Film

Anton und ich
von Hans-Dieter Grabe
DE 2017 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 41
07.11.2017

Diskussion
Podium: Hans-Dieter Grabe, Eva Littau (Schnitt)
Moderation: Joachim Schätz
Protokoll: Roxana Reiss

Synopse

Ständig pfeifend kämpft Anton sich stoisch auf zwei Krücken vorwärts. Der alte Bauer bestellt seinen Hof, bewirtet seine Gäste, schimpft gegen seine gleichmütigen Kühe. Arbeit ist die Weise seines Daseins, das ihm langsam entgleitet; die Bitte um Hilfe nur letzter Ausweg. Was, wenn Anton das nicht mehr schafft? 

Protokoll

Seit Jahren kehrt der Filmemacher Hans-Dieter Grabe mit seiner Familie in eine Pension im Berchtesgadener Land ein, wo er 2009 anfing den ewig pfeifenden Bauern Anton zu dokumentieren, der auf Krücken seine Kühe füttert und dem Regisseur das Frühstück bereitet.

Joachim Schätz begrüßt das 1-Mann-Drehteam mit Hans-Dieter Grabe an der Kamera, in der Regie und seine Schnittmeisterin Eva Littau zur Diskussion von ANTON UND ICH. Für ihn ist es ein Film über das Umgehen von Schwäche, und Grabes Interesse an der Kräfteverteilung im Alter dabei sei sehr spürbar. Hans-Dieter Grabe fügt hinzu, dass es nicht nur sein Mitgefühl Anton gegenüber war, sondern auch schlichter Egoismus, der ihn zu dem Film veranlasste: Der Filmemacher hat die Hoffnung, dass Anton weiter arbeitet, damit er selber an den Hof zurückkehren kann. Die Kamera war für ihn hierbei sowohl eine Entschuldigung, nicht helfen zu können, als auch ein Ausdruck seiner Bewunderung von Antons Stärke. Er hatte das Gefühl, dass die Kamera für Anton eine Unterstützung seiner Arbeit war, auch wenn dieser gewiss ohne ihre Anwesenheit weiter gemacht hätte.

Joachim Schätz möchte wissen ob es bei den Dreharbeiten Aushandlungen mit dem Protagonisten über das Filmen und seine Grenzen gab. Dem war nicht so: Anton hätte es geschehen lassen, und so wurde einfach nicht darüber gesprochen. Anton gewöhnte sich an die Anwesenheit des Filmemachers, was zu der Frage führt: Was war die Überlegung bei der Titelsetzung? ANTON UND ICH. Protagonist und Filmemacher. Eine Beziehung? Hans-Dieter Grabe erklärt, er wollte seine Anteilnahme offen legen und sah sich als Bestandteil der Szenen, in der seine eigenen Gefühle im Bild (und Ton) zu lesen waren. Später spricht Joachim Schätz die Kommentatorrolle des Filmemachers an. Zu Beginn jedes neuen Zeitabschnitts – und vereinzelt in anderen Szenen – erklärt der Regisseur die Situation und seine Besorgnisse in Antons Entwicklung. Die Frage nach dem Nutzen des Kommentars tut sich auf: Hier sah Hans-Dieter Grabe, als „Ich“ im Titel, sich verpflichtet, das Innere des Ichs mit dem Publikum zu teilen.

Der Vergleich zu früheren Arbeitsweisen des Regisseurs wird besprochen, oft ging es um den eingeschränkten Bewegungsradius seiner Protagonisten. Hans-Dieter Grabe unterstreicht sein Interesse an der Ehrlichkeit dieser Menschen. Ihm liegt es nahe zu zeigen, was Menschen mit Behinderungen können und sieht den Film als Medium zur Selbstreflexion des Zuschauers. Später in der Diskussion gibt es eine Anmerkung eines Zuschauer genau zu diesem Punkt: Er hatte das Gefühl die Dinge zu sehen, die Anton eben nicht kann. Die Aufnahmen von brüchigen Schuhen seien für ihn Ausdruck für die Verwahrlosung der Kühe und er persönlich wäre gerne mit Anton z. B. in die Dusche gegangen. (Also mit der Kamera.)

Die Schnittmeisterin Eva Littau wird einbezogen und erzählt von einer strukturierten Zusammenarbeit. Trotz der Menge an Material kam Hans-Dieter Grabe vorbereitet, wobei er schon vorher „den Film im Kopf schneide“, sagt Littau. Der Regisseur lobt seine Editorin und ihren Erfolg, die nötige Kürzung des Films ohne Verlust an Inhalt vollzogen zu haben. So konnten sie den Film, wie von der Redaktion gewünscht, auf 60 Minuten zusammenfassen.

Joachim Schätz gewinnt den Eindruck: „Solange gepfiffen wird, geht das Leben weiter“ – und gerade das ständige, unsichtbare, meditative Pfeifen von Anton hat Eva Littau im Schnittprozess geholfen, sie konnte sich an den Rhythmen von Schritten, Krücke und Pfeifen orientieren.

Ein Zuschauer sehnte sich im Film nach mehr Erklärung zu Antons Ängsten vor Ärzten und Hintergründen zu seiner Krankheit – Ebenen, in die der Filmemacher nicht durchdringen konnte. Anton handele – in seinem Umkreis sei dies bekannt – ohne Begründung.

Der Regisseur erklärt, dass er Anton den Film bei seinem nächsten Besuch zeigen und ihn bei der Sichtung filmen möchte. Er sei sehr neugierig auf dessen Reaktion.

Ein Zuschauer möchte den Zusammenhang der Herstellung der Filmaufnahmen von 1991 mit Antons Mutter und dem Material ab 2009 erfahren. Werner Ružička fragt, ob der Hof zu einer Art Ersatzheimat für den Regisseur geworden ist. In diesen intimen Punkten wird sichtbar, dass Hans-Dieter Grabe über die Jahre eine sehr persönliche Beziehung mit dem Hof, mit Anton und der Mutter durch Reisen mit seiner eigenen Familie dorthin entwickelt hat. Der Filmemacher schätzt offensichtlich das Gefühl des Stillstandes und an einen Ort zurückzukehren, der unverändert bleibt. Doch vieles würde sich ändern, wenn Anton nicht mehr arbeiten könnte…

Die formelle Kommunikation zwischen Protagonist und Filmemacher wird besprochen, und hier stellt Hans-Dieter Grabe klar, dass beide sich Ihrer Position als Pensionswirt und Gast sicher fühlten und diese Beziehung von beiden respektiert blieb. Thomas Heise lobt und hätte gerne das Zimmer des Filmemachers in der Pension gesehen. Joachim Schätz schlägt vor, dass dies auf der DVD oder als Plakat nachgereicht werden könnte.

Werner Ružička erfragt, ob diese Form der dokumentarischen Miniatur ein Solitär im ZDF bleiben wird und möchte mehr über die gemeinsame Zusammenarbeit erfahren. Der Regisseur findet diese Frage sehr gut und reicht das Mikro verbal an die Redakteurin Andrea Gries weiter: Dieses „ungewollte“ Projekt sei auf ihrem Schreibtisch gelandet, worüber sie froh sei, denn der Sendeplatz werde den jungen Leuten durch solche Filme nicht weggenommen. Der Regisseur lobt daraufhin die Arbeit von Frau Gries – ohne sie wäre der Film nicht zu Stande gekommen.

Der Moderator Joachim Schätz beendet die Diskussion mit einem Verweis auf den Film AUS EINEM JAHR DER NICHTEREIGNISSE später am Abend, der auch auf einem Bauernhof spielt.