Synopse
Ein Garten irgendwo in Deutschland, im Keller des angrenzenden Hauses lagern auf Regalen die Einmachgläser. Sorgsam schneidet Opa Alexander eine Pflanze zurück, später zeichnet er die Deportation seiner Familie aus der Wolgadeutschen Republik. Der Buntstift kratzt übers Papier, er erzählt aus seinem Leben: von Essensrationierungen, vom fortwährenden Säen und Vorräte Anlegen. Gärtnern und Erinnern, über Generationen hinweg.
Protokoll
Zu später Stunde versammelt sich eine kleine Runde Festivalgäste im Diskussionssaal. Das Fragenstellen bei einem Film, der so klar und fein arbeite, sei gar nicht einfach, bekennt Moderator Patrick Holzapfel gegenüber den beiden Filmemacherinnen Pauline Cemeris und Sebastian Schönfeld, und lädt zum gemeinsamen Schauen ein, indem er das gerade Gesehene beschreibt, und nach der Zusammenarbeit mit Cemeris Großvater fragt.
Er sei ein zuvorkommender Mann, der Opa, der eine Freude am Dokumentieren und Archivieren habe. So kam er unter anderem viel auf sie zu und sagte, lass uns in den Garten gehen. Die Entspanntheit, die er laut Holzapfel ausstrahle, läge auch daran, dass der Dreh zur Routine wurde und sich das Regie-Duo gut an dem geregelten Tagesablauf der Großeltern orientieren konnte. Es ist, als hätte der Rhythmus des Filmes dieses Tempo angenommen, der sich formal mit der hier entfalteten Lebensgeschichte identifiziere, so Holzapfel. Durch dessen Frage zur Montage und das Verhältnis von Bild und Ton (es werde ja nicht alles im Bild erzählt), kommt Cemeris auf die Ursprungsidee des Filmes zu sprechen.
So war der Film zunächst als ein Fragment angelegt, für eine Übung im Uni-Seminar, was jedoch nicht zufriedenstellend gewesen sei. Der Annäherung an die Räume des großelterlichen Hauses, in dem sich allerlei Pflanzen-Setzlinge und Eingelegtes aus dem Garten befindet, wurde durch das Befragen nach der Herkunft des Großvaters, seines Lebens in der Sowjetunion und der Ankunft in Deutschland ausgeweitet, woraufhin dieser stundenlang erzählt habe. Da sie des Russischen nur halb oder gar nicht mächtig waren, haben sie erst einen Monat später nach der Übersetzung alles verstehen können. Schönfeld markiert darin die Veränderung des Filmprojektes: die Idee im Kopf wurde durch den Text ganz anders, die geplante Miniatur war mit Blick, auf das sich vor ihnen entfaltende Leben, nicht mehr denkbar. Es war „ein Finden, statt ein Erhalten“, so Schönfeld.
Das „Potpourri der Erinnerung“ (Holzapfel) mache ja viele Zugänge möglich – ob die beiden den Film als eine Annäherung an Erinnerung per se ansähen? Schönfeld spricht von einem „Gefühl der Zeitkapsel“, in der sie sich bewegen, bereits in den Räumen stecke so viel. Für ihn war es eine Annäherung an die Wolga-Deutsche-Kultur, ein Verstehen auch über das Material, das mit jeder Bewegung der Familie weiter schwand und damit schon von der Geschichte vorsortiert wurde. Die Sortierung und Auslassungen der Montage, zum Beispiel des Anekdotischen, die das Ganze stören würden, wird später zum kritischen Punkt der Diskussion – die sich verständlicherweise mit Blick auf die Uhrzeit und den aktuellen desaströsen politischen Geschehen, auf wie abseits der Leinwand, nicht in die Länge zieht.
Der Bemerkung der Moderation entgegen, die Idee des Bewahrens würde ja erstmal im Kontrast zum Zyklischen des Gärtnerns stehen, sieht Cemeris das Archivieren und Pflanzen nicht als einen Widerspruch und kommt dabei wieder auf den Großvater zu sprechen. Für diesen sei beides eine Form der Bewahrung, die er im Film auch mit der Aufzucht von Kindern parallel setzt. Die Samen erscheinen Holzapfel als das Verbindende. Cemeris Selbstbeschreibung als, „die erste Frucht, die in Deutschland geerntet wurde“, bringt ein Lachen in die Runde, beschreibt aber auch ihre Involviertheit und, wenn man kritisch ist, eine nicht vorhandene Distanz. So spräche der Film von einem Begehren nach Harmonie, das Holzapfel jedoch nicht werten möchte. Positiv beschrieben, ließe es sich als gelungene Zuwendung verstehen.
Die nicht abgebildete kritische Haltung des Großvaters zu Politik und Vertreibung, wird dementsprechend aus dem Publikum vermisst. Sei im Film lediglich mit der Abwertung des Spruchs „auf dem Weg zum Kommunismus, wird nur geknabbert“ ein Anflug von Systemkritik enthalten, erklären die beiden diese Auslassung mit dem Fokus auf das Leben in der Selbstversorgung. Etwas, das mit der spürbaren Resilienz des Großvaters und dessen Ordnungsliebe zusammenpasst (er selbst habe zum Beispiel seine Erzählung in Kapitel verpackt). Dass dabei jedoch Konflikte mit der Großmutter ausgespart wurden, die in den Erzählungen des wortgewandten „Patriarchen“ (Schönfeld) keine oder kaum Erwähnung findet, könnte als Furcht vor den Widersprüchen eines Lebens gedeutet werden, die sich aber doch visuell in den Brüchen des Materials aus dem Familienarchiv widerspiegeln.
Eine Unsicherheit in den Antworten vom eigenen Konzept zu abstrahieren, ist dennoch zu spüren, und der Wunsch, sich in einem Folgeprojekt nun der Großmutter zu widmen, scheint den Trend des familiären Personenporträts fortzuführen. Diesem versöhnlichen Impuls folgend, schließt das Gespräch mit der nicht ganz ernstgemeinten Nachfrage nach der Präsenz der Katze im Bild, die einfach sehr am „Opa“ hänge. Ein Lächeln, das allen wohltut.