Film

Gwenyambira Simon Mashoko
von Michael Pilz
AT 2002 | 210 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 27
04.11.2003

Diskussion
Podium: Michael Pilz
Moderation: Hilde Hoffmann
Protokoll: Andrea Reiter

Protokoll

Hintergründe

In Zimbabwe lebt der hochbetagte Mbira-Musiker und -Instrumentenbauer Simon Mashoko. Durch sein Mbira-Spiel wurde er zu einer charismatischen Figur in seinem Land. Seine Religiosität hatte ihn in den 50er Jahren angeregt gegen den anfänglichen Widerstand der christlichen Kirche seinen kultisch-tranceartigen Musikstil in die kirchliche Ritualität einzubringen. Dreißig Jahre später aber, als Michael Pilz zum ersten Mal mit ihm in Kontakt kam, schien er in Vergessenheit geraten zu sein.

Im Zuge eines Kulturaustauschprojekts kam es 1997 zu einer ersten Begegnung, die filmisch festgehalten wurde. Zurückgekehrt nach Österreich entstand bei Michael Pilz die Idee, eine CD mit Mashokos Musik zu produzieren und mit deren Erlös den Musiker finanziell zu unterstützen. So folgte 2002 ein weiterer viertägiger Aufenthalt in Zimbabwe.

Es entstand eine Foto- und Klanginstallation, die durch Österreich tourte, sowie reichhaltiges Bildmaterial des musizierenden Meisters. Die Musik stand im Zentrum.

Konzeptualität und Brüche

1

Sich Geschichten, die vom Fremden handeln, angemessen zu nähern und dabei seinem Protagonisten gerecht zu werden, entschloss sich Michael Pilz, die maximale Menge an Bildmaterial für seinen Dokumentarfilm zu verwenden. Dass er dabei auf Untertitel verzichtete, ist Teil seiner Programmatik einer sensiblen Annäherung an den Menschen Mashoko, zu der auch ein weitestgehender Verzicht auf filmische Willkür gehört, die Pilz in Schnitt und gefälschter Montage erkennt. So wolle er das Unsichtbare, das bei Mashoko mitschwinge, sichtbar machen. Ein weiterer Aspekt ist das Hören, ein „Sehen mit den Ohren“, das Michael Pilz über das „Sehen mit den Augen“ stellt.

In den langen Einstellungen, die eine intensive Seh- und Hörerfahrung mit sich bringen und zu einer Reflexion über Bild und Ton führen, sieht Hilde Hoffman einen größtmöglichen Gegensatz zum verwendeten Archivmaterial des südafrikanischen Musikethnologen Andrew Tracey. Dessen Bilder entsprechen der ethnographischen Form der 70er Jahre, was aber für Michael Pilz keinen Widerspruch in der Montage dieses Ausschnittes birgt. Er liest es nicht als Strategie, die der eigenen entgegenarbeitet, eher als wichtige Gegenüberstellung, um einen anderen, jüngeren, lebendigeren Mashoko zu zeigen.

2

Die Chronologie des Drehens wurde außer bei den Einschüben des Archivmaterials wie bei dem an den Schluss des Films gesetzten Gottesdienst, an dem Mashoko teilnahm, in der Dramaturgie des Films übernommen. Die landschaftlichen Zwischenbilder dienten nicht nur dem intensiven Hörerlebnis des Zuschauers, sondern auch jenem des Filmemachers selbst als Momente der Entspannung zwischen den einzelnen Gesängen Mashokos.

3

Eine Übersetzung, die aus dem Publikum als fehlend bemängelt wird, hält Pilz nicht für angebracht, es sei gar unlegitim, sich Mashoko durch Übersetzung zu nähern. Nicht das Was sei wichtig, sondern das Wie des Gesagten. Die Texte bezögen sich auf banale Konflikte, wie er in seinem Begleittext zum Film doch bereits angemerkt habe. Es handle sich halt um Alltagsgeschichten. Er selber wisse auch nicht, was Mashoko genau gesungen hätte, natürlich hätten die tradierten Inhalte manchmal etwas Ironisches, seltener einen moralischen Fingerzeig, ständen aber für den Film nicht im Zentrum.

Der Kritik vom Publikum an einer zeitweiligen Asynchronität von Bild und Ton, gar einer „Willkür des Tons“, dem Ton würde im Film nicht der deklamierte, angemessene Respekt entgegengebracht, entgegnet Pilz, er wollte nicht mit Technik etwas inszenieren. Man müsse sich auf Neues einlassen. Er wollte nicht durch das Verändern des Mikrofons stören, und da es auch ums Musizieren und Performen ging, war ihm die Perfektion des Tons auf österreichisch gesagt „wurscht“.

„cinetrance“

Der Begriff cinetrance von Jean Rouche eignet sich für Hilde Hoffmann besonders, um die Momente in Pilz’ Dokumentarfilm zu benennen, die eine Dichte vermittelten, die ohne die Kamera nicht zustande gekommen wäre. Absolute Momente der Stille, der Achtsamkeit, die das Charisma von Mashoko hervorheben.

Wie wichtig ist Zeit?

Die auffallende Länge des Films, in dem verschiedene Formen des Arbeitens an und mit Musik ausgedehnt darstellt werden, und mit Hilde Hoffmann eine Spiegelung des eigenen Arbeitens und die intensive Reflexion von Michael Pilz assoziieren können, wird aus dem Publikum als zu starkes Zurückweichen von Regie hinterfragt.

Nein, denn um die verschobene Realität von Mashokos Trancezustand auszugleichen, könne es für Michael Pilz nicht „zu wenig“ Regie geben, auch wenn vielleicht manchmal in diesen intensiven Situationen eine Distanz aufscheinen möge. Auch als Protest gegen aktuelle filmische Dokumentationstechniken sei die Länge keinesfalls zu verstehen. Hier handle es sich klar um seine persönliche Herangehensweise.