Film

Henners Traum – Das größte Tourismusprojekt Europas
von Klaus Stern
DE 2008 | 93 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 32
03.11.2008

Diskussion
Podium: Klaus Stern
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

5 Hotels, 5 Golfplätze, 600 Villen, 7100 Betten. Der Bürgermeister hat eine Vision: Im nordhessischen Hofgeismar soll das größte Tourismus-Resort Europas entstehen. Allerdings müssen noch Investoren gewonnen werden. 

Protokoll

Diesmal wurde die Duisburger Filmwoche mit der Frage nach der Vision eröffnet. Klaus Stern meinte dazu, dass er gerne Filme über die Provinz und über Visionen macht, und dass er dabei auch immer bereit ist, sich überraschen zu lassen. So ein Film hängt natürlich von seinen Protagonisten ab, sie müssen wirklich mitmachen wollen und dazu auch bereit sein, wenn es mal nicht so gut geht. Von Anfang an war klar, dass ein lineares Erzählen – mit ein paar Ausreißern – den Film bestimmen sollte. Henners Traum war die fünfte Zusammenarbeit zwischen Stern und dem Kameramann Harald Schmuck, dementsprechend eingespielt konnte das Team beim Drehen arbeiten. Durch den Ton der Ansteckmikros war man immer näher an den Protagonisten dran, als es das Bild anbietet, schloß Ruzicka den ersten Teil der Diskussion.

Stern hat seiner Meinung nach das Vertrauen der Protagonisten bekommen, weil er ihnen gegenüber von Anfang an offen war, weil er ihnen seine früheren Filme gezeigt hat und wohl auch, weil er nur 30 Kilometer von Hofgeismar entfernt wohnt. Oft hat er sich mit Herrn Sattler einfach auch so getroffen. Angesprochen auf den für Dokumentarfilme schwierigen Versuch, Ökonomie zu beschreiben, meinte der Regisseur, dass er immer versucht, an Hand einer Person etwas großes Ganzes zu zeigen, er ist kein Thesenfilmer wie Farocki. Stern versucht Ökonomie und Wirtschaft sichtbar zu machen, und eine Handlung in seinen Film hineinzubringen, damit dieser wie ein Spielfilm funktioniert – nicht so wie andere Filme über Ökonomie, die rein über eine Off-Stimme arbeiten. Er ergänzte auch, dass er den Werbefilm für das Projekt anders gemacht hätte. Wenn seine verkürzte Version davon in Henners Traum als Seitenhieb rüberkommt: Okay, kann so sein.

Danach wurden Herr Sattler und Herr Krause auf das Podium gebeten. Beide sahen den Film in Duisburg zum ersten Mal. Nachdem Herr Krause von der Ehre sprach, Protagonist in einem Film von Klaus Stern zu sein, dem Gefühl auserwählt zu sein und Klaus Stern dazu gratuliert hat, wie er die vielen Meter Film auf 90 Minuten gebracht hat, berichtet Herr Sattler eher nüchtern darüber, dass er anfangs eigentlich nicht genau wusste, worauf er sich bei dem Filmprojekt einlassen würde. Er und der Regisseur siezen sich bis heute, und das ist gut so, denn so entsteht keine Kumpanei. Man sieht über die Zeit hinweg, dass das Vertrauen, das man dem Regisseur entgegenbrachte, nicht missbraucht wurde, und dass etwas Schönes entstanden ist. Er war während des Films manchmal sogar gerührt, teilweise auch überrascht, da er sich an manche Dinge, die in den letzten 3 Jahren passiert sind, so gar nicht mehr erinnert hat. Auf Ruzickas Herausforderung, ob man manches vielleicht nicht lieber diskret behalten hätte sollen, meinte Herr Sattler, dass er die Transparenz gut findet, denn „die Offenheit gehört mit zu unserem System.“ In diesem Projekt gehe man ehrlich miteinander um. Ruzickas Frage nach dem Kamerabewusstsein der Protagonisten und deren Performance spiegelt das auch ein wenig wieder:

Ruzicka: “Wie war das: situative Geschmeidigkeit?“

Sattler: “Situative Wendigkeit.“

Ruzicka: „Achja, genau.“

Ein Diskutant vermisste im Film kritische Stimmen zum Projekt. Dem entgegnete Klaus Stern, dass ihn der Widerstand gar nicht so sehr interessiert hat, er wollte nicht eine breite Front gegen das Projekt filmen, sondern sich auf den Protagonisten und den Antagonisten konzentrieren.

Kritische Kommentare aus dem Publikum an Herrn Sattler (Woher ihre Faszination? Was haben sie und Hofgeismar davon?) und Herrn Krause (Architektursprache? Fremdkörper? Da landet ein UFO im Feld!) wurden nachvollziehbar und ohne Überraschungen beantwortet.

Die darauf folgende Anmerkung einer Diskutantin, ihr scheint, dass die Protagonisten in der Diskussion nun Sterns Film als Verlängerung des Werbefilms, als ihren eigenen Imagefilm wahrnehmen, wurde von Ruzicka nicht bestätigt. Das eher unproduktiv verlaufende Gespräch mit Herrn Tomassini auf der Immobilienmesse erklärte Herr Sattler damit, dass es nicht vorbereitet und eher ein Gefallen für die Anwältin war, da sie es spontan eingeleitet hatte.

Ein Diskutant verstand den Film als Drama: Der Bürgermeister aus der kleinen Gemeinde versucht sich als Global Player. Wie hoch ist der Anteil an Parodie im Film? Stern meinte dazu, dass manche Wahrheiten sind nur über bestimmte Ironien vermittelbar, und über das Zeigen von Scheitern.

Die letzte Runde begann mit der erneuten Vermutung aus dem Publikum, dass der Regisseur etwas komplett anderes ausdrückt, als es die zwei Protagonisten hier in Duisburg verstehen. Es gehe um Eitelkeiten und eine Provinzposse, die sehr viel klar macht. Woher will Herr Krause wissen, wie eine Familie Urlaub macht, und dafür ein Ferienresort planen, wenn er laut eigener Aussage 365 Tage im Jahr arbeitet? Vor allem, wie kann man nach 3 Jahren Dreharbeiten den Film so verschieden wahrnehmen?

Tom Krause beantwortete die Frage aus Sicht des Architekten: Solche Resorts – mit einem s! – werden immer „am Ende der Welt“ gebaut, deswegen ist es logisch eine Provinzposse. Herrn Tomassinis Kompetenz, so ein Projekt richtig einzuschätzen, bezweifelte Herr Krause. Heinrich Sattler fand, dass die Kritik in Duisburg an dem Projekt in Hofgeismar wenig mit dem Film zu tun hat. Die Kritik hier wie bei Herrn Tomassini kommt daher, dass nach einem kurzen Reinschnuppern in das Projekt ein Urteil gefällt wird. Die Wahrnehmung, dass ein Bürgermeister aus der Provinz in die Welt hinaus geht ist für ihn okay, das nimmt er niemandem übel. Es ist „nicht schändlich was wir hier tun.“

Klaus Stern meinte zu der Publikumsfrage nur: Ja, wir haben hier eine unterschiedliche Wahrnehmung.

Werner Ruzicka lies noch Redakteur Christian Cloos (ZDF/Das kleine Fernsehspiel) kurz zu Wort kommen und freute sich am Ende der Diskussion über den Film, die Anwesenheit von Regie und Protagonisten in Duisburg, über ihren Umgang miteinander und befand, dass so ein Film gegen Politikverdrossenheit hilft.

 © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
© Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald