Film

Assessment
von Mischa Hedinger
CH 2013 | 49 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 37
08.11.2013

Diskussion
Podium: Mischa Hedinger
Moderation: Werner Dütsch
Protokoll: ?

Synopse

Ein Tisch, ein Team. Egal ob Motorradunfall oder Hirntumor, taubstumm oder depressiv: In der Schweiz arbeiten Versicherer und Sozialdienst gemeinsam an Integrationsplänen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Klare Aussagen, klare Ansagen. Theorie und Praxis der professionellen Betroffenheit. 

Protokoll

„Wir haben hier Strukturen und da müssen sie reinpassen.“

Ein „Assessment“ bezeichnet in der Schweiz eine Institution, die Menschen, die finanzielle Hilfe vom Staat benötigen, im Hinblick auf ihre Integrationsfähigkeit für den Arbeitsmarkt beurteilt. Hierzu kommen Vertreter der Sozialversicherungen und des Sozialdienstes zusammen. Die Menschen, die aus dem System herausfallen, sollen um jeden Preis wieder eingegliedert werden.

Zur Entstehungsgeschichte des Films erzählt Mischa Hedinger, dass alle angefragten Personen, dazu bereit waren, sich Filmen zu lassen. Vorher habe er sie zu Hause besucht, um Vertrauen aufzubauen und ihnen das Projekt zu erklären. Außerdem sei er bei einigen Assessments auch ohne Kamera dabei gewesen. Ob die Klienten den fertigen Film gesehen haben, möchte eine Diskutantin wissen. Niemand sei mit der Darstellung unzufrieden gewesen versichert Hedinger.

Werner Dütsch merkt an, dass in den Assessments in einer Sprache gesprochen würde, die für die meisten Klienten unverständlich bleibe. Wörter wie „Integrationsfähigkeit“ oder „zweiter Arbeitsmarkt“ fehlen in ihrem alltäglichen Wortschatz wahrscheinlich. So würde aneinander vorbeigeredet und ein gegenseitiges Verstehen unmöglich gemacht. Besonders deutlich wird dieser Punkt in dem Gespräch mit einer gehörlosen Klienten, bei dem sowohl ihre Mutter als auch ein Übersetzer mit Gebärdensprache nicht vermitteln können.

Die Kamera fokussiert langsam und filmt aus nur zwei verschiedenen Perspektiven. Dies sei auch eine pragmatische Entscheidung gewesen, sagt Hedinger, da der Gesprächsraum klein war. Außerdem durften die Gespräche nicht beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund scheint der Zuschauer auf Seite der Assessoren zu stehen, ein Bewertungsmodus stelle sich ein, findet Cristina Nord. Dem Regisseur war es wichtig, die Klienten frontal zu zeigen. So wird auch die „Castingsituation“ deutlich gemacht, merkt Peter Ott an. Er kritisiert allerdings einen Zoom auf das weinende Gesicht der gehörlosen Frau, da die Kamera hier das erste und einzige Mal die Funktion des Abbilden einer Emotion übernimmt.

Die Fragen nach Zielen und Motiven, die den Klienten gestellt werden, seien wahrscheinlich für jeden schwer zu beantworten, besonders in einer solch unpersönlichen Situation, merkt Hedinger an. Ein Leben ohne Ziele scheint für die Assessoren undenkbar. Einen dramaturgischen Höhepunkt erreicht der Film mit einem sehr verärgerten Klienten, der bezeichnenderweise den Namen Stressler trägt. Er wirft die Frage auf, wie sinnvoll es ist, dass sieben bis acht Personen ihre Zeit damit verbringen, eine Person in die Arbeitsgesellschaft zu integrieren. Scheint es nicht eher so, als wenn versucht würde, den Menschen, die ohnehin schon bei den Institutionen angestellt sind, Beschäftigung zu geben?

Herr Stressler, der einzige Klient, der seine Gedanken gut zu verbalisieren vermag, sorgt in der Beurteilungsrunde für völliges Unverständnis. Was folgt ist Rekapitulation.