Film

August
von Mieko Azuma
DE 2011 | 83 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 35
08.11.2011

Diskussion
Podium: Mieko Azuma
Moderation: Vrääth Öhner
Protokoll: Ann Katrin Thöle

Synopse

Eine Deutsche in Hiroshima. Anlässlich des Jahrestages des Atombomben­abwurfs führt sie Interviews, besucht ein Memorial, läuft durch die Straßen. Ein Übersetzer soll ihr helfen. Sie will etwas über Erinnerung schreiben. Sie telefoniert mit dem Handy. Sie ist auf der Suche.

Protokoll

Wie funktioniert Erinnerung? Was erinnern wir wie und warum?

Dass es Mieko Azuma mit AUGUST gelingt, die Vielschichtigkeit des Erinnerns und die Diversität von Erinnerungsprozessen aufzuzeigen, darüber wird am Ende dieser überraschend kontrovers geführten Diskussion Einigkeit herrschen. Inwiefern jedoch die formalen und erzählerischen Mittel, mit denen sie sich dem komplexen Themenfeld nähert, klug gewählt sind, darüber bleiben die Zuschauer geteilter Meinung.

Mieko Azuma hat ein persönliches Erlebnis zur Grundlage des Films gemacht:

Als sie zum ersten Mal in Hiroshima war, stellte sich trotz der Allgegenwärtigkeit des Erinnerns ein Gefühl der Distanz ein. Die Realität des historischen Ereignisses – die Katastrophe des Atombombenabwurfs vom 6. August 1945 – vermittelte sich ihr nicht. Für diese Erfahrung galt es, eine filmische Form zu finden. Sie wollte von der Unmöglichkeit erzählen, sich heute vorzustellen, was damals passiert ist, und gleichzeitig das Hiroshima von Heute zeigen, ein Ort des permanenten Gedenkens an die Vergangenheit, an dem zeitgleich ganz normaler Alltag stattfindet. Die Figur der Johanna – gespielt von Sylvana Krappatsch – die sich als Deutsche in Hiroshima auf Spurensuche begibt und hierin scheitert, war für Azuma eine Möglichkeit, nicht nur ein bestimmtes Gefühl des Verlorenseins zu trans por tieren, sondern die Formen des Erinnerns in ihrer Vielfältigkeit aufzufächern; den Stoff zu verdichten.

Vrääth Öhner greift das auf: Für ihn lädt der Film dazu ein, über die verschiedenen Formen des Erinnerns nachzudenken. Er leistet dies, indem er einen von Gegensätzlichkeiten bestimmten Raum der Erinnerung kreiert. Jene Erinnerung, die kollektiv verbindlich ist und über symbolträchtige Gedenkrituale funktioniert, steht der individuellen Erinnerung einzelner Zeitzeugen gegenüber. Ein zweites Spannungsverhältnis lässt sich dort ausmachen, wo das Erinnern (oder der Versuch des Sich-Erinnerns), das kollektive wie das private, auf Szenen eines alltäglichen Hiroshimas treffen – Shopping Mall, Kindergarten, Taxifahrer, Bandprobe, Freundinnen….

Der Unmut einiger Diskutanten entzündet sich nicht unbedingt an der Entscheidung, das Dokumentarische mit fiktionalen Anteilen zu spicken oder auf eine Schauspielerin zurückzugreifen. Kritisiert wird vielmehr die Art und Weise, wie sich diese Johanna durch den Film bewegt. Die darstellerische Leistung von Krappatsch wird hier ebenso in Frage gestellt wie die dramaturgische Funktion der Figur und deren Inszenierung. Es fehle das emotionale Identifikationspotential und was die Beweggründe der Protagonistin betrifft, so streue der Film Hinweise, die letztlich ins Leere liefen. An anderer Stelle wird die Distanziertheit der Bilder moniert. Die filmische Konstruktion offenbare allzu deutlich ihre Künstlichkeit und was der Film wirklich will, bleibe unklar. Werner Ružička lobt die Regisseurin zwar für das kühne Konzept und kann der „polyphonen Motivlage“ einiges abgewinnen. Die Schauspielerin aber sei „wie ein Glas Wasser“, ihre Performance viel zu unentschieden.

Mieko Azumo weiß dem zu begegnen und verteidigt ihre Entscheidungen. Die Figur ist Trägerin eines Gefühls, Katalysator für Themen und Fragestellungen. Sie wollte unbedingt daran festhalten, dass man mit dieser Deutschen durch Hiroshima läuft – schon dadurch ergibt sich ein historischer Bogen. Die Verquickung der eigenen Person mit der Rolle, das Zusammenwirken von Wirklichkeit und Fiktion auch beim Drehen, das war immer wieder faszinierend.

Andere Teilnehmer aus dem Auditorium können mit dieser Konstellation auch durchaus etwas anfangen. Die Hauptfigur funktioniere ganz hervorragend, so ein Diskutant. Man müsse nicht alles wissen und verstehen. Es gehe vielmehr um das, was die Leute sagen und in welches Verhältnis wir uns dazu setzen. Es ist nicht die Person, sondern der Ort, der einen hier emotional ergreift. Es geht um die Traumata von Hiroshima.

Elfi Mikesch erinnern Kameraperspektive und Blickbeziehungen an Ego-Shooter-Computerspiele: Johanna ähnelt einer Spiel- und Kampffigur, mit der man den Raum, das Kampfgebiet, vorsichtig erkundet. Oder auch: Johanna als Geist, der anderen Geistern folgt.

Nachdem sich einige Herren noch kurz in eine Isabelle Huppert-Schwärmerei begeben und behaupten, einer wie der Huppert hätte man viel lieber beim Gehen zugesehen, findet Öhner abschließend treffende Worte: „Man kann zur Erinnerung nicht hingehen“.