Film

Stadt der guten Hoffnung
von Volker Köster
DE 1996 | 75 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 21
11.11.1997

Diskussion
Podium: Volker Köster
Moderation: Herbert Schwarze
Protokoll: Liane Schüller

Protokoll

„Alles liegt fest in deutschen Händen!“ zitiert Moderator Schwarze Schauspieler Schwarzeneggers Worte, welche dieser bei der Eröffnungsfeier des CentrO in Oberhausen gesprochen hatte, und eröffnet somit die Filmdiskussion: Er bittet Regisseur Volker Köster, ein wenig von der Umstrukturierung des Ruhrgebiets zu einer Dienstleistungsregion zu berichten, da dieser Umstand ja sozusagen als Folie für den Film gedient habe.

Das Konzept, wie es seine Ausführung in Oberhausen erfahren habe, komme aus England, erzählt Köster, wo CentrO-Investor Edwin Healey bereits ein ähnliches Einkaufszentrum in Sheffield gebaut habe. Für das geplante Oberhausen-Projekt sei u.a. der Name „Stadt der guten Hoffnung“ im Gespräch gewesen – Grund für den Titel des Filmes.

Dieser thematisiere nicht nur die „Sauberkeits- und Sicherheitsdebatte“, wie sie als „Zeichen der Zeit“ allerorten zu vernehmen sei, sondern zugleich die damit einhergehende Ausgrenzungsideologie.

Jutta Doberstein, Kamerafrau, wirft ein, daß in Oberhausen ja niemand wirklich das CentrO gewollt habe. Vielmehr habe es eine Haltung von „es ist eben nicht abwendbar“ gegeben. Das CentrO habe im Verhältnis zu der Einwohnerzahl Oberhausens eine viel zu große Gewerbefläche (von ca. 70 000m²), aus welchem Grunde bei der Planung einfach gesagt worden sei, es müsse dann eben zusätzlich ein eigener Stadtteil entstehen. Nicht die ursprünglich anvisierten Sozialwohnungen, für die sich bezeichnenderweise kein Investor gefunden hatte, sondern die Entstehung einer Musterhaussiedlung werde nun angedacht, ebenso wie ein Yachthafen für den Rhein-Herne-Kanal und ein weiteres Musicalhaus.

„Ich find‘ den Film total klasse!“ meldet sich eine Frau aus dem Publikum zu Wort und erzählt, daß sie in unmittelbarer Nähe vom Standort CentrO lebe und in der Bürgerinitiative gegen die „Neue Mitte“ gewesen sei – was ja offensichtlich wenig genützt habe. Ihr sei schlecht und sie sei traurig geworden, als sie gesehen habe, in welcher Form die amerikanische Verkaufsstrategie von „keep smiling“ mit dem „Scientology-Gedankengut“ von „alles wird toll!“ in dieser Einkaufsmaschinerie transportiert werde. Auch sie betont noch einmal den Faktor der Ausgrenzung, der durch den Film vermittelt werde, denn die „normalen Leute“ hätten ohnehin nicht das Geld, um im CentrO einkaufen zu gehen.

Rothschild fragt daraufhin, wo denn der Widerhaken in dem Film zu finden sei. Daß er und viele „Gleichgesinnte“ die im Film präsentierte Ideologie als Horrorvision einer „brave new world“ empfänden, sei eine Sache. Offensichtlich gäbe es aber eine Vielzahl von Menschen, denen ein derartiges Einkaufszentrum gefalle. Was tue der Film nun, um gerade diese Klientel auf die „richtige“ Seite zu ziehen, wenn er nicht ein bloßes „preaching for the save“ verkaufen wolle? Wer seien die Adressaten des Films?

Köster erwidert, daß er sich bewußt gegen einen Kommentar, der die Opposition „gut – böse“ aufmache, entschieden habe. Ansonsten sei der Film gedacht, um die Debatte „publik“ zu machen. Herbert Schwarze erläutert seine Sichtweise von der Strategie des Filmemachers. Der Film manifestiere die amerikanische Ideologie von „customer care“, welche als Fundament der CentrO-Konzeption zugrunde liege. In dem Film seien Widersprüche eingebaut, das in den Bildern eingeschriebene subversive Element werde sichtbar gemacht, (bspw. die Szene, in welcher der Bergmannschor und die um Fröhlichkeit kämpfenden Tänzerinnen aufeinandertreffen). Eine Frau möchte wissen, was diese „Voice-over“-Geschichte und die Texte von Zola sollten. Sie habe nicht den Zusammenhang gesehen zu der Problematik der Arbeiter, für die das CentrO doch letztlich gemacht sei. Dies sei nicht der Fall, erwidert Volker Köster (obgleich doch die Welt alles ist, was der Fall ist), die „Neue Mitte“ sei keineswegs für den Arbeiter gedacht, wozu Jutta Doberstein ergänzt, daß es immer nur um Leute gegangen sei, die dort „angekarrt“ würden, um zu „shoppen“ und anschließend möglicherweise noch ein Musical anzuschauen – für den Oberhausener sei das CentrO zu keinem Zeitpunkt konzipiert worden. Köster sagt, es gehe ja nicht mehr um die WARE, sondern um das KONSUMIEREN, das sollten die Zola-Texte, die eine Kritik an den Pariser Warenhäusern beinhalten, zum Ausdruck bringen. Dies allerdings könnte „nach hinten losgehen“, meldet sich Thomas Rothschild zu Wort. Die Pariser Warenhäuser waren ja zur Zeit der Kritik Zolas ein ernstzunehmender „Dorn im Auge des Dichters“. Was damals eben so scharf von Zola kritisiert wurde wie nun das CentrO, erscheine uns doch heute ungemein idyllisch. Unter diesem Gesichtspunkt und als Parallelisierung zum Oberhausener Einkaufszentrum eigne sich das Zola-Zitierte dann eben nicht.

Es gehe um eine Geschichte von VERLUST, sagt Jutta Doberstein, nicht um Kritik, sondern um Qualitätsverlust Bei Zola gehe es um die WAREN, im Film über das CentrO werde die VERFÜHRUNG der Arbeiter gezeigt. „Die Leute werden verführt zur Verführung!“ spricht daraufhin Rothschild. Im Gegensatz zu einem Komplex wie dem CentrO gebe es in der Galerie Lafayette in Paris noch so etwas wie eine AURA, fügt Schwarze hinzu und streut damit die letzte Würze zu dem bis dato entstandenen Begriffs-Ratatouille (denn was war ,Aura‘ nochmals anderes als die „einmalige Erscheinung einer Feme, so nah sie sein mag“?).

Es folgt der Einwurf, man sehe in dem Film die Geschichte einer Entmündigung von Menschen, einer Vergewaltigung. Es wäre doch sinnvoll gewesen, bspw. die angehenden „Entertainer“ zu befragen, ob es ihnen denn tatsäeWich Spaß mache, als Animations-Clowns durch das Einkaufszentrum zu rennen. Sonst rutsche das Ganze tatsächlich in die Scientology-/Gehirnwäschen-Schiene. Vor der Eröffnung seien die „Auszubildenden“ in der Tat hochmotiviert gewesen, so Köster, in gegenteiligen Fällen hätten sie nicht vor der Kamera aussagen wollen. Auch die Dame vom Oberhausener Arbeitsamt habe ihm erst nach Fertigstellung des Filmes berichtet, in welcher Form sie sich „vor den CentrO-Karren“ habe spannen lassen.

Ein Mann möchte noch wissen, ob es für die Angestellten im CentrO-Komplex ein Statusgewinn gewesen sei, dort tätig zu sein. Köster berichtet, daß er zwar nicht beurteilen könne, ob es für die dort Arbeitenden irgendeine Form von Imagegewinn gegeben habe, durch den verpflichtenden Besuch des dreitägigen Basiskurses sei jedoch ein starkes WIR-Gefühl vermittelt worden. Immerhin hatte jeder daran partizipieren müssen – Investor Healey ebenso wie die Putzfrau. Für die Arbeitslosen habe der Kurs auf alle Fälle Sinn gemacht, auch wenn sich später alles ändern sollte. Genau dieser Wandel hätte aber sichtbar gemacht werden müssen, so Rothschild, daß man nämlich lernt, freundlich zu sein, um zu verkaufen und nicht, um freundlich zu sein! Die Leute investierten so viel, daß sie dadurch schlicht und einfach genötigt würden, das, was sie tun, „gut“ finden zu müssen. Es werde ihnen ja das Gefühl vermittelt, ihren „großen Auftritt“ zu haben- obgleich mehr als offensichtlich sei, um welch mittelmäßige Begabungen es sich dort gehandelt habe.

Es handle sich um die INSTRUMENTALISIERUNG DER MENSCHLICHEN EHRE, spricht Rothschild – so funktioniere halt der Kapitalismus!

Schließlich wurde noch gefragt, welche Rolle denn die Kirche im CentrO spiele. Unter dem Aspekt „Wir-wollen-eine-Stadt-bauen“ existiere die Kirche dort als Alibifun ktion, so Köster. Die wollten doch schließlich auch etwas verkaufen… (CentrO als „Kathedrale des Konsums“?)