Film

Blindgänger
von Fosco Dubini, Dietrich Leder, Corinna Belz, Donatello Dubini, Rolf-Dieter Lavier
DE 1984 | 55 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 8
11.11.1984

Diskussion
Podium: Rolf-Dieter Lavier, Dietrich Leder, Fosco Dubini, Donatello Dubini
Moderation: Werner Ružička, Angela Haardt
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Der letzte Film der Duisburger Filmwoche war zu besprechen, viele waren bereits abgereist, dennoch versammelte sich ein kleiner Kreis, der dann die Diskussion zu einer fast privaten Runde machte und ihr ein offenes Reden ermöglichte.

Fosco Dubini erläuterte zu Beginn, daß dieser Film entschieden gegen die Art der ‚Bewegungsfilme‘ gemacht worden sei, weshalb wohl auch kaum Interesse am Ausleih dieses Films bestünde.

Der Film würde aber auch, was die Filmemacher in ihrem Text im Programmheft durch den Vergleich mit „Die Mission“, ein Super-8-Film der 7.Duisburger Filmwoche selber anzeigen und in Bezug auf „Duisburg – knapp verfilmt“, eine Abrechnungshaltung gegenüber dem Dokumentarfilm einnehmen, meinte Werner Ruzicka.

Gegen diese mehr formal-ästhetischen Äußerungen zu dem Film wandte sich ein Zuschauer. Er verstünde nicht, was seine Vorredner meinten. Denn er sehe in dem Film nichts Besonderes. Ihn habe lediglich gestört, daß ein Großteil dessen, was in den Bildern gezeigt wird, im Kommentar gedoppelt wird.

Dietrich Leder gab ihm Recht, bestritt jedoch die negative Qualifizierung. Worauf Werner Ruzicka launig forderte, daß man sich durch die Filmemacher nicht belehren lassen dürfe, sondern diese belehren müsse. Amüsiert entschuldigte sich der Diskutant für seine Unkenntnis der Spielregeln.

Nach dieser Einlage erklärte Dietrich Leder die Dopplung. Der Film sei eigentlich ein Super-8-Film und typisch für dieses Medium sei, daß die Filmemacher Teil der Bewegung sind, die sie dokumentieren. Während der Arbeit an dem Film wären ihnen Widersprüche der Bewegung aufgefallen, für die sie nach Evidenz und Klarheit gesucht hätten.

Diese Beschreibung konnte ein anderer Zuschauer im Film erkennen. Der Kommentar hätte in seiner Formulierung für ihn durchaus Neues gebracht. Doch dem wurde widersprochen. In der Szene mit dem amerikanischen Depot würde der Kommentar lediglich das beschreiben, was das Bild zeige. Diese Kritik unterstützte Werner Ruzicka mit dem Vorwurf, daß die Filmemacher sich viel zu wichtig nehmen würden, wenn auch das Montageprinzip und die Texte sehr intelligent seien.

Fosco Dubini führte aus, daß der Kommentar seine Ursache im verschiedenen Herangehen von ihm und Dietrich Leder habe.

Wo denn diese unterschiedliche Einschätzung bzw. Herangehensweise der beiden im Film zu sehen wäre, wurde daraufhin gefragt.

Beide, Fosco Dubini und Dietrich Leder, reduzierten die Darstellung der unterschiedlichen Herangehensweise auf die ersten zehn Minuten des Films. Und beschrieben, daß sie auf der Suche nach Evidenz manchem so nahe gekommen seien, daß es sich verloren habe. Der Text daher ironisch und provokativ sei.

Mit seinem Einwurf, daß der Film durch das Problem männlicher Intellektualität bestimmt sei, gab Peter Krieg der Diskussion ein Thema vor.

Donatello Dubini versucht daraufhin, die Diskussion wieder auf die Form des Films zurückzuführen. Der Film sei bewußt gegen die ‚Bewegungsfilme‘ gemacht. Daß der Film so zerfasere, sei aber auch ein Problem der Bewegung selber, die ihre Resignation nicht angehe. Die Zerrissenheit des Films war auch Frage für Werner Ruzicka, den es interessierte, weshalb die beiden Stränge, die der Film anfangs besitze, nicht weitergeführt worden sind und weshalb die Autoren den Film in seiner Zerfasertheit dem Zuschauer anbieten. Fosco Dubini deutete die fehlende Kohärenz des Films als Programm: Sie hätten sich nicht auf ein formales, durchgängiges Konzept verlassen wollen, um auch Seitenstränge, Launen und Unpassendem nachgehen zu können. Dennoch besitze der Film drei Ebenen: die Friedensbewegung, die Geschichte des Krieges und die Bilder des Krieges. Durch die bewußte Verwendung von Bildern hätten sie ein Nachdenken über die Kriegsblider, darüber wie sie zu uns kommen, anregen wollen.

Genau diese Suche nach dem immer noch Kleinerem sei Ausdruck männlicher Intelligenz, die alles tot mache, weil zuletzt nichts mehr synthetisierbar sei, warf Peter Krieg ein. Das Endprodukt ist folglich ein Blindgänger, das gar nicht fertiggestellt werden kann. Daß alles abgetötet werde, dem widersprach Dietrich Leder. Das Problem sei das Zusammendenken, das Anerkennen von Blindstellen.

Die inszenierten Szenen des Films waren für die Zuschauer kein Problem, sondern was darin deutlich werde, die Unfähigkeit der Filmemacher zu Gefühl, Engagement, Trauer oder Bedeutungsgebung. Dem Vorwurf, steriles Expertenwissen zu vermitteln, widersprach Fosco Dubini mit dem Film, in dem sie immer die subjektive Funktion ihres Wissens benannt hätten. Und Donatello Dubini führte den Eindruck kalter Intelligenz auf die allgemeine Abstumpfung gegenüber dem Grauen der Kriegsbilder zurück.

Gegen diese Diskussion des Films setzte ein Zuschauer seine Wahrnehmung. Der Film zeige keine Selbstreflexion der Macher, die Themen würden keineswegs auseinanderlaufen. Er habe vielmehr den Eindruck, daß auf der bildliehen Ebene der Film sich verzettele und der Ton die Einheit schaffe. Er könne nicht sehen, daß es für die Filmemacher schwierig war, den Film, das Thema zusammenzufügen.

Die Zerrissenheit des Filme war auch für Werner Ruzicka nicht Ausdruck einer emotionalen Unfähigkeit der Autoren, sondern Ausdruck für den Zwiespalt Teil der Bewegung zu sein und es besser zu wissen als diese.

Die fehlende Emotionalität des Films bestätigte denn Fosco Dubini. Zum einen habe die Friedensbwegung permanent mit dem Gefühl der Angst gearbeitet, weshalb sie sich diesem verweigert hätten. Zum anderen würde er sich dagegen wehren, Gefühle funktional einzusetzen. Auch seien er und Dietrich Leder während der Dreharbeiten auf Distanz von einander gegangen, weshalb sie auch keine Musik für den Film gefunden hätten.

Gegen die Kritik, der Film sei Ausdruck männlicher Intellektualität und daher zu wenig gefühlvoll, stellte sich Dietrich Leder. Für ihn bezeichne „männliche Intellektualität“, d.h. intellektuelle Arbeit, die auch über den Film hinauszugehen habe Positives. Denn die Auseinandersetzung mit der amerikanischen Waffentechnologie sei ohne intellektuelle Arbeit gar nicht zu führen, da diese ihren Ursprung in Deutschland habe. Jedoch wehrte er sich vehement dagegen, daß der Film Gefühle ausblenden würde. So sei die Struktur der Szene, in der altes Filmmaterial die Begrüßung Hitlers durch ein kleines Mädchen zeige, gerade durch die Angst vor Auseinandersetzung bestimmt. Denn könnte dieses Mädchen nicht die Mutter sein?

Das Gefühl der Ohnmacht würde der Film durchaus vermitteln, auch wenn es in der Diskussion deutlicher geworden wäre, was auf die Filmart zurückgeführt wurde. Ein Bewegungsfilm sei leider immer ein Insider-Film.