Film

Wasserherren
von Klaus Stanjek
DE 1984 | 79 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 8
07.11.1984

Diskussion
Podium: Klaus Stanjek, Angela Haardt
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Nachdem kurz auf den mißglückten Besuch des Films durch eine Schulklasse eingegangen worden war, wurde die Frage gestellt – durchaus in Bezug auf die Unruhe der Schüler, ob der Film langweilig sei?

Eva M.Schmid antwortete mit einem klaren Ja. Der Film, so erläuterte sie ihr Urteil, würde zu viele Bereiche zusammenpacken. Eine Konzentration auf z.B. eine Stadt hätte die Problematik besser zur Darstellung gebracht. Die Szene zu den Halligen sei sicherlich nicht ohne Reiz, nur was liefere sie für den Film? Zudem werde dieser Inhalt in einem Durcheinander verschiedenster Filmstile dargeboten. So seien in dem Film zum einen Bilder, die sich an den impressionistischen Kulturfilmen orientieren, zum anderen Passagen, die einem Industriewerbefilm entlehnt sein könnten, und die Interviews seien immer im Dialekt , abhängig davon, ob sie in Nord- oder Süddeutschland aufgenommen worden seien, ohne Untertitel. Zu dieser Stilmischung trete eine Musikverwendung hinzu, die oft nur tautologischer Natur sei, überhaupt entbehre die Stilmischung eines Konzeptes.

Gegen diese fundamentale Kritik argumentierte dann Angela Hardt. Die Mischung der Stile habe den Sinn, der auf der inhaltliche Ebene erbrachte Geschichte des Wassers vom Naturelement zum Börsenspekulationsobkjekts zu entsprechen. Daher fänden dokumentarische Mittel, wie das Interview Anwendung, und für die filmische Wiedergabe der Natur des Wassers stünde die malerische Qualität mancher Bilder. Mit der Verwendung der Musik komme sie zwar auch nicht ganz zu recht, was sie nicht weiter ausführte. Wichtig war ihr, in dar filmischen· Darstellung des Wassers Theweleits Charakterisierung des Wassers als weibliches Element wiederzufinden.

Diese Parallelität von Wasser und weiblichem Element wollte nun Eva Schmid am Film aufgezeigt wissen. Angela Haardt sah sie darin, daß das Wasser sprudelnd gezeigt wird, in der Fotografie der Landschaft und in der gegensätzlichen Darstellung der Industrieanlagen, wo Rohre gezeigt werden, die Eingrenzung des Wassers, die der Mensch vornehme.

Unbeeindruckt wiederholte Günter Dicks die Kritik, daß Musik und Bilder das Thema mystisch darbieten, der Kommentar nostalgisch oberflächlich sei und die einzelnen Szenen des Films lediglich -feuilletonistisch aneinandergereiht seien, so folge auf die Wallfahrt die Gelsenwasser AG.

Klaus Stanjek bestritt die nahegelegte Zufälligkeit der Bilder; jedes Bild und die Komposition derselben sei genau geplant. Er habe aber keinen linearen, geschlossenen Film machen wollen, entsprechend der Einheit von Ort und Handlung, wie vorgeschlagen. Daher habe er sich nicht auf eine Stadt konzentriert und sich auch nicht einen Repräsentanten erwählt. Das Prinzip seiner Montage ist Beschreibung und Erzählung nebeneinanderzustellen, wie in der Realität die Wirklichkeit aufzunehmen. Hierbei orientiere er sich an Eisenstein (Kontrastmontage), am nouveau roman, an Alain Resnais und Alexander Kluge. Weshalb er für jeden neuen Ort neue filmische Mittel gewählt habe. Ihm gehe es darum , gegen die Gradlinigkeit unseres Bewußtseins an neue Denkmethoden und -weisen zu appellieren, den gesamten Komplex Wasser darzustellen, sowohl dessen Nutzbarkeit, als auch als Element des Kosmos.

Gegen dieses filmische Konzept gab es im weiteren auch keine Einwände, nur die Realisierung desselben wurde bezweifelt, weshalb Werner Ruzicka dann Klaus Stanjek nach Beispielen hierfür in seinem Film fragte.

Der Filmemacher verwies ledig! ich auf die Großstruktur des Films, die sehr wohl eine Entwicklung habe. Die Ungleichzeitigkeit von Erfahrung zeige die Szene mit dem Wünschelrutengänger, die deutlich mache, daß die Entsinnlichung vom Wasser nicht gleichstark verlaufen sei. Nochmals verwies er auf sein Anliegen, die Vielschichtigkeit der Problematik nicht in einer Analyse im Film darstellen zu wollen, weil er auch wisse, daß diese selbst bei engagierten Gruppen (GRüNE, etc.) zu kurz gerate.

Nur das Anliegen des Films war in der Diskussion nie Gegenstand der Kritik, vielmehr ging es um die Einlösung desselben, weshalb erneut Szenen, wie die mit Carstens, die in der Börse und die mit dem durch den Flugplatzbau geschädigten Bauer kritisiert wurden.

Erst jetzt wurde von Günter Dicks, nachdem die Kritik an der konkreten Machart des Films ständig mit dem Anliegen beantwortet wurde, eine falsche Haltung des Filmemachers, die der Naturmystik beklagt.

Diesen Vorwurf griff Angela Haardt auf, um ihn dem Publikum in anderer Form zurückzugeben. Es sei anscheinend nicht möglich, auf Sachen wie „das Element des Kosmos“ zu sprechen zu kommen, ohne daß wir mythisch sofort mit apolitisch, oder sogar faschistisch dequalifizieren. Unser Denken und Fühlen kann diese Bereiche offensichtlich nicht aufnehmen. Gerade das sei aber die Qualität mancher Bilder des Films.

Solch eine Haltung meinte Werner Ruzicka mit „Abholmentalität“ denunzieren zu müssen. Denn es gehe nicht, daß wenn es scheinbar keine rationalen Erklärungen mehr gibt, diese aus den Mythen zu holen. Im Film zeige sich das auch, wenn ständig Andeutungen und Anspielungen hierauf gemacht werden. Dem widersprach der Filmemacher energisch. Der Film würde durchweg explizit auf anderes verweisen. So mit der Qualifizierung der Natur Wasser als grenzenlos auf Theweleit oder mit Brunnengott auf Mythen. Letztlich habe er versucht, auf ein ganzheitliches Verhältnis zu appellieren.

Nachdem dieser Anspruch des Filmemachers als nicht eingelöst behauptet wurde, intervenierte Angela Haardt erneut für den Film. Es sei doch ganz klar, daß die Aufklärung und Rationalität zum Kapitalismus geführt habe. Und es gehe nunmehr darum, unter Beibehaltung der Rationalität das Verlorene aufzunehmen. Gerade dies würde im Film als Problem eben nicht sichtbar, konterte Günter Dicks.

Nochmals nahm Eva Schmid die Auseinandersetzung um den Musikeinsatz auf. Der Filmemacher gab der Musik vor allem die Funktion, die Wahrnehmungsweise, die der Film bedingen will, zu unterstützen. Die Musik bestehe aus einem Thema, das durchgestaltet werde. Die gegensätzliche Haltung zur Musikverwendung konnte auch mit Klaus Stanjeks Verweis auf die Dokumentarfilmtradition bis zu den 68/69igern nicht aufgehoben werden.