Film

Yuki
von Mieko Azuma
DE 2004 | 40 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 28
11.11.2004

Diskussion
Podium: Yuki (Protagonistin), Mieko Azuma
Moderation: Fred Truniger
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

Yuki lacht. Die Japanerin lebt mit ihrem Freund Phillip in Deutschland. Sie missverstehen sich oft. Nicht aufgrund der unterschiedlichen Sprachen, sondern wegen der unterschiedlichen Kulturen, sagt Yuki. Als sie ein letztes Mal ihre krebskranke Mutter in Japan besuchen will, steht Phillip ihr bei. Doch es ist nicht nur ein Abschied von der Mutter, es ist auch ein Abschied von ihrer Kultur. Yuki weint.

Protokoll

Ein total freundlicher Mensch. Noch fremd & mit ganz viel Abstand zu allen anderen Menschen. Unnahbar vielleicht. Der nach anderen sucht, die in seine Nähe kommen können. Jemand, der möchte, dass er wahrgenommen wird. Der glücklich ist, wenn ihn jemand filmt.

Eine andere Person. Eine zweite Person. Sie sucht jemanden, der sie spiegeln kann. In der sie sich wieder finden kann. Der sie ihre eigenen Projektionen zeigen kann. Mit der sie ihre eigenen Projektionen bebildern kann. Bilder aus den Gesprächen mit der ersten Person, die im Kopf der zweiten Person entstehen. Diese Bilder dann mit der Kamera suchen. Immer wieder.

Zwei Menschen finden sich und werden zu Freundinnen bei der Arbeit an ihrem Leben.

Ein Schwebezustand, der leicht aus der Balance kippen kann. Verletzen. Verstören. Widersprüche. Eine Balance, die kippt, führt auch zu einer Bewegung. Entwicklung. Veränderung. Nicht Alles beim Alten lassen. Aber vielleicht nicht sofort.

… vielleicht beim nächsten Mal …

Eine dritte Person. Schon längere Zeit ein Verbündeter der ersten Person. Wie passt die zweite Person dazwischen? Es braucht eine Eingewöhnungsphase, in der die zweite Person in die Beziehung zwischen der ersten und dritten Person eindringen kann. Eine Kamera wird mitgebracht, aber niemand weiß, ob & wann die Kamera wirklich läuft. Oft wird die Kamera ausgeschaltet. Oft wird mit der Kamera gehadert, ob man das nun wirklich filmen kann. Filmen darf. Mit sich selbst & der Kamera kämpfen. Wonach suchen die Bilder der Kamera? Und die Töne? Die Kamera wird eingeschaltet und gleich wieder ausgeschaltet und es wird darüber kommuniziert.

Die Suche nach inneren Welten. Bildern. Stimmungsfarben. Nach Momenten, in denen sich die innere Welt zeigt. Die Farbe Blau & eine Wiese hinter der Fabrik von Yukis Vater mit blauen Blumen. Die gab es mal. Und nun blaue Blumen in der neuen Heimat suchen. Und pflanzen.

Störfaktoren suchen & „schön“ finden. Stellen, wo die Balance kippen kann. Bilder sind erst schön, wenn sie nicht ganz „sauber“ sind. Und werden so vielleicht „wahr“. Im Leben wie im Film.

Im Film: Eine Autofahrt mit Yuki. Man weiß nicht, wer da noch im Auto sitzt. Yuki & wer? Und wo ist das überhaupt? Ein Traum? Oder schon in Japan? Nein.

Zuschauer sehen „lose Fäden“ und versuchen zu knüpfen. Wie alles zusammenkriegen? Findet man den Faden zur Familie? Während eines Jahres entstehen 20 Stunden Filmmaterial. Was ist dazwischen passiert? Fehlt etwas im Film? Ja, es fehlt viel im Film. Aber beim Schnitt war dann alles in den Bildern enthalten.

Die dritte Person war der ersten Person schon vorher sehr nahe gekommen. Das hat die erste Person verwirrt. Es war ja das erste Mal. Da kam es zu einer Kissenschlacht, die mit einem gebrochenen Arm geendet hat. Der grüne Gips kennzeichnet nun die erste Person. Einmal geht sie mit dem grünen Gips durch gelben Sand unter blauem Himmel. Plötzlich wechselt das digitale Bild zu Super8-Film: wacklig, grobkörnig und verkratzt. Der grüne Gips aus der Jetztzeit ist immer noch am Arm, aber es könnte eine andere Zeit sein. Eine Kindheit vielleicht. Oder wieder ein Traum. Oder eine Amateur-Zeit. Amateure lieben was sie machen. Und wollen immer wieder Neues kennen lernen. Anderes Material ausprobieren. Versuchen.

Japaner, die sich in Deutschland „japanischer“ fühlen als in Japan. Darauf achten was man macht. Warum man etwas macht. Und wie man es macht.

Wutausbrüche sind eher „untypisch“ für Japaner, sagt ein deutscher Japan-Kenner. Aber der Wutausbruch, der zum Gipsarm führte, hat in Deutschland stattgefunden.

In Japan wendet sich die Kamera fast von den Menschen ab. In Japan gibt es eine andere Form, wie man auf Menschen zugeht, man kommt sich nicht so nah. Bei der Familienfeier werden die Menschen nur mit dem Rücken gefilmt. Mieko Azuma hatte zu dieser Zeit noch „Angst“, mit der Kamera dabei zu sein / mit der Kamera zu kommunizieren. Sie war noch am Probieren, am Kennenlernen. Yuki erfährt, dass der tödliche Krebs ihrer Mutter eine Fehldiagnose des Arztes war. Die Familie ist sich wieder etwas näher gekommen. Japan. Fehldiagnose. Deutschland.

Dann der weite Flug. Ganz weit oben, in einem kleinen weißen Kondensstreifen am Himmel, den ein ins Bild kommender Finger nah an der Kameralinse nachzeichnet.

Die dritte Person war in Deutschland geblieben, als die erste & zweite Person ans andere Ende der Welt aufbrachen. Die dritte Person mag Flugzeugmotorengeräusche. Flugzeugmotorengeräusche erinnern an den Mutterleib.

Es kommen zwei Bären ins Bild, die von der ersten Person umarmt und von ihr mit dem Leib umschlungen werden. Dazu hören wir leise Flugzeugmotorengeräusche. Die erste Person fühlt sich nun bei diesen Geräuschen auch an den Mutterleib erinnert.

Der Ton wird hier leise aus der vorhergehende Szene „rübergezogen“. Auch an anderen Stellen verbindet dieses Auf & Ab des Tons die Geschichte.

An der Filmhochschule hat anfangs niemand verstanden, was Mieko Azuma machen will.

Yuki hat für sich die Frage noch nicht beantwortet, ob sie diesen Film ihren Eltern zeigen wird.

Am Ende möchte ein deutscher Zuschauer die „wirkliche“ Familiengeschichte erzählt bekommen. Die beiden Japanerinnen schauen sich lange an. Dann ihn. Yuki sagt leise:

Vielleicht beim nächsten Mal.