Protokoll
Am Anfang war der Affe, dann kam der Homo Sapiens und nun die „Space Person“: der Weltraummensch ist geboren. Story ist eine „Story“ im doppelten Sinne, denn es ist die selbsterzählte Geschichte des amerikanischen Astronauten Story Musgrave, die der Film von Dana Ranga zur Video-Oper in mehreren Akten und mit opulenten Bildern werden lässt.
Selbst nach mehrmaligem Sehen immer wieder tief begeistert von der Intensität des Films stellt der Moderator Fred Truninger zum Einstieg der Podiumsdiskussion die Basisfrage: Wie kam es zu dem Projekt?
Auch wenn der eigentliche Film in nur knapp vier Monaten komplett produziert wurde, ging dem eine lange Vorbereitungszeit auf unterschiedlichen Pfaden voraus. An die fünf Jahre hatte sich Dana Ranga mit dem Thema Raumfahrt beschäftigt, Gespräche mit über 50 Astronauten geführt, bis sie auf Story Musgrave gestoßen war. Als wenig medienscheuer und eloquenter Mensch, mit einer zudem ungewöhnlichen Geschichte, war der die gefundene Hauptfigur. (So unglaublich diese Geschichten Musgraves zu seiner Identität klingen mögen, die Personenüberprüfung der Nasa garantierte Ranga die Echtheit von Story Musgrave).
Eine der einschneidendsten Erfahrungen von Story waren dessen Raumfahrten und damit das Thema der Schwerelosigkeit. So wurde es auch eine grundlegende Frage für die Filmemacherin, wie man Schwerelosigkeit filmisch darstellen kann. Ihre Lösung beschreibt sie mit den Mitteln der „Reduktion“ und der „Abstraktion“, die den Film beherrschen. Durch das gesamte Projekt zieht sich für sie der Versuch, die Hauptfigur und die filmischen Bilder in eine „Schwingung“ zu bringen, „in eine Sphäre, wo es einfach passiert.“ Viel Zeit war dafür nicht, aber das Wissen, dass man durch ästhetische Experimente wie einen ungewöhnlichen Aufnahmeraum, ungewohnte Kamerapositionen, ein körperlich beeinflußtes Raumgefühl des Protagonisten in einer Art „Gratwanderung“, einem „freien Fall“ eben diese Schwingung erzeugt. Story, als unberechenbarer und unkonventioneller Mensch, hat all diese ästhetischen Experimente des Drehs mitgemacht. Wenn er auch bis zur Aufführung beim Festival in Marseille misstrauisch war, ob das Low Budget Projekt tatsächlich ein professionelles sei.
In den Gesprächen der Kommission, so erfuhr man von Werner Ruzicka, hatte es starke Debatten zur Inszenierung der Figur gegeben, die ihm wie zusammengedacht aus unterschiedlichen amerikanischen Typen erschien. Und auch in Anbetracht des Festivaltitels „echt falsch“ war es Fred Truningers Frage, wie „echt“ oder „falsch“ Dana Ranga selbst der Story Musgrave erscheine, den der Film inszeniert. Ranga entschied: „echt echt!“. Sie habe aber versucht, Story dazu zu bringen neue Antworten zu geben, nicht stereotyp zu sprechen. Was möglich wurde, indem sie ihn auf einer räumlich-körperlichen Ebene bedrängt und erinnert habe: Beispiel dafür etwa das Sprechen über sein Erleben der Raumfahrt aus einer engen Box heraus, mit der Kamera dicht vor sich, oder das Erzählen seiner Kindheit mitten in einem Kiefernwald mit entblößtem Oberkörper und barfuss auf weichem Waldboden stehend. Durch ästhetische Mittel wie etwa die Zeitlupe der Bewegung und zeitversetzte Sprache an einigen Stellen im Film sollte auch die Differenz zwischen Story Musgrave dort und den Zuschauern des Films hier deutlich werden.
Vom Publikum noch keine Frage (ein Zeichen von fraglosem Glück über die überwältigenden Eindrücke des Films???)
Das Thema des Rhythmus, der im Film auffallend sei, spielte Fred Truninger ein. Und vielleicht lässt sich dazu auch in Bezug setzen, was Ranga als eine Anmerkung einer Freundin zu dem Film erwähnte, dass für sie der Film in sich immer wieder enden würde. Auch Story Musgave, so Ranga, erfinde sich selbst immer wieder neu. Und so erscheint ihr genau dieser Rhythmus des Films richtig. Neben dem filmischen Rhythmus war es das Medium der Sprache, so die Autorin, die über ihre Begrenztheit hinaus doch am geeignetsten war, das Unbeschreibliche der Erfahrung der Space Person Story zu vermitteln. Im Grunde hätte man sich mit der Konsequenz der Philosophie des nun möglichen Weltall- Menschen noch gar nicht beschäftigt. Story hat das für sich versucht, was ihn u.a. für Ranga so interessant machte.
Dann die erste Publikumsfrage: Ob man die Erinnerungsarbeit der Regisseurin – konkret ihre eigenen Fragen an Story Musgrave – nicht auch hätte dokumentieren sollen. Was Ranga aber ablehnt und Ruzicka mit dem Einwand erweitert, man solle dringend trennen zwischen dem Sprechen selbst, der Inszenierung des Sprechens und der filmischen Ebene des Sprechens, die daraus entstehe.
Und nachdem das Publikum sich weiterhin geheimnisvoll bedeckt hielt, war Fred Trunigers letzte Frage die, was der Unterschied zwischen dem Jungen im Wald und dem Mann im All sei, bzw. was der Mann im All gelernt habe?
Ranga: „Dass er diesen schweren, schweren Schmerz nicht los wird.“ (Im Film erfährt man von der bedrückenden Kindheit Storys und dem Verlust der nahezu ganzen Familie durch eine Reihe von Unglücksfällen).
Story selbst sagt im Film an einer Stelle dazu, was ihn das All in letzter Konsequenz gelehrt habe:
„Es gibt nur eine Konstante im Universum, und das ist die Veränderung“ und damit fährt er fort sich weiter neu zu erfinden…