Synopse
Bill Gates‘ Ex-Kollegen: Oft sind sie nach wenigen Jahren ausgebrannt, haben einen „programmers‘ block“. Der Rückzug ins frühe Rentnerleben ist versüßt. Man hat die eine oder andere Million flüssig, um sich ein nettes Eigenheim einzurichten. Aber wie richtet man sich ein in einem solchen Leben?
Protokoll
“Ein Leben nach Microsoft …- Wir alle hätten es gerne…”, eröffnet Fred Truniger die Diskussion.
Auf die Eingangsfrage, ob denn die Thematik einem politischen Interesse an Bill Gates’ Imperium oder privaten Begegnungen mit Einzelschicksalen entspringt, erzählen die beiden Filmemacherinnen Regina Schilling und Corinna Belz, dass eine amerikanische Freundin, die 5 Jahre bei Microsoft gearbeitet und die Firma mit 2 oder 3 Mio. Dollar verlassen hat, Ausgangspunkt war. Aber natürlich wird die Firma auch mit Neugier und Entsetzten betrachtet.
Für Fred Truniger ist der Film auch ein Werk über die verschiedenen Ebenen von Kontrolle, so wie es einer der Protagonisten ausdrückt: “It gives you an enorm sense of power.” Bleibt die Frage: Wer wen kontrolliert und was Kontrolle im Einzelnen bedeutet?
Regina Schilling weist darauf hin, dass die Menschen bei Microsoft unter einer enormen Selbstkontrolle arbeiten. Alle richten sich nach einzig marktorientierten Slogans: “Be smart. Work hard. Solve problems.” usw. Das ist eine der Strategien von Microsoft, denn es geht ja darum, den Markt zu kontrollieren. Corinna Belz ergänzt: Es herrscht innerhalb von Microsoft eine starke Gruppendynamik. Diese wird deutlich, wenn die Menschen im Film ausführen, dass alle in der Firma 70 Stunden die Woche arbeiten und man dann nicht einfach früher nach Hause gehen kann. Die Firma fördert diesen Prozess und macht ihn sich zu nutze; auch durch ihr Motto: “We hired only A-level- people.”
D.h., so Truninger, das Inidividualität ausgeklammert wird. Walt, einer der porträtierten, ist ein Beispiel für einen irgendwann nicht mehr funktionierenden Arbeiter. Auffällig ist, dass die Sprache des Konzerns auch die Sprache der dort arbeitenden Menschen ist. Sogar wenn sie die Firma verlassen, übernehmen sie die Sprache und verwenden sie in ihren neuen Arbeitsbereichen. Die Frage an die Filmemacherinnen ist, ob den Protagonisten bewußt ist, wie weit die (sprachliche) Identifizierung reicht.
Das Arbeitskonzept von Microsoft, so die Filmemacherinnen, das hinter der Sprache, der Selbstkontrolle und den Einstellungsprinzipien liegt, ist das amerikanische, marktorientierte Erfolgskonzept, das alle amerikanischen Firmen und auch deren Mitarbeiter leben.
Warum die Filmemacherinnen gerade die Firma Microsoft ausgewählt haben, liegt neben dem persöhnlichen Kontakt schließlich auch an den ‘besonderen’’ Arbeitsstrategien eines Bill Gates. Er war der erste, der junge Leute direkt vom College holte und frühkapitalistische Prinzipien mit einer neuen Lebensart (arbeiten auf dem Campus, mit Sportplätzen, Teamgeist-Beschwörungen, alle tragen Jeans und Hemden) verknüpft hat. Und Microsoft ist mittlerweile stärker präsent in unserem Leben als z.B. Coca-Cola. So gesehen gibt es keine vergleichbare Firma.
Gibt es Ergebnisse, die nicht im Film zu sehen sind, bzw. persöhnliche News über die ehemaligen Mitarbeiter, die ja fast alle jung, männlich, weiss sind und ausstrahlen, als können sie alles kriegen, fragt Truninger.
Regina Schilling und Corinna Belz weisen darauf hin, dass z.B. Walt gar nicht denkt, er kriege alles. Er ist nicht zu Microsoft gegangen, um das große Geld zu machen. Das Geld, das er aus der Abfindung bekam, wirkte bei ihm wie ein Sedativum. Er kommt, wie die meisten ehemaligen ‘Microsofties’, aus eher armen Verhältnissen, die eine Art Opfer des Reichtums geworden sind und nun nicht genau wissen, was sie mit dem Geld anfangen sollen. Das hätte man auch grotesk inszenieren können, so Schilling, aber das war nicht der Fokus. Interessiert hat die persönliche Tragik der Ex-Mitarbeiter.
Für Jutta Doberstein ist es die Leistung des Films aufzuzeigen, dass für diesen Arbeitsbereich Menschen gesucht werden die “eine ‘10’ an Intelligenz und eine ‘0’ an Wissen” (Filmzitat) mitbringen müssen. D.h. es werden Menschen ausgewählt, die ohne Bildung und Lebenserfahrung sind. Nach ihrem Job schlägt dann die Realität zu. Programmierer, die für Jutta Doberstein vorher zu einer Eliteschicht gehörten, werden nun als Arbeiter sichtbar. Ein Zuschauer spricht an, dass in Europa Firmen mittlerweile nach den selben Prinzipien arbeiten. Für Regine Schilling ensteht an diesem Punkt auch die Melancholie des Films: Walt entdeckt, mittlerweile Mitte 40, dass er in der Firma seine Jugend verloren hat.
Gefragt nach den Drehkonditionen, erläutern die Filmemacherinnen, dass sie ca. zwei Stunden Drehzeit auf dem Campus von Microsoft hatten. Allerdings stellten sie fest, dass die (Arbeits-) Strukturen, die sie aufzeigen wollten, dort nicht sichtbar wurden. Darum entschlossen sie sich auch Archivausschnitte einer firmen-internen Veranstaltung einzuschneiden, um zumindest im Ansatz zeigen zu können, wie dieser große Druck, der auf den Mitarbeitern lastet und zu diesen vielfach auftretenden ‘Burn-outs’ führt, entsteht. Auch Entlassungen, so die Filmemacherinnen, laufen nach eigenen Gesetzen: Man wird gegangen. Erst wechselt man die Gruppe, und wenn keine Veränderung eintritt, folgt das Gespräch mit dem Manager und der Empfehlung: Move on!
Fred Truniger fragt noch einmal genauer nach: Walt spricht davon, dass es ihm nicht gut geht. Alle anderen sagen nichts. In welcher Befindlichkeit sind die Protagonisten?
Wir haben eine Scham bei den Interviewten endeckt, Geld zu haben und es auszugeben, erläutern die Filmemacherinnen. Gleichzeitig eine Unsicherheit nicht zu wissen, wie lange das Geld ausreicht. Was uns aber auch erschreckt hat, ist die unkritische Haltung gegenüber Microsoft. Nur Marlin sagt, dass nicht Bill Gates ihn reich, sondern er und andere Bill Gates reich gemacht haben.
Die Sichtweise auf die Ex-Microsofties als ‘verlorene Söhne’ führt bei Jutta Doberstein dazu, dass man unweigerlich auf alte Wertprinzipien gestoßen wird, nach dem Motto: hätte Walt eine neue Familie, wäre alles nicht so schlimm. Diesen Eindruck bestätigen Schilling und Belz durch ihren Eindruck, Walt fehlt die Arbeit. Während der Dreharbeiten war das Filmteam wie Spielkameraden für ihn. Es hat sich anders herum auch eine große Sympathie zu den Protagonisten eingestellt, die alle aus einer extremen Fallhöhe gestürzt sind, ihre Arbeit als einen Familienersatz gelebt haben und feststellen mussten, dass letztlich jeder austauschbar ist.
Ca. 10.000 Menschen sind seit Mitte der 80er bis zum Jahr 2000 ausgestiegen, die Microsoft mit einem Vermögen von mehr als 1 Mio. Dollar verlassen haben.
Seit die Microsoft-Anteile stetig im Wert sinken, hat sich die Möglichkeit des schnellen Reichtums für Microsoft Mitarbeiter relativiert, daher sind die im Film gezeigten Menschen mittlerweile eine “historische Schicht”. Das System ist instabil, es gibt keinen voraussagbaren Reichtum mehr.
Am Ende der Diskussion verweist Jutta Doberstein noch auf die einzige afro-amerikanische (Ex-)Mitarbeiterin von Microsoft. Sie hat ein Ausbildungsprogramm für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Neben der Arbeit am Computer steht für Trish vor allem der Grundsatz: “They have to know the system.”
Corinna Belz erzählt, dass sie den Eindruck hatten, dass Trish aber bereits wieder auf dem Absprung sei; das Baby sei groß, alles erreicht.