Film

How to Make a Book with Steidl
von Gereon Wetzel, Jörg Adolph
DE 2010 | 88 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 34
01.11.2010

Diskussion
Podium: Gereon Wetzel, Jörg Adolph
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Judith Funke

Synopse

Verleger Gerhard Steidl hat seine eigenen Qualitätsansprüche, die er bei auserwählten Kunden weltweit umsetzt. Beständig an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitend, findet er die richtigen Anforderungen an Material und Auftraggeber. Buchdruck als (rastlose) Lebensphilosophie.

Protokoll

Gerhard Steidl macht Bücher. Viele Bücher, schöne Bücher. Wer ihm an diesem Eröffnungsabend eineinhalb Stunden lang dabei zugesehen hat, den erstaunt nicht, dass Steidl bereits vor Diskussionsbeginn wieder abreisen muss. Es geht weiter nach Paris, dort wird man wohl schon auf ihn warten, auf den Mann mit dem berühmt-berüchtigten Terminplan.

Vielmehr verwundert es, dass sich bei Steidl überhaupt ein wenig Raum gefunden hat für diesen Film, inmitten all der Bücher, in diesem rastlosen Arbeitsalltag zwischen Probedrucken, Büchertürmen und Maschinen, zwischen Göttingen, New York und Paris, zwischen Sternfeld, Chanel und IG-Metall. „Mischkalkulation“ heißt Steidls Erfolgsrezept, große und kleine Namen, Werbung und Kunst, Verkaufsschlager und Kleinstauflagen. Von allem etwas – oder auch etwas zu viel.

Wie schon viele vor ihnen haben Wetzel und Adolph lange auf Steidl gewartet, sie hatten schon fast aufgegeben, als er sich dann doch zur Zusammenarbeit bereit erklärte. Über ein Jahr hinweg ließ er sich bei seiner Arbeit filmen: im Verlag, bei Künstlergesprächen, auf seinen unzähligen Kurzreisen. Eine Möglichkeit, sich und seine Arbeit zu präsentieren: Wie aus einer Idee ein Buch entsteht, wie der Künstler und der Handwerker zu Komplizen werden. Mehr als um das Aufzeichnen einer vermeintlich aussterbenden Kulturtechnik scheint es dabei allerdings um die Leidenschaft für Qualität zu gehen. Eine Qualität, die nur in gedruckter Form möglich ist und mit der sich Steidl auch in Zukunft behaupten wird, da ist sich Adolph sicher.

Für die beiden Autoren waren die Dreharbeiten allein wegen des enormen Tempos eine Strapaze, gerade auf den Reisen aber auch sehr angenehm. Sich an Abläufe und Protagonisten anzupassen, „immer leise hinterherzuwackeln“, verstehen beide als das täglich Brot des Dokumentarfilmers. Gerade in den knapp getakteten Künstlergesprächen habe eine große Konzentration und Ruhe geherrscht, die zeitliche Beschränkung kam dem Film hier zugute, ebenso wie Steidls bereitwillige Kooperation. „Wenn er etwas macht, dann macht er es richtig“. Adolph berichtet vom großen Respekt Steidls für ihre Filmarbeit, der Umgang sei absolut fair gewesen.

Ihre Methode, nicht fragend einzugreifen, auf die Erzählmethoden der herkömmlichen Kulturberichterstattung zu verzichten und sich ganz auf die Beobachterposition zu verlassen, verlangt nach Situationen, in denen sich das Geschehen auch für Außenstehende erklärt. Hier sei Glück im Spiel gewesen, etwa wenn sich Steidl und Martin Parr „wie nach einem guten Drehbuch“ (Ruzicka) über Steidls Herkunft unterhalten.

Dass die Beziehungen zwischen Steidl und den Künstlern oft nur andeutungsweise miterzählt werden, verteidigt Adolph: Zur gemeinsamen Geschichte von Steidl und Günther Grass gäbe es viel zu erzählen, diesen Film wolle er aber nicht sehen. Überhaupt haben sich die Autoren bewusst für eine zügige Dramaturgie entschieden, die der autokratischen Arbeitsweise Steidls zu entsprechen scheint.

Die Mischung verschiedener Materialien im Film sei aus der Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie entstanden. Für Wetzel ein Versuch, den Augenblick zu erfassen, der in der Bewegung des Films sonst verloren geht, den Zerfall des Filmmediums als Bewegungsauflösung anzudeuten. Überhaupt spielen mediale Hybridformen und Überlagerungen eine zentrale Rolle, technische Verschiebungen im Prozess der Bildgeneration.

Ihre Arbeitsweise als gleichberechtigte Autoren betrachten Adolph und Wetzel pragmatisch: Sich mit Kamera und Ton abwechseln zu können sei ein Luxus, um das Verwischen eines individuellen Stils durch die gemeinsame Autorenschaft sorgen sie sich nicht. Für beide ist die Kamera mehr verhandelbarer Gegenstand als Fetisch.

Aus dieser Haltung ist ein fein durchgearbeiteter und unaufgeregter Film entstanden; ein zurückhaltend produziertes Nebenprojekt, und doch eine „ästhetische Delikatesse“ (Ruzicka), die den Autoren und auch Patron und Protagonist Steidl große Sympathien einbringt.

 Werner Ružička, Gereon Wetzel, Jörg Adolph v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
Werner Ružička, Gereon Wetzel, Jörg Adolph v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald