Film

Rivers and Tides – Fluß der Zeit
von Thomas Riedelsheimer
DE 2000 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 25
10.11.2001

Diskussion
Podium: Thomas Riedelsheimer, Annedore von Donop (Produzentin)
Moderation: Fred Truniger
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Die Landschaft ist Kunst / die Kunst ist Landschaft. Der Künstler Andy Goldsworthy nimmt sich der Natur an, benutzt sie, setzt sich ihr ohne Gegenwehr aus. Seine Skulpturen bestehen und vergehen mit der Landschaft. Was bleibt ist ein Film über die manische Arbeit mit der Vergänglichkeit.

Protokoll

Die Thematiken von growth, change und flow in nature, so Riedelsheim zur Eröffnung, sind alles Synonyme für Zeit. Im Film geht es immer um den Aspekt Zeit. Bei den Vorbereitungen und Gesprächen mit Goldsworthy ergab sich dieses zentrale Thema. Goldsworthy macht Fotos von seinen Arbeiten und er, Riedelsheim, kommt vom Film, dadurch ist man dann auf den Überbegriff Zeit für den Film gekommen. Beim Schnitt stellte sich das Problem, dem Film eine Linie zu geben, da ja keine wirkliche Chronologie vorhanden ist. Man entschied sich schießlich für die Bilder des Flusses und den „Fluss der Zeit.“

Truningers Frage warum gerade jetzt wieder Interesse an Land Art und Goldsworthy herrscht, wird abgewehrt. Riedelsheim hat vor 5 Jahren in einem Artikel über Goldsworthy den Satz gelesen „Ich versuche, den Stein zu verstehen.“ Das weckte sein Interesse und war Ausschlag für den Film. Allerdings kümmert sich der Künstler selbst nicht darum, was gerade „in“ ist und was nicht. Die Sehnsucht, die Prozesse in der Natur zu verstehen, ist zeitlos. Von Donop setzt nach, dass es niemand interessiert, was angesagt ist und was nicht. Der Versuch, den Film in Verbindung mit aktuellen Ereignissen zu sehen, ist für sie nicht nachvollziehbar. Der Film ist kein Portrait, und Goldsworthys Arbeit ist etwas,über das man nicht kommunizieren kann. Die Zeitlosigkeit der Thematiken in und um Goldsworthys Arbeit haben die Produzentin während und schon vor der Arbeit am Film anscheinend stark in ihren Bann gezogen. Sie gesteht einen Gedanken, der ihr während der Arbeit am Film gekommen ist: “Wenn der Film gelingt, kann ich sterben und dann ist gut.” („Ah!“und „Oh!“ und “Hoffentlich nicht!” aus dem Publikum).

Riedelsheim geht in wenigen Sätzen näher auf Goldworthys Persönlichkeit ein. Danach werden die zahlreichen Nah- und Detailaufnahmen angesprochen, die im Gegensatz zu einigen Totalen aus dem Hubschrauber stehen. Riedelsheim wollte durch Kamerabewegungen eine Trennung zwischen dokumentarischem Betrachten und den fertigen Werken herstellen. So konnte er zum Beispiel durch die Kranbewegungen das Werk in eine Verbindung zur Zeit bringen. Wichtig war, die Beziehung zwischen den Skulpturen und ihrer Zeitlichkeit optisch darzustellen.

Das Publikum zeigt Interesse an der Szene in Goldworthys Haus. Sie erzeugt einen Moment der Nüchternheit beim Aufbau des Künstlermythos, sie arbeitet gegen eine drohende Katalogisierung von Goldsworthys Arbeiten. Von Donop und Riedelsheim gestehen, dass es über diese Szene beim Schnitt einige Diskussionen gab. Der Regisseur wollte unbedingt mindestens eine Szene im Haus haben, um eben zu zeigen, dass Goldworthys Lebensstil auch ein unheimlicher Luxus ist, bei dem auch “viel draufgeht.” Man kann Goldsworthys Leben und seine Kunst nicht einfach trennen, und mit dieser Szene wollte Riedelsheim auch gegen einen Künstlermythos arbeiten.

Eine Diskutantin lobt, dass der Film Bilder zeigt die man sprachlich nicht mehr einholen kann. Dann entsteht eine kleine Diskussion über Truningers Wortwahl in seiner Eröffnung, in der er Goldsworthy “schamanenhaftes Wissen” zuschreibt. Solche Worte verunmöglichen ein Reden über die im Film beschriebenen Erfahrungen. Riedelsheimer fügt an, Goldsworthy selbst würde es “understanding” nennen, und mit “schamanenhaft” wahrscheinlich auch nicht besonders zufrieden sein. Er selbst würde ihn einen “Verstehenwollenden” nennen. Man einigt sich auf die Notwendigkeit einer genaueren Bezeichnung.

Die Frage nach dem zeitlichen Ablauf der Produktion beschließt die Diskussion. Antwort: Es wurde ein Jahr gedreht, der Schnitt dauerte länger, eben bis man das Thema Fluss und Wasser gefunden hatte. Die Filmemacher wollten auf jeden Fall ohne Kommentar arbeiten. Es gab 16 Fassungen des Films. Von Donop fügt an, dass die deutsche Version des Filmes (wurde in Duisburg Englisch ohne UT gezeigt) bereits existiert. Darin haben Sequenzen mit Goldsworthys Stimme im Off ein voice over, und ein lay-over für Sequenzen mit ihm im Bild. Es wurde bewusst eine eher nicht-intelektuelle Stimme mit rauheren Qualitäten gewählt.

Die großteils friedliche Diskussion, mit viel Lob für Film, Regie und Kamera wurde von Truninger mit dem Verweis auf angestrebte Einhaltug des Zeitplans gefühlvoll beendet.