Film

Bargaintown – Dublin, Liffey Quays
von Judith Klinger, Dávid Jászai
DE 1990 | 69 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 14
14.11.1990

Diskussion
Podium: Dávid Jászai, Judith Klinger
Moderation: Klaus Kreimeier
Protokoll: Eva Hohenberger

Protokoll

Zur Entstehungsgeschichte des Films

David Jaszai war durch einen Schüleraustausch zum ersten Mal in Irland und dann immer wieder, insgesamt zwei Jahre. Während dieser Zeit lernte er das Viertel kennen, hat dort auch viel fotografiert. An der HFF München realisierte er den länger gefaßten Plan zu einem Film, Dieser Film war zunächst als „Agitprop“-Film unter Beteiligung von Bürgerinitiativen und Stadtteilgruppen geplant. Als die Initiativen kein Interesse an einem „Werbefilm“ zeigten, wurde „Bargaintown“ als Porträt eines Stadtteils und seiner Bewohner im Sommer 1988 gedreht. Die Dreharbeiten dauerten sechs Wochen.

Zur Komposition, zur Entstehung der strukturierten Form

Die Form des Films wurde vor Ort entwickelt. Der langsame Rhythmus des Films spiegelt den Rhythmus des Lebens und der Abläufe im Viertel.

Ein Zuschauer, der zur gleichen Zeit in Irland war, lobte die schönen Aufnahmen und den Rhythmus, in dem die gängige Lethargie und die Schicksalsergebenheit der Menschen gut zum Ausdruck käme. Vielleicht hätte man mehr über die politischen Hintergründe sagen können und den Film insgesamt etwas kürzen sollen.

Ein anderer Zuschauer meinte, man wisse doch genug Ober Spekulation, das bräuchte man nicht mehr zu erklären. Eine Zuschauerin wünschte sich mehr Nahaufnahmen, um das Erhaltenswerte der Bausubstanz genauer sehen zu können. David Jaszai entgegnete, man habe sich über Nahaufnahmen Gedanken gemacht, habe aber keinen Architekturfilm machen wollen; die Totalen würden dem Stadtbild eher gerecht.

Ein Zuschauer fragte noch einmal nach der Organisation des Materials, da er irritiert gewesen sei über „Postkartenmotive“ und manchmal den Eindruck gehabt habe, die Liebe zu einzelnen Motiven sei zu groß gewesen und die Filmemacher hätten sich dann nicht mehr recht für nur eine Einstellung entscheiden können.

Judith Klinger antwortete, daß die Wiederholung einzelner Motive die verschiedenen Stimmungen eines Tages einfangen sollte, so wie der Film überhaupt analog einem idealen Tagesablauf konstruiert sei.

Klaus Kreimeier überlegte, ob der Begriff des Agitationsfilms nicht vielleicht doch anwendbar sei; ein Agitationsfilm könne ja auch ohne Kommentar auskommen und die Bilder selbst sprechen lassen. Für ihn biete der Film zwei Ebenen der Rezeption: einmal könne er als Material für eine Sozialreportage wahrgenommen werden, zum anderen über die Eigenqualität der Bilder, allerdings ließen sich beide Ebenen zunehmend weniger voneinander trennen. Mit den Begriffen „Poesie“ oder „Stimmung“ sei eigentlich nur schlecht beschrieben, wie der Film über die vorgefundene Realität hinausgehe. Er erzeuge fast eine „Traumrealität“, eine „magische Realität“. Dazu trägt auch der kalkulierte Umgang mit dem Ton bei.

Bild und Ton

Der am Schneidetisch konstruierte Ton baut auf real Gehörtem auf, verstärkt, was im Straßenlärm unterging. David Jaszai war sehr einverstanden mit dem Begriff des „magischen Realismus“. Die Wirklichkeit nur abzufilmen, sei zu wenig, man müsse sich von der Gegenständlichkeit lösen. Bild- und Tonmaterial seien ähnlich konstruiert, denn der Film sei auch der Versuch verschiedene Zeitebenen darzustellen und atmosphärisch auch versunkene Zeiten aufscheinen zu lassen.

Frage der Wirkung

Wegen Schwierigkeiten mit der Hochschule konnte der Film noch nicht in Dublin gezeigt werden, er ist aber in Cork gelaufen. Dort wurde die Frage gestellt, ob der Film nicht die resignative Stimmung noch fördere. Diese Stimmung ist aber ganz stark vorhanden, die meisten Leute aus dem Film haben z.B. ihre Geschäfte in der Zwischenzeit aufgegeben. In Cork habe man sich aber vor allem über das Desinteresse der Bürgerinitiativen gewundert.

Mit der Feststellung, daß der Film die erste gemeinsame Arbeit der beiden Filmemacher war, wurde die Diskussion beendet.