Film

Alp
von Heinz-Jürgen Middendorf
DE 1995 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
07.11.1995

Diskussion
Podium: Heinz-Jürgen Middendorf
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Das Reden über diesen Spätfilm zu noch späterer Stunde hatte etwas von der Einfachheit dieses Firns, in dem der Regisseur in einfachen Sätzen erzählen wollte: in Haupt- und Nebensätzen.

Die erste Frage, wie denn ein Norddeutscher auf die Idee zu einem Film über die Schweizer ALP käme, erschöpfte sich in der Begründung Middendorfs, er habe einen Telefonanruf erhalten und zu der Zeit gerade nichts besseres zu tun gehabt, also sei er diesem „Ruf der Berge“ (Ruzicka) gefolgt: Zuerst war es ein Buchprojekt, danach erst kam die Idee zu einem Film – sehen wollen, was mit Film geht. Daß die Produktion dann drei Jahre gedauert habe (von Juli 92 bis Frühjahr 94), erklärte Middendorf mit den Schwierigkeiten, die ein erster Film aufwirft, bei dem das ursprüngliche Konzept überhaupt nicht funktionierte, so daß er im zweiten Jahr fast alles noch einmal drehen mußte.

Ruzickas Hinweis auf den Vorwurf des „romantischen Sentimentalismus“ anderer Kritikerkollegen zu ALP, ergänzte Middendorf mit einer Anekdote zu den Kuhglockentönen im Film, die er in Hornburg teilweise nachsynchronisieren mußte, was bei einer Vorführung in der Schweiz auf Kritik stieß: „Bauern haben andere Kriterien für diesen Film“.

Die Cadrage des Films führte zu einigen Bemerkungen über die Postkartenästhetik, die hier gerade vermieden wurde: „Die Alp ist der Ort direkt unter dem Himmel“, heißt es in der Schweiz, aber statt des blauen Postkartenhimmels konzentriert sich der Kamerablick auf den Boden, den Arbeitsblick der hier tätigen Menschen. Durch Totalen wird Raum und Tiefe erzeugt, und so erscheint dieses Bild der Alpenlandschaft als geradezu ideal abgebildet, als „amorph und sehr hoch“. Die Cadrage schließt aber auch viele Extras ein, so daß der eigene Blick in den Bergen schweifen und man diese Bilder selbst lesen kann. Einen Gegensatz bildet nur die Szene mit dem einsamen Mädchen in nebligen Bergen, die als sehr expressiv und komponiert gelobt wurde, es war auch die einzige Szene, die der Regisseur vorher schon im Kopf hatte: Hier stellt sich sehr eindrucksvoll die Gefahr des Verschwindens in dieser Natur dar, fast eine Parallelität zur Kuhherde, wo fast jeden Tag zwei Kühe fehlen.

Worum er seinen Film denn nicht „Kuh“ oder „Kühe“ genannt habe, wenn die Menschen doch völlig in den Hintergrund treten? – Die Kühe bestimmen nun einmal sehr stark den Tages- & Lebensrhythmus der Bauern, die sehr wortkarge Menschen sind und eher durch Handgriffe als durch Sprache kommunizieren.

Etwas verworren waren fragen und Antworten zur Bildqualität, wobei nicht ganz geklärt werden konnte, ob die leichte Unschärfe und das Wackeln stehender Bilder auf die Projektion oder auf die mittlerweile dem Video unterlegene 16mm-Technik generell zurückzuführen sei.

An Werner Ruzickas Fazit, daß „einfache Sachen“ heute vielleicht viel eindrucksvoller wirken als „elaborierte Filme“ (ähnlich Farockis Entdeckung, daß ostasiatische Maler ein Bild so Iange wieder und wieder malen, bis sie selbst in diesem Bild verschwinden), schloß Middendorf mit der Schlußbemerkung an, daß er demnächst auch „kompliziertere filmische Sätze“ versuchen werde.