Film

Super Friede Liebe Love
von Till Cöster
AT/DE 2017 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 41
10.11.2017

Diskussion
Podium: Till Cöster
Moderation: Sven Ilgner
Protokoll: Theresa Münnich

Synopse

Gedämpftes Verwalten der spärlichen Reste aufgegebener Lebensentwürfe: Unterschiedlich weit von ihren persönlichen Abgründen entfernt, mühen sich die Bewohner eines Heims für wohnungslose Männer um würdevolle Selbstversorgung und Momente anspruchslosen Wohlgefühls. 

Protokoll

Zunächst werden vom Regisseur die im Publikum anwesenden Teammitglieder und Protagonisten des Films vorgestellt. Der Kameramann Franz Kastner, die Editorin Ulrike Tortora, die dramaturgische Beraterin Agatha Wozniak, die beiden Produzenten Florian Brüning und Thomas Herbert, die Redakteure des ZDF/Das kleine Fernsehspiel Burkhard Kalthoff und Lucia Haslauer sowie zwei Protagonisten und eine Sozialpädagogin des Hauses an der Kyreinstraße.

Sven Ilgner eröffnet die Gesprächsrunde mit der Frage, wann die Entscheidung getroffen worden sei, einen Film über die Bewohner des Hauses für wohnungslose Männer zu machen. Cöster entgegnet, dass dazu vor allem die Heimleiterin Frau Stangl beigetragen habe. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums sei nämlich ein visuelles Kurzportrait der sozialeren Einrichtung gewünscht worden. Zu diesem Zweck sei eine Rundmail an die Filmhochschule geschickt worden, und daraufhin habe sich Cöster bei der Einrichtung gemeldet. Obwohl es für ihn eine Hemmschwelle in der Annäherung zu den Protagonisten gegeben habe, hätte er auch ein starkes Interesse für das Thema verspürt. Vor allem die Besonderheit dieser Einrichtung hätte ihn besonders interessiert, da sie dort ansetzen würde, wo andere Institutionen scheitern würden. Dort seien also Menschen zu finden, die woanders nicht aufgenommen würden. Zunächst habe er ein Kurzportrait über das Haus gedreht und daraus sei dann ein längeres Projekt entstanden um sich mehr auf die Bewohner konzentrieren zu können.

Ilgner reagiert auf einen Zuruf aus dem Zuschauerraum („Kein Film ohne Bilder“) und befragt Cöster nach der angewendeten Bildpolitik. Dieser führt aus, dass sowohl er als auch der Kameramann Franz Kastner an der Filmhochschule eigentlich mit Spielfilm angefangen, dann aber den Dokumentarfilm für sich entdeckt hätten. Am wichtigsten sei ihnen beim Dreh die Zeit gewesen und nicht etwa das Budget. Ilgner hakt nochmals nach und will wissen, wie viel die beiden eingegriffen hätten. Manchmal käme es ihm nämlich so vor, dass Situationen zufällig eingefangen wurden. Cöster gibt ihm Recht, dass viel spontan passiert sei, einige Szenen wie jene Trauerfeier zu Beginn des Filmes hätten sie allerdings inszeniert. Einer der Protagonisten meldet sich aus dem Publikum zu Wort und gibt an, dass das Team oft auf die Wünsche der Bewohner eingegangen sei. Zu sehen seien schließlich Eindrücke, die man sonst nicht von außen zu sehen bekommen würde. Das Gezeigte sei also die Wahrheit. Dafür erhält er Applaus aus dem Publikum. Auch Ilgner nimmt nochmals Bezug zur ersten Szene und zitiert die vom Protagonisten gestellten Fragen: „Wie leben wir? Warum leben wir?“ Für ihn steige der Film recht schnell in die Biographien der Protagonisten ein. Man spüre auch das Vertrauen der Protagonisten, allerdings überschreite der voyeuristische Blick der Kamera dabei auch fast Grenzen. Cöster gibt an, dass sie während der Dreharbeiten oft auf Stimmungsbilder angewiesen waren, da die vorher besprochenen Pläne nicht immer umsetzbar gewesen seien. Eine Ausnahme bildeten dabei die Interviews mit den Protagonisten, die bereits in der ersten Drehphase entstanden und bis zu eineinhalb Stunden dauerten. Dabei hätten die Protagonisten oft von selbst sehr ausführlich berichtet.

Die erste Anmerkung aus dem Publikum richtet sich an den Kameramann und bezieht sich auf die Außenbilder vom Haus. Denn ohne, dass das Haus bunt sei, sehe man in jedem Bild etwas Besonderes. Dies sei wie eine Metapher für die Situation der Protagonisten mit ihren Problemen. Kastner erklärt, dass die Einstellungen vor dem Haus teilweise geplant gewesen seien und dass sie oft am Beginn eines Drehtags die Stimmung von außen aufgenommen hätten. Als es dann geschneit hatte, seien sie extra für Aufnahmen hingefahren.

Ein weiterer Zuschauer will von der Editorin Ulrike Tortora wissen, wieso der Schnitt so episodenhaft sei und es manchmal sehr abrupte Schnitte gebe. Tortora erwidert, der Rhythmus sei vom Material vorgegeben gewesen, sie habe dafür nur einen Raum geschaffen. Am schwierigsten sei für sie das Weglassen gewesen, da Protagonisten und MitarbeiterInnen viel erzählt hätten. Sie findet, die abrupten Schnitte bringen den Film vorwärts. Cöster fällt ihr ihn den Rücken und gibt zu, dass er nun beim Sehen auf der großen Leinwand das Gefühl gehabt habe, die ersten 30 Minuten seien zu schnell geschnitten.

Die folgende Frage eines Zuschauers richtet sich wieder an den Regisseur. Im Film gebe es zwei Szenen, welche die Protagonisten außerhalb des Hauses begleiten würden: im Hofbräuhaus und im Vatikan. Da diese im Vergleich zu den Hausszenen relativ kurz ausfallen würden, habe sich der Zuschauer gefragt, warum davon nicht mehr zu sehen sei. Außerdem habe ihn am Ende des Films in der Außenszene, in der eine Laterne im Schnee zu sehen ist, die verwendete Filmmusik gestört. Da der Rest des Filmes ganz ohne Score auskäme, sei der Einsatz an dieser Stelle problematisch und konventionell. Das habe auf den Zuschauer zu melodramatisch und kitschig gewirkt. Cöster erklärt, dass die Ausflüge nicht initiiert, sondern von den Hausbewohnern gewünscht waren und sie diese nicht weiter ausgebaut hätten. Zu der Szene beim Papst müsse er gestehen, dass vor Ort nur mit einem kleinen Drehteam gearbeitet werden konnte und aufgrund der beschränkten Platzkapazitäten kein für den Film verwendbares Material erarbeitet werden konnte. Zum Score bemerkt er, dass es für ihn wichtig gewesen sei, die letzte Einstellung deutlich vom Rest abzuheben. Cöster gibt zu, dass im Sounddesign vielleicht ein bisschen übertrieben worden sei, er hätte aber das Bedürfnis gehabt, einen Ausklang zu schaffen und einen Raum für Emotionen zu geben. Ein weiterer Zuschauer erkundigt sich nach den Zeiträumen des Films. Cöster erzählt, dass das gesamte Projekt über zweieinhalb bis dreieinhalb Jahre gedauert habe. Nachdem der Kurzfilm entstanden sei, hätten sie auf eigene Faust weiter gedreht, seien dann mit dem Produzenten ins Gespräch gekommen und hätten den Film beim Kleinen Fernsehspiel eingereicht.

An anderer Stelle wird von einem Zuschauer die Bildsprache des Filmes thematisiert. Er habe bemerkt, dass häufig mit Gegenlicht gedreht worden sei und auch viele Silhouetten zu sehen seien. Auf ihn habe das eine traurige Wirkung gehabt. Kameramann Kastner habe von Anfang an das Konzept verfolgt, mit Gegenlicht zu drehen. Anfangs habe er sich immer den Raum und dessen Stimmung angesehen. Für ihn habe die Unschärfe im Bild etwas Magisches. Cöster fügt hinzu, dass sie gemeinsam die Entscheidung getroffen hätten, nur mit dem verfügbaren Licht zu arbeiten. Kastner erklärt, dass er keine neue Situation mit künstlich hinzugefügten Licht schaffen wollte, da dies für die Protagonisten eine ungewohnte Situation ergeben hätte. Ebenso hätten sie auch das Konzept einer statischen Kamera entwickelt, die eher in den Hintergrund treten sollte.

Ein anderer Zuschauer habe das Problem gehabt, dass der Film manchmal etwas unsortiert sei. Zum einen hätte er innerhalb das Personals des Hauses eher eine Stagnation erlebt, wohingegen unter den Protagonisten des Films eine Fluktuation zu verspüren gewesen sei. Er habe außerdem den Wunsch verspürt, innerhalb des Alltags der Protagonisten das Haus auch mal zu verlassen, da der Urlaub und der Besuch beim Vatikan nichts über die alltägliche Situation der Bewohner erzählen würde. Cöster erzählt, dass sowohl Stillstand als auch Bewegung ebenso für das Team spürbar gewesen seien. Seine Idee sei es gewesen, sowohl den Alltag aber auch einschneidende Ereignisse in den Film mit aufzunehmen. So sei die Veranstaltung in Rom speziell für Menschen in ähnlichen Situationen gewesen, er wollte das also in einen größeren Kontext einbinden.

Abschließend gesteht Cöster noch, dass es ihm Leid tue, nicht jedes Bedürfnis im Film befriedigt zu haben. Einige Fragen müssen ja auch offen bleiben, da nicht alles in einem 90-minütigen Film geklärt werden könne.

 Sven Ilgner, Till Cöster v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
Sven Ilgner, Till Cöster v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald