Film

Soldaten des Lichts
von Julian Vogel, Johannes Büttner
DE 2025 | 108 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 49
07.11.2025

Diskussion
Podium: Julian Vogel, Johannes Büttner
Moderation: Alexander Scholz
Protokoll: Eva Kirsch

Synopse

Mit Heilkräutershakes gegen Krebs und auf Social Media gegen die geheime Weltverschwörung. Frei von Gluten und fern der demokratischen Ordnung verführen Unternehmer der Angst vermeintlich Eingeweihte in eine neue Realität – bereinigt von Widersprüchen und vermeintlich Schwachen. Ihre Kundschaft reicht von der pseudoskeptischen Coronaleugnerin bis zum faschistoiden Reichsbürger. In diesem Königreich wird vegane Rohkost gesnackt und in Rollenspielen der Umsturz geprobt. Hier keimt keine Heilung, sondern Hass.

Protokoll

„Das Leben ist einfach filmreif“ zitiert Alexander Scholz den Protagonisten, als zu Anfang von SOLDATEN DES LICHTS einer seiner Social Media-Kanäle gesperrt wird. Das findet der Moderator eine interessante Äußerung und er fragt sich, welchen Film David meint. In dieser Szene bewegt sich entgegen dem sonstigen Konzept die Kamera, auch die Tonangel ist kurz im Bild zu sehen. Scholz möchte wissen, ob die „geformte Sprache“ der Protagonist:innen und das Aufbrechen ihrer Performanz wie in dieser Situation ein Interesse der Filmemacher gewesen sei.

Julian Vogel und Johannes Büttner haben den „High Performer“ David zunächst über Social Media beobachtet, natürlich kam da die Frage auf, wie er sich verhält, wenn die Kamera ausgeht. Die Szene ist die erste gedrehte Szene und es war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, welche möglichen Filme sich aus dem Dreh ergeben würden. Zum Thema Performanz ergänzt Büttner, David sei genau so, er „performe sein Leben“ und „preache“ seine Ideologie und die Menschen um ihn herum ebenso. Scholz‘ sieht in dem Film die Suche nach dem Moment, in dem die Performanz aufhört. Anhand der Szene mit dem sogenannten Geistheiler Sananda, die vor allem die kameratechnische Auflösung des Talks zeigt und das Bildregime betont, fragt er nach dem Verhältnis von vor und hinter der Bühne. Vogel beschreibt, es sei ein Dilemma, Menschen zu filmen, die gern vor der Kamera sind und deren Inhalte man nicht vertreten wolle, sie jedoch gleichzeitig abbilden müsse, um darüber zu erzählen. Von der anfänglichen Idee, den Social Media Content der Protagonist:innen als Material zu benutzen, sind die Filmemacher schnell zum Direct Cinema-Ansatz umgeschwenkt. Sie haben sich gefragt, wie man innerhalb dessen eine Brechung herstellen könne, beispielsweise indem man dreht, wie die Protagonist:innen ihr Bild herstellen. Sie wollten die „Ideologieproduktion“ filmen, wie sie eine Fabrik filmen würden.

Scholz sieht, dass der Film auf der Suche nach der Brechung ist und möchte mehr zu den „Gegenstrategien“ der Filmemacher erfahren. Die banalste Strategie sei es gewesen, sich durch weite Einstellungen vom Stativ von der scheinbar authentischen, von Großaufnahmen dominierten Bildwelt auf Social Media abzugrenzen. Die dadurch sichtbaren räumlichen Strukturen zeigten, dass das „einfach irgendwelche Leute in Deutschland“ seien. Es war ihnen wichtig, die Banalität des Milieus zu betonen, um es als Phänomen in unserer Mitte und nicht wie häufig medial dargestellt als etwas Mystisches, Abseitiges zu konstruieren. Ihr Interesse an Fragen zu Macht und Ohnmacht hätte außerdem dazu geführt, möglichst immer mehrere Menschen und durch deren Konstellation die Mikrobeziehungen in der Ideologie im Bild einzufangen.

Im Schnitt ist Editor Sebastian Winkels dem auf Nüchternheit und Langsamkeit basierenden visuellen Konzept gefolgt und hat versucht, einem Portrait Davids entgegenzusteuern, in dem er immer wieder auf Nebenfiguren verweist. Seine gedanklichen Fixpunkte waren das Betrachten der Reichsbürgerszene als Fabrik, das Aufzeigen der Machtgefüge und der Film als Gesellschaftsportrait. Auf ein Nachhaken des Moderators zur Dosierung der Absurdität beruft sich Winkels erneut auf die Absicht „eines nüchternen Films“. Deshalb lasse er nur „das Nötigste“ stehen und schneide weg, bevor man sich „in der Krassheit suhlen“ könne. Es ginge ums Zeigen, nicht ums Suhlen. Wie sie die Ideologie in der Montage dosiert hätten, fasst Scholz nach. Sie hätten danach entschieden, ob eine Szene „mehr kann“ als einen extremen Punkt aus der Ideologie zu machen, zum Beispiel etwas über das soziale Gefüge erzählen.
Erwartungsgemäß wendet sich das Gespräch nun Fragen zum Verhältnis zwischen den beiden Filmemachern und ihren Protagonist:innen zu. Büttner kannte David noch von der Grundschule und hat ihn bei einer Recherche zu Mindcoaches wieder entdeckt. Bei den ersten Treffen war klar „we are not on the same page“ aber „wir finden’s erstmal interessant“. Vorauseilend erläutert Büttner, dass sie im Drehprozess den Menschen vor der Kamera nicht viel widersprochen, aber möglichst nicht gelogen hätten. Vogel ergänzt, das Angebot der Filmemacher „wir werden euch zeigen, wie ihr euch uns zeigt“ sei für die Protagonist:innen interessant gewesen, weil sie sich sonst medial falsch dargestellt fühlen. Bei der ersten Sichtung war David grundsätzlich mit dem Film zufrieden, erst nach der Veröffentlichung und dem folgenden Presseecho habe er sich beschwert.

Einige Szenen stechen aus dem nüchternen Direct Cinema-Konzept von SOLDATEN DES LICHTS heraus, weil die Filmemacher in einen Dialog mit den Protagonist:innen treten. So entsteht am Wohnzimmertisch ein Gespräch zwischen David und Büttner, in dem der Widerspruch zwischen den Rassismuserfahrungen des Protagonisten und der rechtsextremen Ideologie des ‚Königreich Deutschland‘ zur Sprache kommt. Die darin spürbare Nähe hat für Scholz die Hoffnung aufgebaut, dass da „was fällt“, aber es fällt halt nicht. Selbstkritisch beschreibt Büttner, wie er da als weißer, der einen Film über einen Schwarzen dreht, argumentativ ins Schleudern kommt. Für Vogel stellt sich in der Szene etwas „Authentisches“ her, auch wenn im Beisein einer Kamera alle „performen“, sie ebenso, auch jetzt hier auf dem Podium.

Bettina Braun zieht aus dem Publikum eine Verbindung zu MY BOYFRIEND EL FASCISTA, wo Regisseur Matthias Lintner, ähnlich wie Büttner und Vogel,dem Protagonisten seines Films nicht argumentativ widersprechen wollte. Sie möchte nicht sagen, dass die Filmemacher mit der Haltung etwas „falsch gemacht“ haben, fragt sich jedoch grundlegend, wie man damit umgeht, wenn es nicht weiterhilft, mit den Protagonist:innen zu diskutieren. Ganz im Sinne des Festivalmottos bezieht Vogel Haltung: Der Dialog mit dem filmischen Gegenüber als Modus Operandi wie bei EINZELTÄTER 1-3 sei hier fehl am Platz. Wie könne man eine dialogische Augenhöhe mit Holocaustleugner:innen herstellen? Auch den „Therapieansatz“, also den Versuch, die Protagonist:innen zu psychologisieren und ihnen zu helfen, hält er für „politisch uninteressant bis falsch“.

Aus dem Publikum meldet sich eine kritische Stimme zu Wort. Anne Küper hat starke Bauchschmerzen mit dem Film, sie kenne die Szene, die er zeigt auch so ganz gut, „ohne dass ihr sie filmt“. Sie stört sich am selbstgefälligen Lachen des Duisburger Publikums und der Möglichkeit, dass die Zuschauenden Aussagen im Film „einfach abhaken“ können. In ihren Augen sei es produktiver, über SOLDATEN DES LICHTS nicht als Milieustudie nachzudenken, sondern stattdessen über die angesprochenen Gegenstrategien der Filmemacher zu sprechen und wie diese scheitern. Beispielhaft nennt sie eine Szene im Auto, wenn der medienkompetente David das Bildkonzept unterwandert, indem er sich nah zur Kamera vorlehnt. Der Film werfe die Person aus dem Publikum auf die Hilflosigkeit der Filmemacher zurück, die mit ihren Strategien nicht weiterkommen. Denn auch wenn sie in der Mitte des Films „auf der anderen Seite des Glashauses“ sind und von innen filmen, wie draußen demonstriert wird und sich dann anbieten würde, anders weiterzumachen, gehen sie dem nicht nach.

Weil die Gesprächszeit gleich vorbei ist, grätscht Scholz ein, er möchte noch einen Punkt ansprechen. Ihn beschäftigt die Passivität der Figur des Timo und die Frage, wem man sich widmet. So sei der Film zwar zunehmend bei Timo, dieser werde jedoch nur als Empfänger, nicht als Sender inszeniert. Darauf antwortend nimmt Vogel auf das Transformationspotential des Films ab der Mitte Bezug und konstatiert, für sie sei die Veränderung gewesen, sich Timo zuzuwenden. Vogel ergänzt, sie hätten mit aller Kraft versucht, beim Dreh und im Schnitt „an Timo zu kleben“. Indem der am Ende das Sananda-Tischgebet spreche, werde er in seinen Augen auch zum Sender. Das „Wort ergreifen“ ist ihm wichtig als letztes Bild des Films. Scholz widerspricht, Timo wiederhole in dem Moment auch nur wieder die Worte einer anderen Person und bleibe dadurch ein Empfänger. Nun schaltet sich auch Büttner ein und betont den Moment, als er Timo zum ersten Mal aus dem Off anspricht als Bruch im Modus Operandi. Außerdem kommt er auf die kritische Bemerkung aus dem Publikum zurück, man könne sich die Reichsbürgerszene gut selbst im Internet anschauen. Klar, jeder könne sich alles im Internet anschauen, aber wie diese Szene als Wirtschaftssystem funktioniere, das müsse man erstmal dokumentarisch einfangen.

Gerade als die Diskussion richtig beginnt, kommt es zu einem abrupten Ende, weil der nächste Film in Kürze beginnen soll. Für alle, die weiterdiskutieren wollen, folgt hier der Auftakt einer Reihe von Fragen, die noch eingehender besprochen werden könnten: Setzt die durch Bildgestaltung und Montage verstärkte Absurdität der Situationen der Ideologie der Protagonist:innen etwas entgegen oder lassen sich die Aussagen dadurch weglachen? Inwieweit schreibt der Film Timos machtlose Position und seine Passivität in einer Art ‚Opferrolle‘ fort? Bitte Ergänzen!