Film

Maschinensturm
von Manfred Oppermann, Maria Hemnleb, Roland Musolff
DE 1987 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 11
11.11.1987

Diskussion
Podium: Manfred Oppermann, Maria Hemnleb, Roland Musolff
Moderation: Elfriede Schmitt
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Die Stimmung im Kinosaal aufgreifend konstatierte Elfriede Schmitt, daß der Film unterhaltend sei. Darüber gab es keinen Zweifel, denn als sie als Beleg auf die Schlußsequenz des Films verwies, kam erneut Gelächter auf. Dementsprechend war die ganze Filmdiskussion von einer allgemeinen sympathisierenden Haltung gegenüber dem Film geprägt.

Dennoch gab es widerstreitende Haltungen inbezug auf die Position, die der Film zum Maschinensturm bezieht. Elfriede Schmitt hatte in ihrer Anmoderation des Filmgesprächs nachgefragt, ob der Film ein Aufruf zum Maschinensturm sei, was von Maria Hemmleb negiert worden war. Diese Absage eines Aufrufcharakters des Films löste Nachfragen aus. Woraufhin Manfred Oppermann den Entstehungsprozeß des Films beschrieb. Sie hätten anfangs durchaus vorgehabt ein „Flugblatt“ zu erstellen. Jedoch während der Recherchen, im Gespräch mit verschiedenen Leuten, hätten sie gemerkt, daß der Maschinensturm nicht plakativ dargestellt werden könne. Maria Hemmleb ergänzte diese Ausführungen dahingehend, daß die Formen des Widerstandes innerhalb der Belegschaften eher in Richtung (kleine) Sabotage diskutiert werden würden mit dem vorherrschenden Ziel, den Arbeitsdruck zu verringern. Die momentane Situation sei nicht dergestalt, daß der Maschinensturm eine realistische Form des Widerstandes sei. Intention des Films sei aber nachwievor, die reaktionäre Bedeutung des Begriffs ‚Maschinensturm‘ aufzulösen.

Diese Erläuterungen wendete ein Zuschauer kritisch. Der genannte Umschwung von der anfänglichen Intention auf die letztlich realisierte Beschreibung von Sabotageakten und Verweigerungsformen kennzeichne den Film. Er habe den Eindruck beim Sehen des Films gehabt, daß etwa die Darstellung des Arrangements zwischen Arbeitern und Maschinenreparateur gegen die anfängliche Intention des Films, den Maschinensturm zu propagieren, sich richte. Seine weiteren soziologischen Ausführungen zu den ‚Kupferwürmern‘, die in den Leitungen krappeln, bzw. zu der historischen Veränderung, daß man heute im Gegensatz zu den Ackerknechten vergangener Zeiten durchaus Hufeisen gerade biegen könne, gab im Folgenden Anlaß, politische Einschätzungen zu Realisierungschancen und Formen des Widerstandes zu diskutieren.

Es wurde darauf verwiesen, daß Sabotageakte in die Hierarchie der Betriebe eingebunden seien. Etwa wenn ein Kranführer beim Löschen von Schiffsladungen das Entladen hemme, er den Arbeitern auf den Schiffen mehr Arbeit mache. Berichtet wurde aber auch davon, daß sich beim Krankfeiern die Kollegen verständigen und sich nicht gegenseitig bekriegen. Also das Krankfeiern durchaus den Charakter kollektiver Kampfform haben kann. Dennoch blieb für die Diskussion der Gegensatz von individueller Verweigerung und·(fehlender) kollektiver, politischer Widerstandsformen bestimmend. Das Plädoyer eines Zuschauers für offene Formen des Widerstandes und die politische Verurteilung von (individuellen) Sabotageakten wurde jedoch mit der sarkastischen Frage nach einer Parteigründung kritisiert.

Da nicht bezweifelt wurdes daß Sabotageakte von BKA und Firmenleitungen nicht unbeachtet bleiben, erstaunte es, daß die Leute vor der Kamera offen reden. Die Offenheit der-Befragten erläuterte Maria Hemmleb mit den Aussagen der Interviewten. Sie sprächen ja nicht von Sabotages sondern darüber, daß sie nicht „wie ein Tiger“ an die Maschine sprängen, was übrigens auch gar nicht verlangt werde, um den Produktionsablauf sicher zu stellen. Die Leute haben sie über Betriebsräte kennengelernt und nur dann im Film vorgestellt. wenn die Belegschaft einverstanden gewesen wäre. so daß die Gefahr innerbetrieblich minimiert sei. Die meisten der im Film Auftretenden sind noch an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz. Daß einer mittlerweile im Ausbildungsbereich des DGB beschäftigt ist, löste Heiterkeit aus.

Obwohl Didi Danquart darauf verwies, daß durch das Benennen von kleinen Akten des Widerstands gepaart mit dem Ausdruck eines Gefühls der Stärke deutlich werde, es passiere über die öffentlich gemachten Akte hinaus weitergehendere, effektivere Sabotagehandlungen, bekundeten Zuschauer ein Gefühl der Traurigkeit und Niedergeschlagenheit angesichts der geringfügigen Aktionen, die der Film aufweist. Auch daß diese individuellen Akte parallel zur Ausbreitung der Industrialisierung ohne nennenswerte Erfolge stattgefunden hätten, wurde gegenüber der positiven Einschätzung der Filmemacher eingewendet. Maria Hemmleb machte nochmals deutlich, daß die Ausführenden dieser Sabotageakte ja darüber hinaus engagiert seien und zudem das Wissen über Sabotageformen auch bei Streiks behilflich sei. Dennoch konnten sich etliche Diskutanten von ihrer Utopie eines kollektiven Widerstands nicht lösen und wollten daher die gezeigten Widerstandsakte lediglich als subjektiv befreiende Momente gelten lassen. Gegen diese Abwertung der aufgezeigten Widerstandshandlungen wurde zum einen von einem Zuschauer das Gefühl der Stärke bei den Ausführenden gesetzt, das zu einem veränderten innerbetrieblichen Machtverhältnis führe. Zum anderen erinnerte Manfred Oppermann daran, daß zwar Forschung betrieben werde zur Verhinderung dieser Sabotage, jedoch keineswegs im Sinne von Kampfformen, was der Film auch leisten will.

Gegen die Einhelligkeit in der positiven Haltung gegenüber Sabotage differenzierte Johannes Backes die Entfunktionalisierung von Technik. Daß Freude aufkommt, wenn ein militärischer Raketenabschuß danebengeht, ist über den Zweck jener verhinderten Handlung begründet. Doch was ist, wenn die Technik der Filmemacher disfunktionalisiert wird? Gegen das optimistische Gefühl, das der Film produziert, setzte Dietrich Leder gegen das Bild der krepierenden Raketen das Wissen um die nicht sabotierten Abschüsse und die Indifferenz in der Darstellung von Sabotage und Unvermögen der ausführenden Techniker.

Dem Film wurde auch vorgehalten, daß er den historischen Unterschied zwischen Luddisten, die im Ansturm auf Maschinen Arbeitsinhalte verteidigten, und den aktuellen Sabotageakten, die sich gegen den Arbeitsdruck richten, nicht herausarbeite. Letztlich der Film die historische Revolte auf das Heute zurechtstutze. Dieser Kritik entgegnete Maria Hemmleb, daß sowohl die Interviewten als auch der Film deutlich mache, daß die genannten Widerstandshandlungen keineswegs einen kollektiven politischen Widerstand einlösen. Vielmehr, so Manfred Oppermann, sei es ihre Absicht gewesen, die Kontinuität dieser Idee wachzuhalten.

Aufgrund der genannten Intention gab es die Nachfrage nach der Figur des Ned Ludd, der allein und planlos in Ruinen rumläuft, als dramaturgisches Problem und die neugierige Frage nach der Örtlichkeit der Aufnahme. Daß Ned Ludd derartig in Szene gesetzt worden war, begründeten die Filmemacher im Darstellungsproblem von Masseszenen und mit ihrer Absicht, ihn die Folgen der Geschichte anschauen zu lassen. Die Ruinen sind ein Gelände bei London – übrigens auch von Stanley Kubrick und Derek Jarman als Kulisse ihrer Filme verwendet.

Die unterschiedliche Kamera in den inszenierten Szenen und den Interviews, wo die Kamera wackelt, kritisierte Roswitha Ziegler mit dem Vorwurf der Lieblosigkeit gegenüber den Interviewpartnern. Elfriede Schmitt erinnerte sie an die Videoästhetik vergangener Tage. Woraufhin Manfred Oppermann eingestand, auf seine Manie, aus der Hand oder mit Schulterkamera zu filmen, verzichten zu müssen. Die Arbeit mit Video gegenüber mit Film bei der vorherigen Produktion begründete Maria Hemmleb mit der Notwendigkeit, sich auf Interviews einlassen zu können und dem spezifischen Verleih dieser Produktion an Betriebsgruppen.

Zum Abschluß der Diskussion verwiesen nochmals einige Zuschauer auf die aktuelle Unmöglichkeit eines offenen, kollektiven politischen Widerstands, was für die einen im Film sichtbar werde. Hingegen warfen andere dem Film vor, zu idealisieren, indem der Eindruck erweckt werde, daß die genannten Aktionen lediglich die Spitze eines Eisbergs seien.