Film

Je älter daß man wird, je dümmer daß man wird…
von Alfred Pittertschatscher
DE 1980 | 80 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 4
22.09.1980

Diskussion
Podium: Alfred Pittertschatscher, Kurt Kutnewsky
Protokoll: Uli Opitz

Protokoll

Die Diskussion über den Film verlief sehr friedlich. Sie bestand im wesentlichen darin, daß der Filmemacher sehr lebendig und anschaulich von seiner Arbeit an dem Film erzählte.
Pittertschatscher bezeichnete sich selbst als Journalist. Er hatte bereits Artikel und Hörfunksendungen zu dem Thema gemacht, bevor sich bei ihm die Idee verfestigte, einen Film über Alte zu machen. Auf das im Film gezeigte Schneidermeister Ehepaar stieß er durch eine Zeitungsnotiz über ihre Diamantene Hochzeit.
Die Gesamtrecherche zu dem Film erstreckte sich auf 4 Jahre, die gezeigten Alten hat er unter 186 Personen ausgesucht.
Ursprünglich hatte er sich für einen alten Mann entschieden, aber während der Recherche wurde deutlich, daß dieser im Konflikt mit seiner Familie lebt und andeutete, daß er den Film benutzen wollte, „um es denen noch zu zeigen”. Der alte Gastwirt im ersten Teil des Films war dann ein Ersatz, auf den ihn der Kameramann hingewiesen hat. Pittertschatscher kannte sein Thema bereits vor dem Film gut durch Arbeit in Altenheimen und bei der Aktion „Essen auf Rädern”. Das gezeigte Ehepaar kannte er 4 Jahre, bevor er das Drehbuch konzipierte.
Als es während der Dreharbeiten Schwierigkeiten gab, die alten Leute waren wohl überfordert und wehrten ab, wäre der Film beinahe gescheitert, da für den Filmemacher klar war, daß ihm die Beziehung zu den alten Menschen wichtiger war als der Film.
Der Film hatte eine Drehzeit von 4 Wochen. Das Problem der Anwesenheit des Teams in der Wohnung bei der Beobachtung des Alltags der alten Leute konnte durch das gute Verhältnis des Filmemachers zu ihnen gelöst werden. Die Beobachteten empfanden die Anwesenheit des Teams nicht als störend.
Der Filmemacher arbeitete zeitweise mit zwei Kameras. Das ermöglichte, bestimmte Situationen, z. B. wenn Besuch kommt, in ihrer Mehrgleisigkeit festzuhalten. Pittertschatscher entschied sich bei der Bildästhetik für Schwarz-Weiß-Material und für eine extrem ruhige Kamera nach dem Prinzip der Guckkastenbühne, das erschien ihm das künstlerisch adäquate Mittel zum Thema. Die Kamera arbeitete teilweise mit Nachtoptiken und mit Einbeinstativ, um in dem Intimbereich Wohnung keinen großen technischen Aufwand zu betreiben.
Auf den Ton legte der Filmemacher – er hat Musikpädagogik studiert – großen Wert. Das leise, manchmal etwas unverständliche Sprechen der alten Leute sollte in seiner ganzen Differenziertheit im Film hörbar werden.
Auf die Frage, warum Dichterzitate als Zwischentitel eingeschnitten wurden, meinte der Filmemacher, diese Zitate erschienen ihm als die besten schriftlichen Aussagen über das Altwerden. Außerdem gebe es dadurch Ruhepunkte beim Sehen des Films. Einen eingesprochenen Kommentar lehnte er ab, um den Zuschauer nicht zwischen Beobachter und Hörer hin und herzureißen. Der Film hätte dadurch an Dichte verloren.
Zur Gliederung des Films erläuterte Pittertschatscher, die Anfangssequenz über Beerdigung und Leichenschmaus sollte das Thema Tod optisch anreißen, er wollte aber nicht, daß der Film damit endet.
Auf die Frage, warum er nicht nur das alte Ehepaar, sondern auch den Gastwirt in den Film eingebaut hat, antwortete er, daß die beiden gezeigten Lebenssituationen für ihn zwei Möglichkeiten, das Alter zu bestehen, zeigen. An der Figur des Gastwirts würde deutlich, wie man sich auch in hohem Alter durch Arbeit aufrechthalten kann, der Mann hat auch mit 80 Jahren noch einen vollen Tagesablauf. Bei dem alten Ehepaar würde deutlich, wie man sich gegenseitig im Alter stützen könne. „Wenn einer der beiden stirbt, dann ist das schrecklich für den anderen. Nach 60 Jahren Zusammenleben wäre er ohne den anderen nur noch ein halber Mensch.”
Der Titel, der vielleicht etwas mißverstanden werden könne, ist auf keinen Fall denunziatorisch zu verstehen. Das alte Ehepaar habe diesen Satz selbst formuliert. Gemeint ist damit jene Weisheit des Alters, die der Filmemacher‘ zeigen wollte. je mehr man erlebt, desto weniger weiß man.