Film

Bericht von einem verlassenen Planeten
von Peter Krieg
DE 1984 | 82 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 8
09.11.1984

Diskussion
Podium: Peter Krieg
Moderation: Brigitte Krause, Edith Schmidt
Protokoll: Gerda Meuer

Protokoll

Vor Beginn der Diskussion informierte Peter Krieg das Auditorium von einem neuen Eklat im Innenministerium. Man verweigert ihm die Zahlung des noch ausstehenden Förderbetrages in Höhe von 9o ooo DM mit der Argumentation, sein Film, BERICHT VON EINEM VERLASSENEN PLANETEN sei kein Spielfilm, sondern Peter Krieg habe vertragswidrig einen Dokumentarfilm produziert – damit Förderungsgelder zweckentfremdet. Mit seiner Resolution will Peter Krieg Öffentlichkeit über diesen Vorfall herstellen. Er wird darin von der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, den Filmbüros Hamburg, NRW, Hessen und Baden-Württemberg sowie dem Verband der Filmarbeiterinnen und der Interessengemeinschaft unabhängiger Videoproduzenten unterstützt.

Brigitte Krause versuchte die Diskussion einzuleiten, indem sie es als ein Verdienst Kriegs bezeichnete dem Dokumentarfilm neue formale Möglichkeiten eröffnet zu haben. Bevor sie dies weiter ausführen konnte, wurde sie von Krieg unterbrochen, der sich gegen die Bezeichnung Dokumentarfilm wandte, sein Film sei eine spielerische Form, die sich dokumentarischer Formen bediene. Wie man an den in Duisburg gezeigten filmen sehen könne, zeichne sich diese Entwicklung zur Mischform, zur gegenseitigen Beeinflussung allgemein ab. Auf die Rückfrage eines Zuschauers, ob der Förderungsantrag zu seinem Projekt einen Passus enthalten hätte, der die Krieg‘sche Definition aufnähme (dem BMI also nicht falsche Tatsachen vorgespiegelt worden wären), verlas Krieg aus dem Förderungsantrag die Mischformerklärung. Zusammenfassend läßt sie sich als eine Auflistung der fiktiven Ebenen des Films charakterisieren, die in etwa darein mündet, daß Krieg als neues Genre, den Science Faction Film einführt.

Nach diesen Resolutions- und Definitionsunklarheiten, konnte man sich endlich dem gezeigten Produkt zuwenden. Da ging es ziemlich schnell zur Sache, denn der Film bot Gelegenheit zum Schlagabtausch zwischen „polit-ökonomischen Analytikern“ und „sensiblen Ökologen“ – und irgendwo dazwischen lavierten Peter Krieg und einige, rare moderate Wortmeldungen.

Zunächst artikulierte einer der Diskutanten “maßlosen Ärger“ über den Film. Die einzelnen Teile hätten den Charakter von Feature-Beiträgen, seien nicht neu oder fremd und in den „manirierten Verbindungsteilen“ herrsche eine geradezu „geile Kameraführung“. Es stelle sich eine „Ästhetik des Grauens“ her und keineswegs Nachdenklichkeit oder Betroffenheit. Peter Krieg entgegnete, das sei ein immer wiederkehrender Einwand und er gründe in der Vorstellung, ein politischer Film dürfe keine Ästhetik haben. Er hingegen habe mit diesem Tabu gebrochen und versucht hinter den banalen Bildern der alltäglichen Berichterstattung Sinnbilder zu finden, die Alltagsbilder durch Ästhetisierung zu verfremden. Daraus erkläre sich auch der Widerspruch des ersten Diskussionsbeitrags, daß bekannte und fremde Bilder nebeneinanderstehen.

Ein anderer Beitrag verglich Kriegs ästhetische Mittel mit denen der Werbung. Es ginge ihm, so der Vorwurf, darum, neue Reizmittel zu finden, um die Zuschauer in das Kino zu locken, was „bemühten Dokumentarfilmern mit politischem Anspruch“ kaum mehr gelänge. Gegen diese Form von attraktivem Dokumentarfilm erhob die Diskutantin Einspruch. Sie verzichte lieber auf den Massenzustrom im Kino als daß sie in ihren Qualitätsansprüchen zurückstecke.

Krieg hielt ihre Einschätzung für falsch. Dokumentarfilm und Werbung hätten ein gemeinsames Problem und das sei der Zwang Kommunikation herzustellen. Sein Film habe aber nichts mit der Form von Reizen zu tun, mit denen die Werbung arbeite. Hier geht es um eine andere Sichtweise. eine die aufweist, daß unsere bisherige Sicht eine tödlich – naive war. Die rein kognitiven Fakten (= Konsequenz des polit-ökonomischen Zugriffs auf Wirklichkeit) reichten nicht aus, um Erfahrungen zu sammeln. Krieg kommt es darauf an, daß die Leute nicht „gucken“ (= Bilder sehen und warten bis die Erklärung nachgeliefert wird) sondern „sehen“.

Er habe versucht dies zu erreichen indem er die Erklärungen, die Bezüge schon in den einzelnen Bildern angelegt habe, Informationen in der „Montage kodierter Töne“ vermittele. Sein Problem sei nur, daß es den Rezipienten dieser erzeugten Bilder noch nicht gäbe. Er hoffe darauf, einen solchen zu erziehen. Bei manchen funktioniere seine Methode schon, bei anderen nicht.

Ein weiterer Zuschauer ordnete den Film dem Genre „Ökologiefilm“ zu. Während Kriegs frühere Filme analytisch-argumentativ angelegt wären, er darin Ursachen von Zerstörung benannt habe, zeige er nun, wie schön die Apokalypse sein kann. Er fühle sich als Zuschauer schlicht „verarscht“, wenn die Hintergründe so diffus blieben.

Ein anderer Zuschauer griff erneut Kriegs Differenzierungsversuch zwischen „sehen“ und „gucken“ auf und merkte an, für ihn hänge „sehen“ mit „durchschauen“ zusammen. Er bezweifle eine solche Wirkung im Falle von BERICHT VON EINEM VERLASSENEN PLANETEN. Krieg erzeuge eher eine neue Variante von „unheimlicher Betroffenheit“. ein mit “Lüsternheit besetztes Grausen“. Wirkliche Betroffenheit im Sinne von Erkennen der wahren Interessen verhindere der Film.

Dieses Statement rief den Widerspruch einer Zuschauerin hervor, die der Diskussion in toto Zynismus vorwarf. Die Zerstörung unseres Planeten. wie Krieg sie aufweist, sei existentiell bedrohlich und der Mensch sei verantwortlich für diesen Zustand. Der Film sei für sie eine Anregung darüber nachzudenken, wofür sie leben wolle, sie sei auf ihre verschütteten Sehnsüchte gestoßen worden. Dem Stichwort „Sehnsucht“ wurde mit „Mystizismus“ gekontert und Peter Krieg konstatierte, hier sei wieder einmal das „Berührungspotential polit-ökonomischer Analyse“ getroffen. Ihm sei es ganz gleichgültig, ob unser Planet kapitalistisch oder sozialistisch kaputt gemacht werde. Deswegen interessiere ihn die Frage nach dem Verursacher nicht mehr, man wisse genug darüber, es gelte nun, eine neue Ebene zu erreichen.

Letzter Punkt der Diskussion war der Beitrag eines Zuschauers, den die Normativität der Diskussion verblüffte. Er habe einen Film gesehen, in dem Partikel von Welt mit ironischem Blick gestreift würden. Ihn hätte es geradezu geärgert, wenn die Ursachensuche aufdringlich hinzugekommen wäre, d.h., wenn Krieg den Film mit einem polit-ökonomischen Kommentar unterlegt hätte. Er habe einen Gegenvorschlag zu machen: Krieg solle statt des jetzigen Kommentars doch einen erklärenden, polit-ökonomischen Kommentar verzerren und dieses „Gebrabbel“ den Bildern unterlegen. In dieser „vertrackten Ironie“ stecke die Chance zur Erhellung. Krieg behielt, dem Diskutanten widersprechend, das letzte Wort. Die „vertrackte Ironie“ sei in seinem Film schon angelegt, da es sich nicht um Science Fiction handele sondern um Realität.