Film

Pommerland
von Volker Koepp
DE 2005 | 89 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 29
04.11.2005

Diskussion
Podium: Volker Koepp
Moderation: Margarete Fuchs
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

„Gegen Mitternacht liegt die Ostsee, auch Pommersches Meer genannt.“ Dörfer, Felder, Wälder, Baumalleen: Pommern, slawisch „Pomorze“, das „Land am Meer“. Es gehört seit 1945 zu Polen. Davor eine lange Geschichte von Kriegen, Verwüstungen. Ein neues Kapitel beginnt im Mai 2004. Polen tritt der Europäischen Union bei. Wenige Tage später beginnt Koepp seine Reise in dieses Land, trifft Überlebende, Übriggebliebene, Rückgekehrte.  

Protokoll

Eingangs spricht Volker Koepp kurz über seinen persönlichen Hintergrund und seine Affinität zu der Region. Was er in wenigen Sätzen am Podium wiedergibt, beschreibt er im Katalogtext ausgiebig.

Trotz stärkerer Präsenz in der Presse, im Rahmen des polnischen EU-Beitritts am 1. Mai 2005, sah er in der deutschen Öffentlichkeit wenig Wissen über die Lebensumstände der Menschen in Polen, beantwortet er die Einstiegsfrage, ob er sich bewusst für den Drehbeginn an diesem Tag entschieden hat. Selbst im nahen Berlin gibt es so gut wie keine Bewegung, kein Interesse in diese (geographische) Richtung.

Fuchs beschreibt ihre Wahrnehmung der Hauptprotagonistin im Film: Anfangs erscheint sie wenig sympathisch, vor allem durch die Szene in der zwei andere Frauen kochen und sie, die Gutsbesitzerin, währenddessen auf dem Sofa sitzt und liest. Später, als sie dann ihre Geschichte erzählt, und die ihrer Familie, bekommt sie eine andere Qualität im Film. Worauf Koepp meint: Ja, ging mir auch so.

Die Reihenfolge der Jahreszeiten im Film erklärt Koepp erstens damit, dass Polens EU-Beitritt im Frühjahr stattfand, und sich somit automatisch die Reihenfolge Sommer- Herbst-Winter für die Dreharbeiten ergab. Zweitens haben die Jahreszeiten eben besonders im ländlichen Raum auch einen wichtigen Einfluss auf die Menschen und ihr Leben. Und das sollte auch sichtbar sein.

Von den Dreharbeiten zu Dieses Jahr in Czernowitz (2004) kannte er schon Leute aus der Region. Der Kontakt zwischen dem Drehteam und den Einheimischen war meist freundlich, teilweise waren die Menschen anfangs ein wenig schüchtern, aber das ist normal.

Für Vrääth Öhner erweckt der Film den Eindruck, dass die Transformation in die EU in der gezeigten Region von feudalen Institutionen gestützt wird, allen voran dem Gutshof und der Kirche. Besonders die Fragen an den Franziskaner Bruder Richard über die sozialen Verhältnisse in der Gegend wären ja eigentlich an den Bürgermeister zu stellen gewesen. Koepp nimmt zuerst indirekt Stellung. Er beschreibt die schwierige ökonomische Situation, die hohe Arbeitslosigkeit in der Region. Ohne soziale Gerechtigkeit wird sich auf Dauer dort keine Demokratie halten können.

Auch Fred Truniger konnte im Film eine feudale Gesellschaft im Wiederaufbau beobachten: Die langsamen Schwenks über die Landschaft sind wohl eine Anspielung auf den Blick des feudalen Gutsherren über sein Land. Dass Ländereien und Wälder irgendwelchen Familien oder Agrargesellschaften gehören, ist normal, meint Koepp. Das ist halt so, wenn es keine sozialistischen Strukturen gibt. Er stimmt zu, dass in diesen Aufnahmen der Blick der Kamera an den Blick eines Feudalherrn erinnert, das lässt sich schwer vermeiden.

Ein Diskussionsteilnehmer weist darauf hin, dass man eigentlich nicht wirklich von feudalgesellschaftlichen Strukturen sprechen kann, denn auf dem Gutshof arbeiten ja nur 2 oder 3 Leute. Somit ergibt sich keine dominante Struktur, die in der Region nur Landwirtschaft erlaubt, und somit allen Menschen eine feudale Struktur aufzwingt.

Für Koepp gibt es mehrere Gründe, warum es im Film keine deutlicheren Bilder von der Armut in der Region gibt. Wie so was aussieht, ist bekannt, und er sucht das auch nicht besonders. Sein „Vor- oder Nachteil“ ist, dass er mit Menschen dreht, die er kennt und mag, und auch gerne weiterempfehlen möchte. Da kann es durchaus sein, dass ein Film zu freundlich gerät. Es wird einen Film von ihm geben, in Masuren gedreht, da wird die Armut eher vorkommen. Das ist aber auch eine andere Geschichte.

Koepp spricht dann noch kurz über die langjährige Zusammenarbeit mit seinem Kameramann Thomas Plenert. Obwohl sie ein eingespieltes Team sind, dreht Plenert nie alleine. Sie sitzen zusammen im Auto, fahren umher, und drehen. Plenert interessiert sich ja auch für das, was er filmt. Und nach zwei Wochen mit Koepp ist er gerne wieder zu Hause und dreht einen Spielfilm, denn „da muss man nicht den ganzen Tag übers Leben reden, und am Abend auch noch“. Plenert löst viele Szenen selbst auf, obwohl er seinen Regisseur auch manchmal bittet doch mehr zu sagen.

Koepp wollte den Film eigentlich nicht für das Kino machen, aber durch die Initiative „Delikatessen“ vom Verleih Salzgeber, der den Film in sein Programm aufnahm, hat er sich dann für den Dreh auf DigiBeta entschieden. Pommerland war der zweite Film, den Koepp digital gedreht hat.

Eine anschauliches, unaufgeregtes Gespräch zwischen Margarete Fuchs, Volker Koepp und dem Publikum, mit keineswegs oberflächlichen Antworten und Beobachtungen.