Film

The Wildest Guy
von Sebastian Sorg
DE 2009 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 33
05.11.2009

Diskussion

Synopse

Ein Kellnerdasein in Baltimore. Einer hadert mit der Welt. Es geht um Abschied, Sinnfragen. „All this hard work, cutting loose, storing, leaving, throwing away, burning bridges, saying goodbye. For what?“ Dann eine Fahrt in den stillen, schneebedeckten Wald. „All this snow has brought much silence“.

Protokoll

Birgit Kohler teilt ihre Überraschung über den Katalogtext zu The Wildest Guy mit. Dort wird von Kostümen und Auftritten gesprochen. Was ist der Film? Eine „Selbsterfindung?“

„Greg arbeitet an sich selbst, ja.“ Schon das Kellnerdasein im „Essensaufzug“ ist ein Auftritt. Der Anfangsmoment, in dem Greg sich als „The Wildest Guy??“ definiert, steht für den Entstehungsprozess des Films. Sebastian Sorg beschreibt es als „Gedichtarbeit.“ Er spricht von Auslassungen und was sie beim Zuschauer anrichten. Die Erfindung und Definition des Wildest Guy soll vor den Kopf stoßen. Der Nachwuchsregisseur wollte nicht die Kamera auf eine Person richten, sondern eine Momentaufnahme erstellen, an der der Protagonist signifikant mitarbeitet.

Kohler geht auf die Tonebene ein. Inwieweit wird dabei auf die Bilder improvisiert?

Der Film wurde in umgekehrter Reihenfolge gedreht. Der zweite Teil in Kanada entstand zuerst. Als Regisseur und Protagonist später im Studio vor dem Film saßen, sprach Greg einen spontanen, assoziierten Text ein.

Wie war dann das Verhältnis zwischen den beiden? Inwieweit war der Regisseur Stichwortgeber? Was war die Tonpolitik?

Urs prünglich hatte Sorg mehr erwartet, mit der Zeit entwickelte er sich aber zum Stichwortgeber. Er war nicht auf der Suche nach Spannungsbögen oder Konflikten. Die Dinge ergaben sich. So auch die Auseinandersetzung mit dem durch eigene Hand gestorbenen Freund J. J.

Ein Diskutant lobt die räumliche Inszenierung, gerade zu Beginn des Films, als die Verfolgung von Greg regelmäßig an der Tür zum Essensbereich des Restaurants anhält und wartet. Der Regisseur bedankt sich für das Lob.

Ein weiterer Diskutant spricht die „speech classes“ an US-amerikanischen Mittelschulen an. Die Art der Rhetorik in Gregs Text erinnert ihn an das, was dort gelehrt wird.

Laut Regisseur hat der Protagonist Greg nie eine solche Schulklasse besucht. Dennoch findet er diese Fragestellung interessant. Er verweist auf die Frische des Films. Er wurde bisher nur einmal in München gezeigt.

Birgit Kohler geht auf die Schlafszene ein. Verbunden mit der Stimme entsteht für sie eine Atmosphäre von Abschied, Trauer und Erinnerung. Sie empfindet es als fragilen Moment. Welchen Status hat er im Film?

Sorg sagt dazu: „Da hat er geschlafen.“

Der Regisseur beschreibt den Arbeitsprozess des Films. Bei einem Filmprojekt in Toronto stieß er auf Greg und als die Zusammenarbeit beendet war, dachte er sich: „Spannend! Weitermachen!“ Es war eine Art „Hineinstolpern“, bei der Bildgestaltung war ihm aber früh klar, dass es keine grafische Kamera geben sollte, sondern eine strenge Subjektive mit beweglicher Stimmung.

Ein Diskutant fragt nach den Skateboardern vor dem Friedhof. Wofür stehen sie? Aufbruch? Der Filmemacher war dort mit einem Stadtführer. Ihm sollte einer der gefährlichsten und kriminellsten Orte Baltimores gezeigt werden. Was er fand waren Skateboard fahrende Jungs im Sonnenuntergang. Später spricht Greg an dieser Stelle im Text von Aufbruch. So entsteht dann Film.

Ein Diskutant spricht den „amerikanischen Mythos“ des jungen Mannes an, der sich in die Wildnis begibt, um bei sich zu sein und der Zivilisation zu entfliehen.

Der Filmemacher hatte sich im Vorfeld gedacht, Greg würde sicher in der Schneewildnis aufgehen. Er müsste dort perfekt hinpassen. Sorg wurde ein weiteres Mal überrascht. Zwar sei Greg ein Mann, dem man es zutraue, in der Wildnis zu leben, dennoch hatte Greg sich dann eher von dem älteren Hüttenbewohner distanziert. Als Greg den Baum umarmte, empfand der Regisseur diesen Moment doch eher als unnötig und unpassend. In Verbindung mit dem gesprochenen Text von Greg gefiel es dem Filmemacher dann aber. Auch wenn sein Filmprofessor sich noch immer über diese Szene beschwert.

In den Augen eines Diskutanten ist The Wildest Guy ein Spielfilm. Sorg kann damit leben. In gewissem Sinne mag die Definition stimmen, weil sich ja schließlich ein „Darsteller mit seiner Rolle beschäftigt.“

Zum Abschluss geht es noch einmal um den Ton. Der Film sollte ohne Atmos laufen. Der Filmemacher hatte daher nur Stimmen und O-Töne aufgenommen. Der Mischtonmeister sei natürlich dann im Studio fast verrückt geworden. Dem Autor ist die Wirkung dieser Tonpausen bewusst. So wird „die dokumentarische Wirklichkeit ausgeblendet.“ Die Atmo- freien Stellen seien zweifelsohne „Rauswerfer.“

 Sebastian Sorg © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
Sebastian Sorg © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald