Film

2024 (2023)
von Stefan Hayn
DE 2025 | 65 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 49
06.11.2025

Diskussion
Podium: Stefan Hayn
Moderation: Alexander Scholz
Protokoll: Caroline Schöbi

Synopse

Stefan Hayn malt und dokumentiert seine Arbeit mit dem Smartphone. Familienansichten, Stadtansichten. In lichten Bahnen aquarelliert er seine Tochter neben einem Waldbach. Mit dickem Ölauftrag porträtiert er die Karl-Marx-Büste in Ost-Berlin. Hayn schichtet Farben und Blicke. Manchmal sind Gemälde und Motiv gleichzeitig sichtbar, dann wieder verdeckt das Bild den Gegenstand. Positionen und Perspektiven verändern die Praxis. Die Gegenwart sucht nach einer Form. Der Künstler macht ihr ein Angebot.

Protokoll

Zwischen der Arbeit mit und am Bild, um die es in Stefan Hayns Film 2024 (2023) geht, und der Arbeit am Protokolltext tun sich für mich in diesem Moment Verbindungen auf: Wenn Eindrücke übersetzt und „in Form gebracht werden sollen“, kommen gewisse Dinge zwangsläufig abhanden, denn Wahrnehmung ist subjektiv und Übersetzungsprozesse sind unweigerlich verlustreich. In beiden Fällen handelt es sich um nicht objektivierbare Blicke auf ein Äußeres, um ein subjektives In-Verhältnis-Treten mit (Um)Welten und Geschehnissen, das sich in dem Moment angreifbar macht, in dem eine partiale Perspektive mitgesagt wird. Denn es gibt andere, ergänzende, widersprechende, relativierende, Perspektiven, die nicht erzählt werden.

Wir alle, die wir hier im Diskussionsraum BORA sitzen, haben soeben eine unvollständige Version von Stefan Hayns Film geschaut: Bildstörungen haben die Projektion an zwei Stellen unterbrochen. Es ist interessant, dass der Beamer die Übersetzung, den Sprung nicht schafft, äußert Hayn in diesem Zusammenhang. Etwas später im Gespräch, als eine Person aus dem Publikum auf die „zustolpernden“ Kamerabewegungen zu sprechen kommt – Momente im Film, in denen wir mitverfolgen, wie Hayn die Handykamera beim Filmen aus den Händen gleitet – beschreibt der Regisseur das filmische Bild hinsichtlich des vielen Windes in Berlin als „Segel“; „man muss das Ding halten, dann bläst der Wind und es fällt“. Dass die Grundlage, auf der diese beabsichtigte Störung anschaulich werden kann – der Film, die Montage als Balanceakt, das Dispositiv –, äußerst fragil ist, hat die vorangegangene Projektionssituation mit den nicht intendierten Störungsmomenten verdeutlicht. Heute ist es also nicht der Berliner, sondern der Duisburger Wind, der das Ding zum Kippen gebracht hat. Mit Blick auf den Film ist das einschneidend, denn Hayn, so nehme ich wahr, schafft in seinem Film Momente, in denen die Differenzen zwischen einem filmischen und „malerischen“ Sehen – zwischen dem, was uns umgibt und einem möglichen Bild davon –, in ein flüchtiges Gleichgewicht finden. Diese filmischen Momente – oder Glimpses – sind brüchig, stehen unter enormer Spannung und streben keine Sicher- oder Starrheit an. Es ist ein Austarieren unter der Vorahnung – dem Wissen –, dass alles jederzeit in sich zusammenfallen könnte.

„Es geht ja gerade nicht darum, etwas zu enthüllen“ sagt Alexander Scholz. Es passiere viel in der Reibung, wenn unterschiedliche Formate oder Bildregister aufeinandertreffen würden, wenn ein Schwenk oder Schnitt den Zuschauer:innenblick von etwas loslösen und verschieben würde – weg von Malarbeit und -grund hin zum gemalten Motiv und zur Situation. In diesen Momenten, in denen sich Differenzen hervortun würden, sei das Umschreiben und Verdecken viel präsenter. Scholz setzt in diesem Zusammenhang auch ein Schauen von einem Sehen ab, was Hayn begrüsst. Im Folgenden interessiert sich Scholz für die Konstellation zwischen dem Malen und dem Filmen des Gemalten – für den Moment, in dem Hayn damit begonnen habe, sein malerisches Werk filmisch zu erkunden.

Das war nicht geplant, erzählt dieser. Anfangs hätte er sporadisch mal etwas aufgenommen, wobei es immer um die Bilder und den malerischen Prozess gegangen sei, um das protokollartige Festhalten eines Standes, im Wissen darum, dass dieser bald nicht mehr existieren würde. Zudem hätte die Zuschauer:in dadurch die Möglichkeit, sich selbst zu fragen, was er da eigentlich mache. Es gehe ja nicht ums Handy, merkt Hayn an anderer Stelle an: es gehe darum, was man sehe und wie das, was die heutige Technik abbilden würde, in einem krassen Gegensatz zur Malerei stehen würde – zu dem, was es an Anstrengung bedeutet, ein gemaltes Bild sowohl herzustellen als auch anzuschauen. Bei anderer Gelegenheit erläutert Hayn zudem, dass es aus einer Perspektive des Machens und Lebens mit Bildern auch um viele emotionale Fragen und Subtexte gehe: Warum malt eine:r überhaupt? Ist es eine Einsamkeitshandlung? Male ich Menschen, weil ich Angst habe, dass er oder sie bald nicht mehr da sein würde?

„Die Stadien, wo das Bild jetzt ist, das konnte ich sehen“ reflektiert eine Person aus dem Publikum die eigene Seherfahrung. Die Kadrierung habe den Blick freigemacht auf die Bewegungen des städtischen Treibens, die den Malprozess begleitet hätten, in den fertigen Bildern letztlich aber nicht mehr sichtbar seien. Der Entstehungsprozess sei so nachvollziehbar geworden, „ich fand’s wunderbar, das zu sehen“. Eine andere Person bezieht sich auf die stellenweise in den Vordergrund tretenden Atemgeräusche, die uns Zuschauer:innen immer wieder zu Hayns Subjektivität zurückführen würden: „das geht sehr an den Körper, wenn wir deinen Atem hören“. „Wir haben in der Tonmischung viel daran gearbeitet und jeden Atmungsmoment diskutiert“, führt Hayn aus. Es sei klar, dass das einem zu nahe sei – Atmung habe schließlich auch viel mit dem Inneren eines Menschen zu tun. Alexander Scholz bezieht die Atemgeräusche auf den Prozess des Übersetzens – „dass da ein Rest ist, der nicht übersetzbar ist. Ein Rest, der sich aufdrängt. Das fand ich sehr schön“.