Film

Ein König in seinem Reich
von Horst Koenigstein, Ruth Niehaus
DE 1988 | 202 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 12
09.11.1988

Diskussion
Podium: Horst Köntgstein, Ruth Niehaus (Mitarbeit)
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Conny E. Voester

Protokoll

Motiviert durch die Verlängerung und Mutation des 50erJahre-Designs in der bundesdeutschen Unterhaltungsindustrie und Medienlandschaft hat sich Horst Königstein mit einem 88-jährigen „Monomanen“ beschäftigt, der in erster Linie in sich selbst verliebt ist und in allem, was er entwickelt und getan hat, sich selbst sieht.

Horst Königstein will seinen Film als ein „Video über einen Besuch“ verstanden wissen. Dem Zuschauer soll es ähnlich ergehen wie ihnen, dem Team, als sie auf dem Sofa saßen und sich von dem Anekdoten- und Assoziationen hervorsprudelnden alten Herrn überraschen ließen mit Erinnerungs- und Gedankenmäandern. Deshalb will Horst Königstein auch nachträglich keine Fragen beantworten wie die nach dem Lebensstil von Eduard Rhein und warum es keinerlei persönliche Beziehung gegeben zu haben scheint. Soweit sich dies anhand des Gezeigten beantworten läßt, skizziert das Porträt ja die Möglichkeit, daß Eduard Rhein so sehr in seinen Unternehmungen aufgegangen ist – er selbst spricht oft davon, mit der „HÖR ZU“ sein „Kind“ zur Welt gebracht zu haben – daß für eine Grenze zwischen privater und beruflicher Erfüllung gar kein Grund zu bestehen schien.

Genau darin sieht Horst Königstein auch eine der wichtigsten Herausforderungen, die so jemand wie Eduard Rhein bedeutet: in ihrer Monomanie entwickeln solche Persönlichkeiten eine Vision der Welt, mit der man sich auseinandersetzen kann. Er verschwindet nicht in amorphen Puzzels wie heutzutage z.B. Politiker in Strukturen verschwinden, für die sie nicht verantwortlich gemacht werden wollen.

Für sein eigenes Filmschaffen verweist Horst Königstein auf Einflüsse von Eduard Rhein („Allen Königstein-Filmen kann man ansehen, daß sie von Hans-Ulrich Hörster beeinflußt sind“).

In frühen Jugendjahren habe er einen Roman begonnen a la Hans-Ulrich Horster mit dem Titel „Alle Sünden dieser Welt“, sich dann aber in der epigonalkopierten Handlungsdichte und Personenvielfalt verstrickt und beim dritten Kapitel abgebrochen. Eduard Rhein habe sich, als er ihm diesen Entwurf zeigte, sofort drüber hergemacht und Verbesserungsvorschläge bzw. -anweisungen diktiert. In diesem Zusammenhang wiederholt Horst Königstein auch die bislang noch immer gültige Kritik am sträflichen Versäumnis der Linken, sich nicht systematisch und liebevoll dem “Bodensatz an Bedürfnissen beim Publikum“ anzunehmen; er selbst bekennt sich explizit zum Trivialen.

Dies scheint ihm – so einige KritikerInnen – jedoch schon fast zum überwältigenden Verhängnis geworden zu sein: Seine grundsätzliche Sympathie für den ehemaligen Träumer und Tyrannen gerät ihm im dramaturgischen und wohl auch realen chronologischen Verlauf des Porträts zur ergebenen Hörigkeit.  Manche Behauptungen und Äusserungen des alten Herrn hätten kommentiert werden müssen oder auf andere Weise konterkariert. So kommt der Verdacht auf, die Begegnung sei oberflächlich verlaufen und habe sich in liebender Hochachtung erschöpft bzw. verselbständigt.

Hierzu gehört auch, daß einige Diskussionsteilnehmerinnen Fragen vermißt haben nach dem grundsätzlichen Verhältnis zum Springer-Verlagshaus; so hätte es doch beispielsweise schon früher als vor dem tatsächlichen Bruch zwischen Axel C. Springer und Eduard Rhein zu Differenzen kommen können.

Ein Einwand, den Horst Königstein mit dem Hinweis auf den Film beantwortet und damit, daß für Eduard Rhein eben auch typisch sei, nur sein eigenes Produkt wahrzunehmen (HÖR ZU bis 1965) – bei aller Flexibilität und Sensibilität für gesellschaftliche Entwicklungen, Trends, Marktlücken, Moden. In der Fülle der Aktivitäten und der Lebensgeschichte des 11Chamäleons“ Eduard Rhein bieten sich für Horst Königstein eine Menge verschiedener Stränge an, etwa die Erfindung des „product placement“ in diesem Kosmos oder auch der Ansatz zum Medienverbund.

Ein Zuschauer sah den Film als bloßes Charakterporträt und witterte Spott; widersprochen wurde dem mehrfach und heftig. Es war die Rede vom „langweiligen Abfeiern“ des Eduard Rhein wie auch vom lobenden Zeit-nehmen für ein Thema und eine Person. Diesem Umstand schreibt der Zuschauer auch die Qualität zugute, Eduard Rhein nicht nur die flotten Entertainersprüche entlockt zu haben sondern auch Sätze wie den, daß er im Spiegel einen alten Mann sehe, den er nicht leiden mag.

Einige TeilnehmerInnen zeigten sich enttäuscht darüber, daß Horst Königstein zu wenig gewagt hat, sich oft zu früh zufrieden gab, formal wenig Überraschendes oder Provokantes entwickelt hat.