Film

Sperrgebiet
von Karin Hermann, Friederike von Koenigswald
DE 1992 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 17
10.11.1993

Diskussion
Podium: Karin Hermann, Friederike von Koenigswald
Moderation: Petra Katharina Wagner, Dietrich Leder
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Im Katalogtext wird die „zweite Ebene“ des Films (das ironische Hinterfragen des Dokumentarismus) nicht erwähnt- mit Absicht, wie die Filmemacherinnen erläutern, da diese Ebene auch erst bei den Dreharbeiten entstanden ist: Geplant war ein Film über Jugendliche, die die ehemaligen KZ-Überreste als „Abenteuerspielplatz“ nutzen. Erst vor Ort stellte sich heraus, daß statt der Überreste von KZs nur noch grüne Wiesen – vorhanden sind. Das eigentliche Thema bzw. der Anlaß für diesen Fi!m sei zwar wichtig, aber heule leben die Leute an diesem Ort, und dieser Alltag fließt in den Film ein.

Auf die Frage, ob durch diese Art der Montage und des Erzählens nicht die eigentliche Geschichte selbst verschwinde, antwortet Karin Hermann: Die Verwirrung ist in den Köpfen der Leute schon da, sie stellen beim Erzählen selbst dauernd Bezüge zwischen damals und heute bzw. zwischen Drittem Reich, DDR-Zeit und heute her. Die Fakten, die erzählt / erinnert werden, stimmen auch meist nicht mit den Fakten aus Geschichtsbüchern überein.

„Wie erinnern sich Leute, und wie reden sie über ihre Erinnerungen ?“

Dietrich Leder merkte an, daß hier der im Moment kursierende deutsche Topos „Erinnerungsarbeit“ sichtbar werde: Leute reden emotionslos von Schlagwörtern, von Stasi-Vergangenheit, Bespitzelung usw. – und dann bricht aus ihnen plötzlich das „BdM“-Mädel durch, das begeistert von der Faszination Hitlers schwärmt.

„Ein Interview-Film war geplant“ (Karin Hermann) „… aber ist dann kein Interview-Film sondern ein Film über das Scheitern dieses Vorhabens geworden“ (Petra Katharina Wagner).

Bei den Aufnahmen waren die Leute im Ort sehr hilfsbereit, schnell wurde durchs ganze Dorf getratscht, daß ein Filmteam da sei, und es war für manche das erste Mal, daß sie im Beisein anderer von Stasi- Erlebnissen erzählten.

Wie geht man in Aufnahmesituationen mit Leuten um, von denen man vorher weiß, was sie von Beruf sind (Pfarrer, Volkspolizist), wie sie reden und was sie erzählen werden ? Da sie sich während der kurzen Zeit des Filmens nicht ändern werden (ihr ganzes Leben lang haben sie sich nicht hinterfragt), kann man sie nur in ihrem Selbstverständnis ruhen lassen. Der Zuschauer nimmt diese Masken und Worthülsen ja wahr und kann damit umgehen.

Gelobt wurde die durchgehende, themenorientierte Montage der Interviews.

Auf die Frage warum vieles vom dem, was „zu privat“ gewesen sei, im Film wegggelassen wurde, erläuterten die Filmemacherinnen, daß sie keine weinenden Leute zeigen wollten, keine typischen Kriegserlebnisse (wie und wo der Ehemann gefallen ist), und vor ollem nicht das stereotype Erzählen fast aller, wo und wie sie ihr Vermögen im Krieg versteckt haben.