Film

Peiden
von Mattias Caduff
CH 2002 | 24 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 26
08.11.2002

Diskussion
Podium: Matthias Caduff
Moderation: Gudrun Sommer
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Heute zählt das Bündner Bergdorf Peiden nur etwa ein Dutzend Einwohner. Seit 50 Jahren leben die Bewohner mit der Abrutschgefahr ihres Dorfes. Dennoch sínd manche vor Ort geblieben und führen ein Leben nach ihren ganz eigenen Regeln. Der Filmemacher gewährt direEinblicke in skurrile Alltagsgeschichten, die erahnen lassen, dass es sich scheinbar um eines der letzten Refugien für ‚Freigeister‘ handelt…

Protokoll

Mattias Caduff erklärt, warum er eine Erzählung und keinen Kommentar als Text für seinen Film haben wollte, und sogar die Bezeichnung „Märchen“ in Ordnung finden würde. Dies erleichtert auch nicht unbedingt das Verfassen des Diskussionsprotokolles, obwohl das eigentlich die Antwort auf die Frage nach der subjektiven Erzählweise in PEIDEN war, nach der besonderen Sprache, Intonation, Textsorte.

Danach berichtet der Regisseur von den ernsten Problemen dieser Methode des Über-die-Leute-Sprechens. (Aber auch) Caduff weiß um die permanente Gefahr bei dieser von ihm gewählten Form, weiß , dass er damit leben muss. Aber, gibt er zu bedenken, wenn man Leute selbst vor der Kamera reden lässt, ergibt sich dann später das gleiche Problem beim Schnitt, wegen der Abwesenheit der Protagonisten bei der Projektion. Am Ende sei der Autor der Schuldige, nicht der Protagonist. In seinem Film ist dieses Problem des Über-die-Leute-Sprechens so prominent, hofft Caduff, dass man das sieht. Es gebe ja ein paar Hinweise darauf.

Diese Form, in der der Erzähler sich breit macht und oft den Blick auf die Menschen verstellt, sieht Caduff auch als Gegenposition zum Direct Cinema. Denn auch dort, obwohl um Authentizität bemüht, wird Wirklichkeit modelliert. Ein Filmemacher übersetzt, vermittelt, wertet immer.

Er steuere nicht direkt auf die Leute zu, weil er sich als der Filmemacher dabei selbst im Weg stehe. „Ich bin da zwischen mir und den Leuten.“

Ein Städter wie er, so Caduff, spricht nun mal nicht die selbe Sprache wie die Leute aus diesem Dorf, hat andere Interessen, andere Fragen. Er musste sich langsam an die Dorfbewohner annähern. Diese Form der Erzählung soll diese Distanz, die da bleibt, zeigen. Soll zeigen, dass so eine Suche oft unmöglich ist. Manchmal hören da die Fragen auch schnell auf, wenn der Gartenzaun dazwischen bleibt. Distanz bleibt klarerweise, aber auch Humor soll da Platz haben, neben Einsamkeit, Tod, Arbeit. Dies sei eine Ebene, die sucht, mit den Leuten (Caduff betont: „Ich sage nicht: findet“), und dabei stößt man auch auf witzige Sachen. „Ist halt auch lustig, die Welt.“ (Caduff) Er wollte ein Gewebe mit lustigen und ernsten Motiven, die teilweise versteckt und nicht ausgesprochen bleiben. Sein Film sei leise und undeutlich, Dinge müssen eher gesucht werden, und oft glaubt er, Dinge zu entdecken.

Caduff interessierte sich bei seinem Film dafür, die Wirklichkeit über eine Erzählung zu vermitteln, aber er verwahrt sich dagegen, damit (mehr) „Ehrlichkeit“ und „Wahrheit“ beanspruchen zu können. Was ihn beim Film interessierte war, diese Methode anzuwenden.

Gudrun Sommer kommt noch einmal auf diese Grenzen im Dorf zurück, ob das

zum Aufrufen von bestimmten Mythen führt, zu Menschentypen, dazu, dass man viel über Arbeit definiert. Da besteht die Gefahr der Verniedlichung, aber gibt es da auch subtile Brüche im Film? Die Brüche von, hier zögert Sommer sichtlich, sucht nach einem besseren Wort und sagt dann widerwillig aber doch, Klischees: War die auffällige Intonierung der Sprache ein Versuch mit diesen Mythen umzugehen?

Caduff, unweigerlich: „Klischee ist schwierig.“ Wie solle er, fragt er, als Filmemacher ohne Klischees sprechen? Die Frage nach dem Beruf ist noch immer eine der sinnvollsten Fragen, um einen Menschen ein wenig kennen zu lernen. Man muss sich bewusst sein, dass man Klischees verwendet, aber eben versuchen, dies ohne negative Vorverurteilung zu tun. Die Wahrheit scheint immer an falschen Modellen durch. Caduff spricht vom Versuch, das Unsagbare – aber Spürbare – im Modell zu sehen. „Die Wahrheit an falschen Formen ist eine Arbeitshypothese von mir“, so der Regisseur.