Film

Preis des Goldes
von Sven Zellner, Chingunjav Borkhuu
DE 2012 | 93 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 36
10.11.2012

Diskussion
Podium: Sven Zellner
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Constanze Berschuck

Synopse

Die Wüste Gobi in der Mongolei. Unter dem Sand das Gold. Die Schürfrechte sind seit Jahrzehnten aufgeteilt. Mit primitiven Mitteln versuchen illegale Schürfer, an ein paar Gramm heranzukommen. Zehn Meter tief müssen sie in drei Tagen kommen. Ständig riskieren sie ihr Leben. Die einzige Frau muss für alle kochen. Ein Gangsterfilm.

Protokoll

Ein Film, der in die Tiefe geht und die Inhalte an die Oberfläche sprengt.

Bei den Nomaden ist es Überlebensprinzip, alles zu teilen und passenderweise wurde dieses Prinzip auch auf den Film übertragen, der zwei Regisseure hat: Sven Zellner und Chingunjav Borkhuu. Zellner erklärt, dass Borkhuu ein Freund aus der Mongolei ist, der fließend mongolisch und deutsch spricht. Da während der Dreharbeiten hauptsächlich Borkhuu mit den Leuten kommuniziert hat, übernahm er den zweiten Regieposten. Die Kamera hat Zellner jedoch nicht aus der Hand gegeben.

Zellner hatte schon lange vor einen Film in der Mongolei zu drehen. 2006 hatte er dort erstmalig Goldgräber getroffen, die ihn mit Steinen vertrieben, als sie seine Fotokamera sahen. Nach Gold zu graben ist in der Mongolei höchst illegal, und die Goldgräber hätten ihm damals niemals erlaubt, dass er sie fotografiert oder filmt. Um das Vertrauen der Leute zu gewinnen, war Zellner über vier Jahre immer mal wieder in der Mongolei und hat Freundschaften geschlossen, die ihm schließlich sein Filmprojekt ermöglichten. Denn nicht nur das Gesetz verbietet die Suche nach Gold, in der Kultur der mongolischen Nomaden ist es ebenfalls streng verboten, den Boden anzurühren; Kindern ist es sogar untersagt, Steine zu sammeln. Dieses Verbot stammt noch aus der Zeit des Dschingis Khan, weshalb der Boden über Jahrhunderte unberührt blieb. Viele Goldgräber wissen von dem Verbot, da sie vorher selbst Nomaden waren (oder sind), wie die zwei Bosse und ihre drei Arbeiter aus dem Film, dennoch graben sie immer tiefere Löcher in die Erde, um ein Stück vom Reichtum zu kosten.

Ružička fragt nach den beengten Verhältnissen bei der Kameraarbeit und was es für eine Zeitstruktur beim Dreh gab. War sie klar oder musste man staunen und abwarten? Zellner bejaht sofort, dass man tatsächlich viel staunen und abwarten musste. Er meinte, dass es ein sehr beobachtender Film geworden ist, den Bossen vom Goldgräbercamp konnte er ohnehin nicht viel vorschreiben, daher war es eine große Hilfe, selbst Kameramann zu sein. So konnte er entscheiden, wann er „abbricht oder draufhält“ und es waren keine komplizierten Absprachen vorher nötig. Einmal drehte er mit einer Fotokamera und zum anderen mit einer „X3“, mit der er allerdings nicht sehr gut klar kam. Beim Dreh nutzte er eine „Sucherlupe“, da er sonst nur von hinten in den Sucher (der Kamera) reinsehen konnte. Dies verursachte zwar einige Probleme beim Aufbau, da die Kamera immer sofort bereit sein musste, wenn etwas passierte, aber für die Schärfentiefe war es gut. Zellner arbeitet gern weitwinklig, für die „Verortung des Raumbildes und der Figuren“, und fügt hinzu, wenn alles scharf ist (Anspielung auf HD Kameras), geht der Hintergrund verloren.

Die Struktur des Films war dem Regisseur von Anfang klar. Das „Loch“ und das Graben waren die zentralen Punkte, um die sich alles drehte, neben der Thematik des Goldrausches und dem Leben der Männer dort. Die bildliche Trennung von oben und unten war ebenfalls mit eingeplant. Am Anfang gibt es kaum eine erkennbare Trennung, doch je tiefer sich die Männer ins Erdreich graben, umso mehr driften die Räume sowie die Kommunikation zwischen ihnen auseinander. Daher war es Zellner wichtig, die „Schlauchkommunikation“ von unten nach oben zu zeigen. Der Plan, den Anfang des Films mit einem Schwenk aus dem Loch anzufangen und zu beenden, war genauso klar. Dafür hängte sich Zellner kopfüber in das Loch und erzeugt, wie es Ružička ausdrückt, ein Schwindelgefühl, das an Hitchcocks Vertigo erinnert und einen zugleich in einen klaustrophobischen Zustand versetzt.

Auf die Frage zur Tongestaltung und Aufnahme gestand Zellner, dass er viele „Tonsorgen“ beim Dreh hatte, da er sich nicht gut mit dem Ton auskannte und sein Filmkollege, der den Ton machte, noch weniger. Auch im Schnitt war der Ton schwierig, da der Lärm (der Bohrgeräte) oft alles übertönt hat oder sie den „beschissenen“ Ton von der Fotokamera nutzen mussten. Doch alle Windgeräusche und „Atmos“ im Film sind originale Sounds, die meist in den Totalen mitaufgenommen wurden.

Das schnelle Ritual, bei dem Reis gestreut wurde, verdeutlicht die gefährlichen Grabungsmethoden. Mit uralten Bohrgeräten und selbstgebastelten Dynamitstangen sprengen die Arbeiter neben dem tiefen Loch ganze Tunnelsysteme ins Erdreich, die jeden Moment einstürzen könnten. Die Methoden sind dabei genauso abenteuerlich wie ihre Bestimmung des Grabungsorts, für welche sie geologische Karten aus der russischen Zeit heranziehen oder an Stellen graben, an denen Großkonzerne erfolglos blieben.

Eine Stimme aus dem Publikum geht auf die Andersartigkeit der mongolischen Kultur ein, deren Zeichen wir hierzulande nicht ohne Kenntnisse entziffern könnten und fragt, ob Zellner die Unlesbarkeit als „Zugewinn“ betrachtet? Dieser gibt zu, nicht ganz auf die Dramatik des dortigen Alltags eingegangen zu sein, sondern schlimme Geschichten im Film ausgespart zu haben. Zellner wollte nicht dramatisieren, sondern die Kultur verständlich machen, und selbst wenn man die Mongolei nicht kennt, ist doch etwas auf den Bildern „spürbar“, wie z.B. in der Szene, als ein Mongole plötzlich auf einem Motorrad angebraust kommt. Für mongolische Verhältnisse ist dieser Mongole sehr in Rage, erklärt Zellner, und auch wenn das für uns nicht sofort sichtbar ist, kann man etwas davon bildlich wahrnehmen.

Im Publikum taucht die Frage nach der recht lang wirkenden „Ziegenschlachtszene“ auf und ob damit das wilde Nomadenleben dargestellt werden sollte? Zellner hatte genau das Gegenteil im Sinn. Er sah zwei oder drei Leute bei der Szene aus dem Kinosaal gehen, was ihn ärgerte. Er findet die Szene nicht brutal und im Gegensatz zu deutschen Methoden eher human. Das Schlachten von Tieren ist bei den Nomaden etwas Alltägliches, man entschuldigt sich beim Tier und sagt ein Mantra auf, die Tiertötung hierzulande findet er wesentlich perverser.

Eine andere Stimme aus dem Publikum möchte mehr über die Rolle der Frau in dem Camp erfahren, worauf Zellner ihre Situation erläutert. Die Frau ist verheiratet, kommt aus einer armen Familie und hat Probleme mit ihrem Mann, der sie schlägt. Sie kannte die beiden Bosse schon vorher, die dort in der Gegend sehr bekannt und gefürchtet sind, und hat sich trotz ihrer Angst vor ihnen auf die Arbeit als Köchin eingelassen. Die Bosse haben die Frau wohl aus Bequemlichkeit ins Camp geholt, da sie keine Lust hatten, selber zu kochen. Im Camp hat sie sich auf den Vorarbeiter Khuyagaa eingelassen, um sich gegenüber den anderen Männern abzusichern. Doch Zellner glaubt, die beiden mochten sich wirklich gern. Freiwillig würde sie diese Arbeit jedoch nie wieder machen wollen.

Fluchtmomente hatte sicher jeder der Arbeiter in dem Camp, und auch Zellner hegte Gedanken daran. Insbesondere in dem Moment, als die Bosse zum ersten Mal betrunken mit ihrem Auto verschwunden sind und ein Russe mit seinem Lastwagen angefahren kommt, war „die Versuchung in der Wüste“, wie Ružička es formuliert, sehr groß. Zellner blieb und stellte sich der bedrückenden Frage, ob sein Filmprojekt je fertig werden würde.

Abschließend fragt Ružička nach der „moralischen Essenz“ am Ende, worauf Zellner etwas verhalten antwortet, viel darüber nachgedacht zu haben. Er findet das Ende selbst etwas „kitschig“, doch die Protagonisten hätten die Sachen von sich aus gesagt, und es verdeutlicht noch einmal sehr gut die Perspektivlosigkeit der Leute dort, die sich nach einem vorgelebten Reichtum sehnen. Mit Fingerspitzengefühl, lobt Ružička, deckt der Film die ökonomischen Ausbeutungsmechanismen im Hintergrund auf und lässt die Goldpreise dennoch ansteigen.