotografie kommt. Doch alles nur in einem Frame zu erzählen, das war ihr irgendwann zu wenig. Im Film, also erweitert um die zeitliche Dimension und eine fein austarierte Tonspur, können ihre Bilder bieten, worauf es ihr ankommt: Zeit und Ruhe, um genau zu schauen und zu hören. Was zu sehen ist aus dem Alltag von Bewohnerinnen und Personal, das wurde nach Gesprächen mit den Beteiligten geplant und fast wie ein Spielfilm gedreht. Die Damen sprechen, aber bewegen sich kaum, das Personal bewegt sich viel, spricht aber nie – eine Asymmetrie, in der für Tobias-Macht Hierarchie und Anachronismus dieser hermetischen Welt zum Ausdruck kommen. In ihren Einstellungen sollen die Räume zur Bühne werden, ein bisschen wie im Theater.
Schließlich wird die Bühne abgebaut, die Umzugshelfer nehmen ihre Arbeit auf. Zu den Umständen des Auszugs aus der Villa möchte die Regisseurin keine Auskunft geben, Diskretion scheint geboten. Dafür eine Gegenfrage: Wie hat der Umzug aufs Publikum gewirkt? Das Feedback ist durchweg positiv, ein dramaturgischer Coup scheint ihr gelungen: „Ein Kracher“, dass das Haus am Ende leergeräumt wird, „das ist ja fast eine Revolution!“
A propos Politik: Was ist mit der gesellschaftlichen Dimension des Gesehenen, der Frage, wie Reichtum durch Erbschaften gebunden ist? Ob sie sich dieser politischen Ebene entzieht, möchte ein Zuschauer wissen, der beim Anblick der symbolträchtigen Bilder auch Wut empfunden hat.
Tobias-Macht war es wichtig, „objektiv zu bleiben“, von Vorurteilen loszulassen, sich ganz auf das Haus zu konzentrieren. Schließlich könne sich jeder sein eigenes Bild machen – ihrer Erfahrung nach wollen die meisten Menschen, die ihren Film sehen, entweder selbst gern in so einem exquisiten Stil leben, oder aber sie ärgern sich über all die Verschwendung. Sie selbst habe dazu auch eine persönliche Meinung, aber: „Wenn ich die hätte sagen wollen, dann hätte ich einen anderen Film gemacht.“ Das Private bleibt also privat.
Die Protagonistinnen jedenfalls sind dankbar, dass Tobias-Macht nicht kritisch mit ihrem Gegenstand umgegangen ist, berichtet sie – die beiden Damen finden den Film toll. Zumal er auch als Erinnerungsstück an die Villa dient, ihr gemeinsames Werk, das nun nicht mehr existiert.
Für die Zuschauer bleibt eine gewisse Unzugänglichkeit, anders als in Tobias-Machts voriger Arbeit wird der persönliche Zugang zu den Protagonistinnen hier erschwert. Auch die Regisseurin wäre den Sammlerinnen gern näher gekommen. Der Film aber zeigt die Beziehung, die unter den gegebenen Umständen möglich war. Für Tobias-Macht macht genau das den Dokumentarfilm aus: Herausfinden, wo die Grenze ist, und diese Grenze dann akzeptieren.