Film

Sacy Perere
von Rolf Müller
DE 1984 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 8
09.11.1984

Diskussion
Podium: Rolf Müller
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Wenn auch schon öfters festgestellt wurde, daß die Projektion der Filme technisch nicht dem genügt, was man erwarten müßte, sei die Kritik an diesem bedauerlichen Zustand vor ab erwähnt. Dies auch, weil dieser Musikfilm besonders unter der Projektion litt, da hier noch hinzukommt, daß der Film mit 25 Bildern/sec gedreht ist und nur mit 24Bildern/sec projiziert werden konnte, was den Ton zusätzlich unangenehm werden ließ.

Dietrich Leder, der in Vertretung von Kommissionsmitgliedern die Diskussion leitete, thematisierte zu Beginn die Musik. Er meinte, bemerkt zu haben, daß die Musik im Film Anklänge an Bebob, Cool-Jazz und Col tranebesitze und führte weiter aus, daß die genannten Stile mit einer Emigrationsbwegung verbunden seien, wobei es der brasilianischen Gruppe in Paris um die Wiedergewinnung afrikanischer Musik gehe. Rolf Müller brachte den Einfluß auf die Musik der Gruppe in Zusammenhang damit, daß der Saxophonist bereits 13 Jahre in Europa ist, damit, daß es afrikanische Musik ohne Einflüsse nicht gibt und damit, daß der Jazz der schwarzen Musik vieles vorab entwendet habe. Inbezug auf die genannten Einflüsse beschrieb er die Musik der Gruppe als Entstehungsprozeß. Der Film zeige zum einen, daß die Musik der Gruppe in Auseinandersetzung mit diesen Einflüssen entstehe, und zum anderen dokumentiere er die Erarbeitung der aktuellen Musik der Gruppe.

Der Einfluß von Coltrane auf die Musik hängt aber nicht nur damit zusammen, daß die Musiker im Schnitt 10 Jahre, die Sängerin drei Jahre im europäischen Exil leben, sondern ist wahrscheinlich auch darauf zurückführbar, daß es in Brasilien in den 60iger Jahren eine Auseinandersetzung mit der genannten Musik gab, worauf Walter Mossmann aufmerksam machte.

Trotz dieser Einflüsse sei aber die Musik der Gruppe von grundsätzlich anderer Art, führte Rolf Müller die Diskussion weiter. Im Gegensatz zur europäischen Musik, die durch Stile bestimmt ist, die Entwicklungen in Stilen konserviere, sei die schwarze Musik ständig im Fluß, weil sie ein wesentlicher Bestandteil des Lebens ist. Diese Eigenschaft ihrer Musik mache es der Gruppe auch schwer, für Auftritte verpflichtet zu werden, da für Konzertverträge ein festes Repertoire erwartet wird.

Wenn auch in der Pariser Situation eine geschmäcklerische Aufnahme dieser Musik möglich wäre, so mache der Film doch die bedrückende Exilsituation der Gruppe sichtbar. Denn die Musik könne sich auf die brasilianische Musik bis zum Beginn der Diktatur beziehen, müsse dann aber im Exil stecken bleiben. Auffallend waren daher für Walter Mossmann die Lieder der Sängerin. Rolf Müller erklärte sie durch den Umstand, daß die Sängerin noch immer Kontakt zu brasilianischen Kulten habe.

Im zweiten Teil des Filmgesprächs wurde die filmische Umsetzung der Arbeit der Gruppe, ihrer Musik gelobt.

Wenn es auch Kritik an der Schlußsequenz gab, in der die Betonklötze der Defense gegen die alten Häuser des 20. Arrondisement gesetzt werden, so verlief die Auseinandersetzung eher suchend nach Möglichkeit en der Umsetzung denn kontrovers, wie bei der Auswahlkommission, was Angela Haardt anmerkte.

Im folgenden wurden verschiedenste Eindrücken zu diesen Bildern geäußert. So wurde gesagt, daß die Gegenüberstellung zu simpel das Verhältnis der Musiker zu ihrer Situation wiedergebe. Ihr Verhältnis als Brasilianer im Exil zu leben und eine afrikanische Musik machen zu wollen, der ein brasilianisches Exil vorausgehe, sei komplizierter als die Bilder auszudrücken vermögen. Doch wurde diese Filmwahrnehmung weniger dem Autor angelastet, als vielmehr einem gemeinsamen Gespräch anvertraut.

Daß mit diesen Bildern eine Zerstörung aufgezeigt werden kann, wie von Rolf Müller intendiert, auch wenn Angela Haardt eben deshalb, weil diese Bilder die Wärme der Musik zerstöre, diese kritisierte, dem widersprach Walter Mossmann. Denn gerade zu dieser modernen Architektur passe doch eine genießende Haltung dieser Musik gegenüber. Andererseits finde diese Intention des Autors bei der Gruppe selbst ihre Entsprechung, wenn diese ihre Schwierigkeit damit benennen, auf Zementboden Musik zu machen. Wesentlich geglückter als die ambivalente Schlußsequenz galt der Schnitt und die Kamera, die ein vertrauensvolles Verhältnis des Filmemachers mit den Musikern vermittele. Dargelegt wurde dieser Eindruck an der Szene, in der die Gruppe sich auf portugiesisch über die Anwesenheit der Kamera unterhalte. Daß diese Thematisierung durch die Gruppe nicht zum Abbruch der Dreharbeiten führte, hat die Ursache, daß Rolf Müller wenn er auch spürte, was die Gruppe bespricht, so doch kein Portugiesisch versteht. Aber vor allem war es deshalb kein Problem, weil es weniger um die Kamera von Rolf Müller ging, als vielmehr darum, daß für die Gruppe die Kamera Europa repräsentiere, das nicht Teil ihres Tanzes, ihrer Musik ist. Anfangs waren die Dreharbeiten auch nicht für einen zu veröffentlichenden Film bestimmt, sondern waren der Versuch für Rolf Müller, sein Verhältnis zur Gruppe, zu ihrer Musik darzustellen.

Auch daß die Kamera einen Probenprozeß aufzeichnen konnte, galt als Ausweis für das vertrauensvolle Verhältnis des Autors zu den Musikern.

Von allen anerkannt wurde auch der Schnitt, der die Intention der Musiker mitvermittele. Gedreht, so Rolf Müller, habe er mit zwei Kameras. Einer für die Totalen und einer anderen, die er führte. Dieser Hinweis, war auch Antwort auf die Frage, weshalb oft solange eine Person im Bild festgehalten ist. Denn der Versuch öfters die Totalen im Schnitt zu setzen, hätte er nach einem Versuch aufgegeben und darauf vertraut, daß es ausreicht das zu hören, was man nicht sieht. Aber auch mehr Kameras hätten nichts gebracht, denn die Konzentration der Bilder, die gelobt wurde, ist seiner Ansicht nach darauf rückführbar, daß er meist die Beobachterhaltung habe verlassen können, und die Kamera Teil eines Miteinanderarbeitens gewesen sei. Aufgrund dieser Schnittweise und der Kamera gibt es auch eine Einstellung von 8 Minuten Länge, was von keinem Zuschauer bemerkt worden war.

Mehr einverständig rhetorisch wurde noch gefragt, wie es gelungen wäre in spannend Momenten zu drehen, wo man doch sonst oft vergessen würde zu drehen.

Daß natürlich der Probenprozeß wesentlich länger als diese Stunde gedauert hat, war klar; bemerkenswert war deshalb das Geschick analog zur Musik die Bildschnitte zu setzen, ohne daß die Intention der Musiker verloren gehe.