Film

Ich war Täter
von Walter Blohm
DE 1996 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 20
07.11.1996

Diskussion
Podium: Walter Blohm
Moderation: Werner Schweizer
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Walter Blohm sieht seinen Film Ich war Täter als letzten Teil einer Trilogie, deren erster Teil Ich war Nazi den Vorgang des Bewußtseinswandels bei einfachen Leuten thematisierte. Der zweite Teil Pfarrer als Soldaten hatte eben jenes zum Thema. Für Blohm blieb aber immer noch die Frage offen, was der einfache Soldat im Krieg empfunden, wie sein Weltbild ausgesehen und sich verändert hat, und er mit diesen Erfahrungen bis heute umgegangen ist.

Dieser Zugang zu den eigentlichen „Tätern“ im Krieg ist bisher nur selten gesucht worden: Das soldatische Handeln ist weitgehend tabuisiert, in Deutschland (weil es den Krieg verloren hat), aber auch in last allen anderen Gesellschaften. Die Deutschen hoben 50 Jahre zu diesem Thema geschwiegen, allenfalls die Leiden der „Täter“, d.h. lediglich Themen wie ‚Hunger‘, ‚Kälte‘, ‚Kriegsgefangenschaft‘ wurden bisher zum Gegenstand von Publikationen.

Über eine Anzeigenkampagne fand Walter Blohm etwa 50 Soldaten, die bereit waren, zu diesem Thema auszusagen – darunter allerdings viele SS-Leute oder Soldaten, die zu stark von ihren damaligen Erlebnissen traumatisiert waren. Zwei Interviewpartner, die noch dem Krieg zur Bundeswehr gingen, und jetzt über die Fortführung der Tradition soldatischen Handeins aussogen wollten, wurden von der Familie bzw. einem Arzt (wg. „Herzschwierigkeiten“) deren gehindert. Andere wollten nur am Telefon bzw. anonym erzählen.

Auffällig das psychische Phänomen der Verdrängung, daß diese Männer viel über das Verholten von anderen reden, daß man so (per Verdrängung) vom Täter zum Zeugen wird – und sogar die gegnerischen Opfer zu Schuldigen (weil als Soldaten eben „schlecht ausgebildet“).

Vergleiche mit Pfarrern und der „Beichte“ wurden geäußert: Diese Männer empfanden das filmische Aufzeichnen ihrer Erlebnisse als eine Art Beichte, nach der sie mit ihrer Schuld nun nicht mehr allein dastehen, sondern einer Gemeinschaft von Schuldigen/Tätern angehören. Diese entlastende therapeutische Funktion wollte Walter Blohm über die Filmaufnahmen hinaus aber nicht fortführen.

Die wichtige Botschaft dieses Films liegt in der Erkenntnis, was der Krieg mit Menschen macht. Kriegerische Handlungen sind grundsätzlich zu hinterfragen, aber jeder Staat deckt darüber den Mantel des Schweigens. Wer in die Kriegsmaschine hineinrutscht, für den ist es zu spät, Widerstand zu leisten. Widerstand muß vorher kommen. So sieht denn auch jemand diesen Film als Hilfestellung für Kriegsdienstverweigerer.

Die viel zu viel schrecklichen Bilder im Fernsehen führen ja bekanntermaßen zur „Abstumpfung“ … und so empfanden viele die Schilderung der Tiertötungen anrührender als das Töten von Menschen.

Auf Verwunderung stoßen zwei Formulierungen aus dem Film: Die Redewendung „Das ist doch logisch“ (die in den 40er Jahren noch nicht verwendet wurde) sowie „Das hat mit Krieg nichts zu tun“ (mit der man vor sich selbst rechtfertigen kann, daß man dabei war). Hier scheinen Vergangenheits-Verarbeitungs-Klischees aus der heutigen Zeit angelernt bzw. oder aus den Medien abgeguckt worden zu sein.

Militärgeschichtler lobten den Film, erzählt Weiter Blohm, weil hier Erkenntnisse und Erlebnisse gezeigt werden, nach denen manche jahrelang in Forschungsarbeiten gesucht haben, ohne etwas zu finden.

Als „eindrucksvoll“ wurde die Verbindung von O-Tönen der alten Männer mit ihren jungen Gesichtern auf den Standfotos gelobt: Hier offenbare sich die Verführung junger, unschuldiger Menschen zu Tätern werden.

Ein grundsätzliches Problem im Umgang mit Kriegsverbrechen – und deren Offenlegung durch Beteiligte – ist die Strafverfolgung, die auch heute für die damaligen Taten noch möglich wäre und so eher das Schweigen begünstigt.

In Bezug auf Kreimeiers Vortrag „Das Politische“ betonte Dietrich Leder die Notwendigkeit der weiteren Aufarbeitung unserer Geschichte, die wir als „Erbschaft“ von der vorherigen Generation übernehmen müssen.