Film

Businessman
von Stanislaw Mucha
DE 2005 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 30
09.11.2006

Diskussion
Podium: Stanislaw Mucha, Justyna Feicht (Kamera)
Moderation: Werner Dütsch
Protokoll: Aycha Riffi

Synopse

Geschäfte machen in Schlesien. Stasio ist 11. In Hemd und Krawatte versucht er sich im Postkartenverkauf. Aber auch Johannes Paul II. kurbelt das Geschäft nicht an. Handys verticken bringt mehr. Junkies mit Plastiktüten auf dem Kopf schnüffeln im Park. Stasio will lieber Mechaniker werden, die sind nicht arbeitslos. Bis dahin ist vielleicht noch ein Geschäft zu machen.

Protokoll

Alle haben sich gefreut.

Werner Dütsch hat sich gefreut, dass bei all den gut vorbereiteten und durchstrukturierten Filmen, BUSINESSMAN den „schnellen Zugriff“ wagt, und improvisiert.

Stanislaw Mucha hat sich über Vieles gefreut: Über sein Debüt als Videofilmer, dass ihm und seinem Filmteam erlaubte, allen voran der Kamerafrau Justyna Feicht, an den Kids zu „kleben“, und das Medium zu vergessen. Nach vielen Arbeiten mit Filmmaterial, gab das Videoformat Mucha eine spürbare Freiheit. Freuen konnte er sich natürlich auch über seinen Protagonisten.

Nicht gefreut hat sich vielleicht – aber das ist törichte Spekulation – eine Freundin Muchas aus Kattowitz, deren Idee es war einen Film über den jungen „Businessman“ zu machen, jedoch an dem Versuch scheiterte: „Er hat sie verarscht und umgekehrt.“ Mucha hat sich ihr Material angesehen, das Potenzial an diesem jungen Dokumentarfilm-Protagonisten entdeckt und sich mit ihm verabredet. Minuten nach dieser ersten nicht gefilmten Verabredung rief der Junge Stanislaw Mucha an und erzählte ihm, dass sein Rucksack geklaut wurde und er nun kein Geld mehr habe. Was dann geschieht, sieht man in der ersten Szene im Film: Im Gegensatz zum Filmteam, das Bedauern für den ‚armen Jungen’ empfand, deckt Mucha den Diebstahl als Lüge auf; Business eben.

Arrangements wurden getroffen: Der Junge hat schnell begriffen, dass die Filmleute auch ihn brauchen. Er hat Regeln aufgestellt, gesagt was nicht gefilmt werden soll, Vorschläge für Drehorte gemacht – „er hat Regie geführt“, so Mucha. Bei der wenigen Zeit, die der Junge hatte, war es für Feicht eine spannende Arbeit, sich auf diese Geschwindigkeit und den Rhythmus einzulassen. Diese Schnelligkeit wäre vielleicht mit einer Filmkamera gar nicht möglich gewesen. Auch für die Tonaufnahme gab es bestimmte Beschränkungen; zum Beispiel wollte der Junge nicht angefasst werden, ein Ansteckmikrofon kam daher nicht in Frage. Die Arbeit mit den „Aso-Kindern“, wie Mucha offen sagt, war nicht immer ungefährlich. Die Momente mit dem Manager, der das Geld kassiert, waren prekär. Dass der Produktionsleiter aus der Gegend kam, und die Leute kannte, war daher sehr hilfreich.

Letztlich wirken die Kinder erwachsener als die Erwachsenen. Die hohe Arbeitslosigkeit macht die Erwachsenen infantil und die Kinder „bringen die Kohle nach Hause“. Der Junge ist im Vergleich zu den anderen Kindern, die auch im Film zu sehen sind, „anders“: Er hat Träume, liebt das Kino (Horrorfilm und Komödien), er bettelt nicht und er versucht alles unter Kontrolle zu haben. Dass Stanislaw Mucha dies alles in 30 Minuten erzählen musste, stört ihn gar nicht: Das Format macht Sinn und es ist für ihn plausibel, dass sich Zuschauer an feste Formate gewöhnen. „Ich mag es in einem festen Rahmen zu arbeiten. Mir geht es gut damit.“ Auch mit Kürzungen hat Mucha kein generelles Problem, denn er hat oft festgestellt, dass es funktionieren kann, runter zu gehen auf eine geringere Minutenzahl. So konnte sich auch die Redakteurin Inge Classen freuen über die Zusammenarbeit mit Mucha und seinen Beitrag für die Reihe „Fremde Kinder“ in 3Sat. Viel musste vorher nicht geschrieben werden: Etwas zur Geschichte, etwas zur Struktur, die persönliche Beziehung wurde dargelegt. Die Gespräche zwischen Filmemacher und Redaktion waren da entscheidender und dann: „wirft man sich auf den Jungen“.

Der Junge ist so gut, dass es nach dem 30minütigen Film noch einen Langfilm geben wird: Spielt BUSINESSMAN fast nur auf der Straße, werden im Langfilm – der nicht einfach nur eine Langversion sein soll – auch Räume gezeigt, wie das Zuhause des Jungen. Konkretisiert werden ebenfalls Themen, die in BUSINESSMAN nur am Rande mitschwingen: Die Schwierigkeiten der Kinder, ihre alltägliche Lebenssituation (Sonder-Schule, Familienverhältnisse, Konfrontationen mit der Polizei). Stanislaw Mucha erzählt von Informationen, die eigentlich „schon zu viel“ waren: „Dreht man dann weiter oder soll man Sozialhilfe machen?“ Denkt man diese Informationen mit, dann erscheint der Junge „wie ein Engel“. Diese ‚trotz alledem-Leichtigkeit’ ist dem Jungen zu verdanken, der – wie im Film zu sehen ist – sich auch permanent freut.

Der Film hat einen genialen Hauptdarsteller und ein gutes Arrangement. Einen Regisseur, der von sich selbst sagt, dass auch er die Leute austrickst, denn er vergisst nie, dass er einen „guten Film“ drehen will, und den Jungen, der in den Dreharbeiten Möglichkeiten für sein Business sieht.

Die „polnische Erzähltradition“ und vielleicht auch Lebensphilosophie, aus ernsten Stoffen Komödien zu machen, hat dann auch das Publikum besonders erfreut.