Film

Marmor bleibt immer kühl
von Lutz Mommartz
DE 1986 | 61 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 10
06.11.1986

Diskussion
Podium: Lutz Mommartz, Jürgen Kuhfuß, Peter Rübsam
Moderation: Pepe Danquart
Protokoll: Wolfgang Trostorf

Protokoll

Die Diskussionsrunde wurde durch einen polternden Rundumschlag eines offensichtlich enttäuschten Zuschauers eröffnet. Die darin benutzte Formulierung „der Filmemacher und sein Opfer“ wurde an verschiedenen Stellen der Debatte aufgegriffen. Peter Rübsam selber erklärte dazu, daß er sich nach der Uraufführung etwas „seltsam“ gefühlt habe, weil er über den Film nur insofern informiert gewesen sei, als daß es hier um die Dokumentation der Entstehung einer Plastik ginge. Im Nachhinein sehe er sich ein bißchen „hintergangen“ und als „Vehikel benutzt“ für Mommartz‘ Auseinandersetzung mit Gustav Gründgens. Dennoch wolle er den Film so lassen, keine Veränderungen fordern, auch wenn er Aussagen über Gründgens nicht teile. Mommartz hielt dem entgegen, daß er Rübsam vor der Arbeit am Film die Tonkollage mit der Stimme von Gründgens vorgespielt habe, sodaß die Denkrichtung offen lag. Andererseits wollte sich Rübsam nicht aktiv in die Arbeit am Film einbeziehen lassen und auch keine Statements abgeben. Es gebe von daher auch kein gespanntes Verhältnis zwischen beiden und auch kein schlechtes Gewissen. Dennoch fühle er sich nicht ganz wohl mit seiner Verfahrensweise zu der von Kuhfuß und Mommartz im Film behaupteten Analogie zwischen Rübsam und Gründgens gab der Bildhauer seine Zustimmung, allerdings höchst eingeschränkt. Er habe wohl einen inneren Konflikt über die Annahme des Auftrages ausgetragen, sich aber aufgrund seiner Einschätzung von Gründgens‘ Haltung – und da befinde er sich im Widerspruch zu Mommartz – positiv entscheiden können. Rübsams Vater sei als Künstler während des Faschismus mit Berufsverbot belegt worden, sei aber dennoch geblieben. Alle damals populären Schauspieler haben sich von den Nazis vor ihren Karren spannen lassen, und zwar auch für Propagandafilme. Gründgens dagegen habe konsequent seine Klassiker weitergespielt, sich nur indirekt vereinnahmen lassen. Hätte Rübsam ein Denkmal für Hans Albers schaffen sollen, so hätte er auf jeden Fall abgelehnt. Eine Frage aus dem Publikum war sicherlich von der Erwartung geprägt, in der Auseinandersetzung Rübsams mit Gründgens eine Antwort darauf zu finden, warum sich in der Arbeit an der Plastik die Gesichtszüge von Gründgens von einer naturalistischen zu einer mehr abstrakten Darstellung gewandelt haben. Der Grund lag jedoch in der Umgangsweise mit dem Material: Rübsam wollte, nachdem er den Marmorblock in Carrara gesehen hatte, den Block in seinen Umrissen stehen lassen und wandte sich vom Portrait ab, hin zur Darstellung eines Schauspielers, der durch den Vorhang tritt. Abstrakt sei das Denkmal jedoch nicht geworden, da er eine typische Pose herausgearbeitet habe. Ein Diskutant sah in der Entwicklung des Gründgens Denkmals eine „Verschleierung“ während Mommartz mit dem Fortgang des Films die Kunst entlarvt. Werner Ruzicka sah in der Reibung zwischen Rübsam und Mommartz eine produktive kontrapunktische Bewegung, die beiden Künsten, Film und Bildhauerei gleichermaßen diene. Mommartz betonte den Veränderungsprozeß, den Rübsam während seiner Arbeit /durchmachte und in seiner Arbeit vergegenständlichte, ohne daß der Konflikt auf den Punkt gebracht worden sei. Aus dem Publikum kam die Kritik, daß dieses zentrale Thema im Film keinen bildliehen Niederschlag gefunden habe. Vielmehr habe sich der Regisseur in das Klopfen am Stein, in die Bildhauerei „verliebt“ und den hinter dieser Handarbeit stehenden gedanklichen Prozeß vernachlässigt. Ein langer Abschnitt der Diskussion drehte sich um die Haltung Gründgens‘. Während ihm einerseits zugute gehalten wurde, daß er seine Position nutzte, einigen Juden das Leben zu retten, wurde ihm auf der anderen Seite sein Rückzug auf die Insel des Theaters vorgeworfen: dieses Zur-Tagesordnung-übergehen sei fast so schlimm wie eine offene faschistische Einstellung (Kuhfuß); Gründgens‘ größter Fehler, so Mommartz, sei es gewesen, daß er glaubte, mit seiner Kunst der Politik standhalten zu können, mit seiner Kunst der Faszination einer in ihrem Erscheinungsbild auf Faszination ausgerichteten Politik vielleicht sogar überlegen sein zu können. Da der Ästhetizismus heute wieder ein aktuelles Problem sei, wollte Mommartz mit seinem Film gegen jede Faszination arbeiten, er wollte, „daß die Arbeit häßlich wird“ und die Bildhauerei wie eine Schutthalde zeigen. Dagegen wurde mit zwei Statements eingewandt, daß dies nicht funktionieren könne und “reine Rhethorik“ sei.