Film

Sounds and Silence
von Peter Guyer, Norbert Wiedmer
CH 2009 | 93 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 33
06.11.2009

Diskussion
Podium: Norbert Wiedmer, Peter Guyer
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Judith Funke

Synopse

Klavier, Chor, Geige, Oud, Percussion: hinein in die Welt der Töne, der Klangfarben, des Rhythmus. Mit Ernsthaftigkeit und Enthusiasmus hat sich Musikproduzent Manfred Eichler der Suche nach dem absoluten Klangerlebnis verschrieben, um dieses technisch wie musikalisch perfekt festzuhalten. 

Protokoll

Die Kreise schließen sich, stellt Werner Ružička einleitend fest: Schon vor 30 Jahren war Norbert Wiedmer erstmals auf der Duisburger Filmwoche, zuletzt dann 2002 mit BEHIND ME, in dem neben Bruno Ganz auch der Musikproduzent Manfred Eicher auftritt.

Die Idee, Eicher nun ins Zentrum eines neuen Films zu stellen, hat sich aus den Dreharbeiten mit Ganz heraus ergeben: Eicher sei bereits damals „sehr wohl gewesen“ bei der gemeinsamen Arbeit, die Arbeitsweise von Wiedmer und Guyer (damals Regie und Kamera, nun erstmals als Co-Regisseure) habe einen positiven Eindruck bei ihm hinterlassen. Eine Ausgangsvereinbarung mit Eicher war, dass der Film kein klassisches Portrait werden sollte, sondern Eicher in der Funktion des Reisebegleiters auftreten würde. Wodurch auch von vornherein das von Ružička angesprochene Motiv des Reisens und der Bewegung als Leitlinie gesetzt war.

Den Regisseuren geht es vor allem um die intensive Konzentration und Leidenschaft, die Eichers Arbeit ausmacht und die auch für sie selbst als Filmemacher wichtig ist. Außerdem sollte SOUNDS AND SILENCE ein Film über das Zusammenspiel von auditiver Wahrnehmung und Bild werden – die Musikstücke sollten durch die mehrfach gelobte Rhythmisierung durch den Schnitt möglichst eins zu eins übersetzt werden. Als Motto des Films nennt Wiedmer „die Schule des Hörens“. Um diesem Anspruch (und auch dem von Eichers Label ECM) gerecht zu werden, habe man sehr viel mehr Aufwand in den Ton investiert als in die Bilder. Die Wahl der Orte, an die das Filmteam mitgereist ist, war „gezielt zufällig“, maßgeblich von Wiedmer und Guyer bestimmt, aber auch davon abhängig, wo Eicher das Filmen zuließ. Dass sie mit Arvo Pärt drehen konnten, war ein Glücksfall, so Guyer. Hierfür stand ihnen aber auch nur ein Tag zur Verfügung. Die zeitliche Begrenzung sowie die Reduktion auf eine Position im Raum habe sich letztendlich als eine produktive Einschränkung erwiesen und hat eine Konzentration bewirkt, von der sich auch das Publikum beeindruckt zeigt. Auch für Guyer selbst war das Zusammentreffen mit Pärt eine Entdeckung; Wiedmer spricht gar von einer Geistesverwandtschaft.

Eicher habe beim Dreh ständigen Widerstand geleistet, wird angedeutet, habe sich oft entzogen und Anliegen der Filmemacher „ausgesessen“. Aus dem zurückhaltenden, schüchternen Wesen ihres Protagonisten sowie der Entscheidung, den filmischen Schwerpunkt auf dessen gestische und körperliche Präsenz anstatt auf eine sprachliche Auseinandersetzung zu legen, scheint letztlich doch ein Portrait entstanden zu sein – und zwar, wie Ružička präzisiert, im bildlichen Sinne, reduziert auf das, was man vom Gesicht ablesen kann.

Und dieses Bild scheint zu polarisieren: Ob dieser überaus souveräne Mann denn wirklich keine Zweifel, keine Fragen habe, wirft ein Diskutant ein?. Die Anfangsszene, in der Eicher in konzentrierter Haltung „als Zuhörer“ etabliert werden soll, wird mehrfach als „Denkerpose“ und Verherrlichung des romantischen, genialischen Künstlersubjekts geschmäht (kritisiert?). Der Film betreibe eine Produktion von Heiligkeit, sei wie ein Werbefilm, sehr gemacht und geglättet – „Dokumentarfilm hat einen höheren Anspruch“.

Vermisst wurde zudem die Stille, die der Titel verspricht, und aus der heraus ja Schönheit erst entstehen könne (wie z.B. in Arvo Pärts Musik). Wie eine Nummernrevue wirken die Auftritte der Musikerstars auf die einen, für die anderen geht es um konzentriertes Arbeiten an Musik, um das, „was die Seele der Musik ausmacht, jenseits des Taktschlagens“, und schließlich gar um eine Art Gottesdienst. Ohnehin sei es bei einem „High Gloss-Film“ wie diesem albern, diskursive Fragen zu stellen, lautet eine weitere Position. Statt einer intellektuellen Herangehensweise wird empfohlen, die Emotionalität des Films anzunehmen.

Von adaequatio ist die Rede, dem Anspruch, eine filmische Entsprechung zu den dargestellten Ausnahmezuständen des musikalischen Arbeitens zu finden, diesen mit eigenen Mitteln gerecht zu werden, schließlich seien sie auch leidenschaftliche Filmemacher.

Dass man sich an ihrem Ziel, der weit getriebenen Perfektion, stoßen kann, ist ihnen bewusst. Es sei aber ebenso legitim, Pathos zu zeigen. Ganz in diesem Sinne werden von Ružička Momente der Erhabenheit und insbesondere die „unglaublich intensive Atmosphäre“ des Ausklangs enthusiastisch hervorgehoben. Und nicht zuletzt spricht er den Regisseuren auch ein Kompliment für ihre souveräne Haltung in dieser doch recht kontroversen Duisburger Diskussion aus.