Film

Babooska
von Tizza Covi, Rainer Frimmel
AT/IT 2005 | 100 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 30
08.11.2006

Diskussion
Podium: Rainer Frimmel, Tizza Covi
Moderation: Gudrun Sommer
Protokoll: Aycha Riffi

Synopse

Ein Wanderzirkus unterwegs durch abgelegene italienische Ortschaften. Babooska organisiert ihrer Familie den Zirkusalltag; sucht den Hund, räumt im Wohnwagen umher, rechnet zusammen. Dann geht es weiter. Tristesse, wenig Glamour und kaum Besucher. Kann es so weitergehen? Babooska schwingt die Reifen um ihren Körper.

Protokoll

Der Film Babooska ist ein Plädoyer für ein „sich Zeit nehmen“ und zu beobachten, so beginnt Gudrun Sommer die Diskussion in Duisburg.

Bereits sieben Jahre vor den Dreharbeiten haben Tizza Covi und Rainer Frimmel bei einer Fotoserie über kleine Zirkusbetriebe Babooska und ihre Familie kennen gelernt. Die ursprüngliche Idee einen Film über mehrere Zirkusfamilien zu machen, konzentrierte sich später auf die eine Familie, auch weil sie die einzige war, die sich vor der Kamera nicht „anders benommen“ hat als sonst auch.

Der langen Vorbereitungszeit folgte eine insgesamt sechsmonatige Dreh- und auch bereits Schnittphase – immer wieder mit Unterbrechungen – in der insgesamt nur zwei Stunden Material gedreht wurde. Die Dreharbeiten begannen mit Babooskas zwanzigstem Geburtstag und erst dann beschlossen die Filmemacher ein Jahr der Familie abzubilden und mit dem einundzwanzigsten Geburtstag zu enden. Das Video mit Babooskas Kindergeburtstag tauchte erst am Ende der Dreharbeiten auf: „ein tolles Geschenk!“

Gudrun Sommer findet im Film Bilder, die eine Veränderung des Ökonomischen abbilden: So zum Beispiel den großen warenüberfüllten aber menschenleeren Supermarkt. Preisschilder zeigen die durchgestrichenen Lire und daneben das neue Eurozeichen. Ökonomischer Wandel, der viel verspricht, aber an dem auch der Familienzirkus zerbricht. Frimmel beschreibt, dass die Familie manchmal die „gute alte Zeit mystifiziert“. Nur die großen Zirkusse überleben, heute kommt fast niemand mehr in den kleinen Familienzirkus. Andererseits können sie auch nicht anders als weitermachen und wollen sich nicht niederlassen. Die Idee Babooskas feste Räume zu mieten, bedeutet auch nicht wirklich ein konkretes Vorhaben das Zirkusleben aufzugeben, denn letztlich ist der Familienzusammenhalt dann doch größer.

Für Babooska ist die schlimmste Arbeit die, die sie selbst macht, noch schlimmer allerdings ist die Arbeit, einen Film über sie zu machen, findet sie. Eine Hoffnung auf einen „Werbecharakter“ des Films gab es bei der Familie nicht: „Wir (die Filmemacher) sind ihnen eher auf die Nerven gefallen.“

Im Fußball spielt man gut, wenn man die Laufwege kennt, so Werner Ruzicka, und so empfand er auch die Kamera: als sehr wissend.

Die Idee mit einem Kamerastativ zu arbeiten, haben Frimmel und Covi schnell aufgegeben. Die räumliche Nähe – die Enge der Zirkuswagen – forderte ein anderes Arbeiten. Schwieriger als die räumliche Enge war allerdings die psychische Nähe, denn auch die Spannungen für und in der Familie, sind auf die beiden Filmemacher übergegangen. Dass der Film besonders zu Beginn eine so triste Atmosphäre wiedergibt, wird von Covi auch damit begründet, dass sie das Milieu eher als deprimierend empfunden haben – und es gab einfach oft schlechtes Wetter.

Die bedrückende Stimmung der Lebenssituation zeigt sich ebenfalls im Kontrast zu dem Video anlässlich Babooskas zehnten Geburtstags, wo viele Menschen und vor allem viele Kinder zu sehen sind. Die kleine Schwester Azurra, so empfindet Gudrun Sommer, scheint sich allerdings in ihre Situation gut eingefunden zu haben. Die Filmemacher – so erläutern sie in der Diskussion – haben in den Szenen mit Azurra die „harten“ Seiten ihres Lebens ausgespart: Szenen, die zeigen, dass die häufigen Wechsel in der Schule, die keine Freundschaften zulassen, sie unfreiwillig zur Außenseiterin machen. Azurra wird nie mehr als die ‚Pflichtschule’ besuchen.

Was im Film aber erzählt wird, ist die Frage „Was wird werden?“ Die alten Leute vor ihren Häusern dokumentieren ja die Überalterung der Gesellschaft. Für die Zirkusfamilie besonders prekär, da sie über keinerlei Absicherungen verfügen. Dadurch wird ein Ausstieg natürlich noch schwerer. Diese Schwierigkeit sich zu verändern und gleichzeitig die Flexibilität, die gefordert wird, spiegeln den größeren gesellschaftlichen Kontext wider.

Warum denn der Film die quasi aussterbende Kunst nicht thematisiert bzw. darstellt, wollte ein Diskutant wissen. Frimmel und Covi wollten die Reduktion. Entweder hätten sie eine 90minütge Vorstellung ganz gefilmt oder eben – bis auf die letzten zweieinhalb Minuten – gar nichts darüber. Ihnen ist es auch wichtig bestimmte Vorstellungen der Zuschauer eben nicht zu bedienen; zum Beispiel ein Training zu zeigen. Das ist sowieso ein Mythos, denn die Leute trainieren nicht – die Zirkusvorstellung ist das Training.

Frimmel und Covi wollen nicht aufklären, sie arbeiten nicht journalistisch. In einer filmgeschichtlichen Einordnung verehren sie auch eher Lumière als Méliès: „Das Leben hat uns interessiert.“

Bei einem solchen Filmprojekt, das „nicht bedient“ mit Zirkusbildern, Italienbildern, Roadmovie-Bildern, stellt sich die Frage nach einer möglicherweise schwierigen Finanzierung.

Frimmel und Covi hatten das Glück über einen kleinen Fördertopf in Österreich, der keine Auflagen gestellt hat, sich zu finanzieren. Gudrun Sommer fragt nach einer Finanzierung durchs Fernsehen. „Versucht und aufgegeben“, so die Antwort.